Be careful, ladies!

P1080908Seit 35 Jahren ist die Psychobilly-Legende Guana Batz mittlerweile aktiv, also ist das ein mehr als würdiger Anlass, den Geburtstag mit einer Tour ordentlich zu feiern. Das Abschlusskonzert findet im Münchner Strom statt, das sich in den letzten Jahren (nicht nur) für Psychobilly-Konzerte etabliert hat. Um zwei Ecken herum habe ich gehört, dass die letzten Shows vor München eher mittelmäßig gewesen sein sollen. Aber warten wir es ab und hoffen das Beste, denn Mittelmäßigkeit kannte ich bislang von Guana Batz nicht. Den Abend eröffnen werden Out Of Luck, die letztes Jahr mit Nekromantix die Bühne im Strom geteilt haben (Link zum Bericht).

Zwanzig Minuten nach Einlassbeginn ist im Strom bereits Einiges los, deutlich mehr als sonst. So einige hatten offensichtlich eine weitere Anreise. Klar, die Geburtstagssause will natürlich niemand verpassen, aber heute legt auch wieder DJ Alley Cat King auf, was sich in einer deutlich besseren Vorstimmung als zuletzt bei Demented Are Go (Link zum Bericht) bemerkbar macht. Und so stellen sich Out Of Luck gegen 21:15 Uhr einer gut gelaunten und fast schon vollständigen Menge.
P1080525_SWIhr Set beginnen Sänger Karl „Rascal“ am Kontrabass, Gitarrist Mike Mess und Drummer Max „Drumbo“ Mambo mit „Among snakes“ und „Jimmy’s garage“, den Openern des brandneuen Albums Breakdown in the desert, die ineinander übergehen. Weiter geht es mit „Psycho’s mind“, und bereits jetzt ist es Zeit für Drumbo, sich seines nassgeschwitzten T-Shirt zu entledigen. Mit seinem Engagement hinter den Drums ist er nicht nur für mich der heimliche Star der Truppe. Mit „C’mon“ feuert die Band sich selbst und das Publikum an, und folgerichtig kündigt Rascal nun an: „Der nächste Song ist für alle, die gern tanzen: „Cruisin'“ Dieser Aufforderung können sich nur wenige verschließen und lassen sich auch nicht von einem „Rainy day“ ärgern. Weiter geht es mit „Gotta go to Mexico“, nach dem sich Drummer Drumbo mit „Muchas gracias“ für den Beifall bedankt, gefolgt von „Midnight drive“. Nach „1988“ begrüßt Rascal „die österreichische Kampftruppe“, die vorne für Bewegung sorgt, und anschließend auch die Mitglieder des Crafters Car Club. Pikanterweise folgt nun ausgerechnet „Testament“ (ein Schelm, wer Böses dabei denkt), und zum Dank fliegt ihm ein nasses T-Shirt entgegen, das er direkt Richtung Drums weiterwirft. „Wir teilen uns alles, sogar die T-Shirts!“ Nach dem Hit „Killer Coupé“ geht es mit „Frustrated“ und „Sunrise at the foggy river“ Richtung Finale. Das letzte Lied wird mit „The next song is ‚Johnny Ultracool'“ angekündigt, dann winken Out Of Luck kurz und verschwinden im Backstagebereich. Trotz zahlreichem Applaus gibt es heute keine Zugabe, es ist aber auch bereits 22 Uhr, und Guanabatz müssen ja auch noch ran.

Die folgende Umbaupause zieht sich etwas hin, dabei muss gar nicht viel umgebaut werden, da es kein Bühnenbanner gibt und Guana Batz-Drummer Johnny Bowler das Schlagzeug übernimmt. Die Becken tauscht er selbst aus, und auch Stuart Osbourne an der Gitarre und Bassist „Choppy“ Lambourne checken kurz ihre Instrumente. Die Spannung steigt nun spürbar an, und als die Mannen um Sänger Pip Hancox endlich laut bejubelt die Bühne betreten, entfährt Stuart ein „What the fuck!“, begleitet von einem ungläubigen Blick in die Menge. Ja, da schaust du, die Hütte ist heute bumsvoll!
P1080857Pip Hancox springt nun auch auf die Bühne, traditionell mit einer Dickies Hose und nacktem Oberkörper, und die Band startet fulminant mit „Take a rocket“ und „Can’t take the pressure“. Alle fegen wie Derwische über die komplette Bühne und springen fast in die erste Reihe hinein, sodass ich mich erst unter einem schwingenden Gitarrenhals hindurchbücken und anschließend dem Basskopf ausweichen muss. Bei „You’re my baby“ hat die wilde Sause auch schon das eben noch staunende Publikum erfasst, und es bildet sich ein erster Wrecking Pit, der auch vor „Lady Bacon“ nicht halt macht. Choppy stemmt seinen Kontrabass immer wieder auf die abgeschrägte Monitorbox, sodass jemand vorne den Fuß festhalten muss, damit er nicht abrutscht. Auch Johnny an den Drums legt sich mächtig ins Zeug, so sehr, dass er mitsamt Schlagzeug und Teppich auf dem kleinen Podest nach vorne rutscht und Pip ihn wieder zurückschieben muss. Erst mit „Bring my Cadillac back“ kommt ansatzweise etwas Ruhe herein, Pip ist jetzt schon schweißüberströmt. Er begrüßt das Publikum, holt die Magnetkarte seines Hotelzimmers aus der Hosentasche und meint augenzwinkernd: „Be careful, ladies!“ Das Publikum erwidert mit lautem Gelächter, aber einige entzückte Schreie sind auch dazwischen. Weiter geht es mit „You’re so fine“, von dem uns Pip verrät, dass er den Song geschrieben hat, als er gerade einmal vierzehn Jahre alt war, und „Dynamite“, zu dem der Wrecking Pit wieder explodiert. Kein Wunder, denn Johnny schlägt so hart auf die Becken, dass ihm ein Drumstick zerbricht. In den anschließenden Jubel hinein meint Pip: „Today is the last show of our tour!“ Er sei eigentlich erkältet, aber das Münchner Publikum heute treibe ihn an, so dass er feststellt: „I don’t care tonight!“ Und so lädt er alle Anwesenden ein, den nächsten Song mitzusingen. „I’m on fire!“ Im Wrecking Pit geht es natürlich ab, und derart aufgeheizt fegen wieder einmal alle über die Bühne, und auch das Drumkit rutscht wieder gefährlich nach vorn. Pip steigt etwas zu schwungvoll auf seine Monitorbox am Bühnenrand und kickt mir diese entgegen, ich kann sie aber auffangen und zurückschieben.

P1090264Weiter geht es mit „You can run“ und „Love generator“, vor dem Pip noch einmal mit der Schlüsselkarte herumalbert. Als er bei der Ballade „Wondrous place“ mit einer Hand am Mikroständer ruhig dasteht und singt, tropft ihm der Schweiß nicht vom Ellbogen, er fließt regelrecht herab. Irgendwann wischt er sich mit beiden Händen über den Oberkörper und verspritzt alles in die ersten Reihen. Ich fühle mich getauft. „This is our 35 years of touring, so it’s our anniversary.“ Daraufhin beginnt Stuart mit: „Happy birthday to us…“ Nun kündigt Pip an: „As it’s the last day of our tour we want to give you something special.“, und Stuart übernimmt den Gesang für den Song „Katherine“. Hinterher meint Pip dann scherzhaft: „I needed a rest!“ Nun bilden „Texas eyes“ und“ Loan shark“ den nächsten Block, und mittlerweile trägt kaum noch jemand im Wrecking Pit sein T-Shirt. Kein Wunder, denn es spritzt nicht nur der Schweiß. Immer wieder fliegt jemandem der Bierbecher aus der Hand, teilweise noch voll. Mit „Girl on a motorbike“ folgt der erste Song der neuen EP Burning Up, die letztes Jahr erschienen ist. Pip meint dazu: „We have a new record out after 21 years!“ Es folgt „Radio Sweetheart“, im Original von Elvis Costello, das von vielen mitgesungen wird. Nach „Electra glide in blue“ kündigt Pip „two more songs“ an, doch einer ruft: „Five more!“ und hält fünf Finger hoch, worauf Pip entgegnet: „I give you high five!“ und klatscht ihn ab. Es folgen die Klassiker „Jungle rumble“ und „Streetwise“, zu denen wieder heftig gewreckt wird. Bei ersterem grinst Johnny hinter den Drums wie der irre Jack Nicholson in Shining. Zum Glück schwingt er keine Axt, sondern nur seine Drumsticks. Bei letzterem wird wiederholt das Tempo herausgenommen und der Song so in die Länge gezogen. So kann der Wrecking Pit immer mal kurz verschnaufen und dann wieder loslegen. Doch schließlich endet das reguläre Konzert, und die Band verlässt unter lautem Jubel die Bühne, aber nicht ohne sich vorher noch bei Out Of Luck zu bedanken. Mittlerweile ist es halb zwölf, und lange lassen sich Guana Batz für die Zugaben nicht bitten.
Mit „Burning up“ wird das Titelstück der neuen EP dargeboten und begeistert abgefeiert. Spontan wird mit „Rock this town“ ein Cover von den Stray Cats eingeschoben, Stuart und Choppy liegen dabei mit ihren Instrumenten teilweise am Boden. Die Dickies von Pip sind mitlerweile bis zu den Knien patschnass. „This is the song you’ve been waiting for! R U ready?“ Jeder weiß natürlich, was nun kommt: „King Rat!“ Die Meute ist völlig außer Rand und Band, der Wrecking Pit erstreckt sich durchgängig bis zum Mischpult und ist damit der größte, den ich bislang im Strom erlebt habe. Die Band zieht den Song wieder in die Länge bis zur totalen Erschöpfung, bis es schließlich heißt: „One more time… King Raaaaat!“
Das Saallicht geht an, der Boden klebt von Bier, und um mich herum lauter fertige, verschwitzte und glückliche Gesichter, Kampspuren einer sensationellen Show. DJ Alley Cat King hält nun die Stimmung aufrecht und bestreitet die Aftershow. Der Merchandise-Stand wird nun regelrecht umkämpft, und Pip Hancox lässt es sich nicht nehmen, mit einem Handtuch bewaffnet Autogramme zu geben. Außerdem steht er auch für Selfies zur Verfügung, eine seltene Gelegenheit, die vor allem die Damenwelt verzückt wahrnimmt. Erst nach über zwanzig Minuten hat er die Chance, sich wieder zurückzuziehen.

Fazit: Beide Bands spielen sich quer durch ihre Diskographie, was im Publikum gut ankommt. Out Of Luck sind eine verlässliche Vorband, deren Fangemeinde wächst. Guana Batz sind heute Abend der absolute Kracher, der den Saal regelrecht zum Kochen bringt, quasi „burning up“. Geiler Abend!

Setlist Out Of Luck:
Among snakes
Jimmy’s garage
Psycho’s mind
C’mon
Cruisin‘
Rainy day
Gotta go to Mexico
Midnight drive
1988
Testament
Killer Coupé
Frustrated
Sunrise at the foggy river
Johnny Ultracool

Setlist Guana Batz:
Take a rocket
Can’t take the pressure
You’re my baby
Lady Bacon
Bring my Cadillac back
You’re so fine
Dynamite
I’m on fire
You can run
Love generator
Wonderous
Katherine
Texas eyes
Loan shark
Girl on a motorbike
Radio Sweetheart
Electra glide in blue
Jungle rumble
Streetwise

Burning up
Rock this town
King Rat

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