Too bad for you!

In den zehn Jahren ihres Bestehens haben sich die Schweden Sister quer durch Europa gespielt und haben sich ihren Ruf als hervorragende Liveband hart erarbeitet. Auch ich habe sie schon einmal live erlebt als Vorband von Wednesday 13, und an dem Abend haben sie mich weit mehr überzeugt als der eigentliche Hauptact. Mittlerweile sind drei Jahre vergangen, was ist also aus Sister geworden? Martin SweetIMG_2610 von Crash Diet hat den ausgeschiedenen Rikki Riot am Bass ersetzt. Martin hat zuvor schon als Produzent für Sister gearbeitet, das neue Album Stand up, Forward, March! wurde jetzt aber von Jona Tee von der Band H.e.a.t. produziert. Als Vorband treten heute Noise Pollution aus Italien an.
19 Uhr ist als Konzertbeginn angesetzt, und obwohl es im Backstage in aller Regel recht pünktlich zugeht, glaubt das heute offenbar niemand. Zwanzig vor sieben bin ich scheinbar der erste Gast. Mich empfängt lediglich eine beeindruckende zusammengeschweißte Stehlampe mit Sister-Logo und dahinter mit vollen Backen das Mädel vom Merchandise, das gerade noch ihr Abendessen verzehrt. Erst nach und nach tröpfeln weitere Besucher in den Club. Oder ist die Vorband so schlecht, dass sie keiner sehen will? Hoffentlich nicht. Da ich sie mir nicht vorher angehört habe, muss ich mich überraschen lassen.

Erst um 20 Uhr starten Noise Pollution vor etwa dreißig Gästen. Konzerte vor wenig Gästen sind immer schwierig, so auch heute. Der Sänger legt sich mächtig ins Zeug, kann die Anwesenden aber nicht zum Mitklatschen animieren. Ihr Hardrock-orientierter Sound trifft hIMG_2658eute nicht den Nerv des Publikums. Nach einigen Songs stellt er sich vor die Bühne und bittet die Leute näherzukommen, nun ist es zumindest nicht so leer vor der Bühne. „Are you ready for Rock ’n‘ Roll?“ – Schweigen. Nüchtern stellt er fest: „No, you don’t like Rock ’n‘ Roll.“, was aber immerhin für Lacher sorgt, und ein paar Leute kommen danach mehr aus sich raus. Erst zum Ende des dreiviertelstündigen Sets klappt es auch ein bisschen mit dem Mitmachen. Zum letzten Song „Helter Skelter“ springen der Sänger und die beiden Gitartisten durchs Publikum und verbreiten damit gute Laune. Das hätten sie einfach früher machen sollen.

Die Umbaupause ist erfreulich kurz, nach nur fünfzehn Minuten ertönt das coole Intro, das irgendwas von Marschmusik hat, nur sind leider nicht wesentlich mehr Besucher aufgekreuzt. Nacheinander betreten Tim Tweak an der Gitarre, Martin Sweet am Bass und Cari Crow am Schlagzeug die Bühne und steigen originellerweise in die letzten Takte des Intros mit ein. Mit Sänger Jamie Anderson komplettiert sich die Band und startet direkt mit „Destination Dust“, das auch der Opener des neuen Albums Stand up, Forward, March! ist. Mit „Carved in Stone“ folgt sogleich die Nummer zwei, außerdem ist das die erste Singleauskoppelung. Bis auf drei junge Headbanger ist das Publikum erst einmal typisch münchnerisch zurückhaltend. Zu „Spit on me“ spuckt Jamie tatsächlich einmal in hohem Bogen ins Publikum, aber niemand traut sich dem Titel entsprechend zurückzuspucken. Kein Wunder, denn er rast wie ein Derwisch über die Bühne und steht kaum einen Moment still. Es folgen „Disguised Vultures“, „Werewolves on Blackstreet“ und „Carry on“. Mittendrin meint Jamie, nicht ohne Selbstironie: „We’re Sister from Stockholm, Sweden, by the way, in case you don’t know.“ Ein bisschen Enttäuschung wegen der geringen Zuschauerzahl schwingt wohl auch mit. Dann kündigt Jamie den nächsten Song an: „Backstage, Munich! You are my enemy!“
Mittlerweile hat er die Menge besser im Griff, es wird mitgesungen und Fäuste werden emporgereckt. Weiter geht die Sause mit „The unlucky Minority“ und „Would you love a Creature“. Die zweite Single „Unbeliever“ widmet Jamie der Vorband Noise Pollution, die jetzt noch einmal ordeIMG_2718ntlich Applaus bekommen und es sich nicht nehmen lassen, eine schöne Pogo-Aktion im Publikum zu starten. Es folgt „Sick“, und anschließend ruft Jamie vor dem letzten Song „Bullshit and Backstabbing“ die letzten Besucher zu sich, die sich noch im Hintergrund an der Bar verstecken: „I don’t like that. Come on, this is a fucking Rock ’n‘ Roll show!“ Recht hat er, aber eigentlich hätte die Aufforderung früher kommen müssen.
Aber auch vierzig Leute können jetzt doch Lärm machen, und so spielen Sister noch zwei Zugaben. Vor dem letzten Song bedankt sich Jamie noch einmal und stellt dann fest: „I’ve been too bad for you!“, womit dieser dann auch gleich angekündigt ist. Nach siebzig Minuten ist endgültig Schluss, und ich bin überrascht, denn es kam mir gefühlt deutlich länger vor – was wahrscheinlich vor allem an der Wahnsinnsenergie von Jamie Anderson liegt, die eigentlich für drei Frontmänner reichen würde.

Fazit: Ich bin überrascht, dass Sister offenbar immer noch ein Geheimtipp sind. Das ist zwar auch irgendwie schön, aber eigentlich hätte die Band weit mehr Aufmerksamkeit verdient. Schließlich hat niemand Geringeres als Alan Averill von Primordial, besser bekannt als Nemtheanga, Sister zu ihrem Plattenvertrag verholfen. An der Show von Sister gibt es nichts auszusetzen, ihre Livequalitäten sind unbestritten. Aber weil ich die Vorband irgendwie anstrengend fand, bewerte ich den Abend insgesamt mit

Homepage: sisterofficial.com
facebook.com/sisterband
facebook.com/noisepollutionofficial/

Setlist Sister:
Destination Dust
Carved in Stone
Spit on me
Disguised Vultures
Werewolves on Blackstreet
Carry on
My Enemy
The unlucky Minority
Would you love a Creature
Unbeliever
Sick
Bullshit and Backstabbing

Arise
Too bad for you

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1 Kommentar

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  1. […] ist mit Sister noch lange nicht Schluss. Das hat nicht zuletzt auch das Konzert vom 01.12.2016 (Link zur Review) im Backstage […]

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