Grab Europe by the pussy!
Untergrund-Metal wird im Untergrund gespielt, und so müssen wir tatsächlich eine steile Kellertreppe hinabsteigen, um ins 8Below zu gelangen. Am Einlass werden alle gefragt, wegen welcher Band sie gekommen sind. Wolves Den machen das Rennen um die Publikumsgunst und werden daher heute als Headliner auftreten. Das 8Below füllt sich rasch, bis es etwa halb voll ist, und dann geht es um 21 Uhr auch schon los.
Die erste Band des Abends, Saeculum Obscurum, hat leider mit Soundproblemen zu kämpfen, denn die für Black Metal wichtige Double Bass Drum geht völlig unter, und das Schlagzeug ist allgemein schwach abgemischt. So fehlt irgendwie der nötige Druck im Hintergrund. Die Bühne wird ausschließlich durch Schwarzlicht spärlich beleuchtet, was Teil des optischen Konzepts ist. Die Musiker haben ihre Gesichter mit Leuchtfarbe bemalt, und vor allem der Sänger wirkt wie ein Dämon, was gut zu seinen extremen Vocals passt. Dazu trägt er ein leuchtend weißes Gewand unter einem Priestertalar. Insgesamt ist das Bild stimmig, wirkt aber trotzdem ein bisschen wie von Papa Emeritus von Ghost geklaut. Vierzig Minuten lang präsentieren Saeculum Obscurum dem Publikum ihre schleppende, eindringliche, ultrafinstere und trotzdem progressive Version von Black Metal, für die es auch Applaus gibt, doch das Publikum hält sich noch zurück.
torshammare: Ich habe die Münchner Saeculum Obscurum vor einigen Jahren zusammen mit Valkyrja und einigen anderen Bands gesehen und war da schon begeistert von ihrer ganz eigenen musikalischen Vision und dem besonderen Bühnenauftritt. Heute finde ich leider den Sound auch zu schwach, was der Musik etwas von ihrer Faszination und Bedrohlichkeit nimmt. Ein Großteil des Publikums scheint entweder etwas überfordert oder nicht richtig mitgerissen zu sein, die Reaktionen sind etwas verhalten, aber insgesamt wohlwollend. Mir hat’s trotzdem wieder gut gefallen. Wer auf komplexen, eigenständigen Black Metal steht, sollte hier ein Ohr riskieren.
Die Umbaupause läuft etwas verwirrend ab, weil noch ein kurzer Soundcheck abgehalten wird, nachdem gefühlsmäßig schon das Intro gelaufen ist. Natürlich ist es irgendwie konsequent, wenn man zu Black Metal das Licht ausmacht, aber bei der folgenden Band Welicoruss aus Russland ist das schade. Zu ihrem angeschwärzten Pagan-Metal-Sound tragen sie passende Lederkostüme und sind entsprechend mit Tierfellen behängt. Aber mangels Licht kann man die Bandmitglieder kaum erkennen und irgendwelche Einzelheiten schon gar nicht. Erst beim vorletzten Lied findet jemand den Lichtschalter für das Bühnenlicht. Aber davon abgesehen ist auch hier der Sound leider nicht optimal und das Schlagzeug schwach auf der Brust. Auch dass der Gesang russischsprachig ist, kann man kaum erkennen. Er geht im Gesamtsound einfach unter, was ärgerlich ist, bildet er doch das wichtigste Wiedererkennungsmerkmal von Welicoruss. Nichtsdestotrotz haben sich vor der Bühne einige beinharte Fans eingefunden und machen die Anheizanimationen begeistert mit, sodass diese nicht peinlich im Nichts verpuffen. Außerdem fliegen hier die ersten Haare. Trotzdem hätte eine ordentliche Lightshow dazugehört, die die Theatralik der Band während des einstündigen Auftritts in Szene gesetzt hätte.
In der zweiten Umpaupause gibt es plötzlich einen unglaublich lauten Knall von der Bass Drum, der scheinbar einen Propfen gelöst hat. Jedenfalls ist bei Wolves Den das Schlagzeug voll da und sorgt für den nötigen Druck und die Härte im Sound. Auch die anderen Instrumente sind jetzt klarer abgemischt, das ganze Zusammenspiel ist einfach besser abgestimmt. Eine aufwendige Kostümierung brauchen Wolves Den nicht. Schwarze Schnürlederhose, schlichtes schwarzes Shirt und Nietengürtel reichen völlig aus, denn die Qualität der Musik spricht für sich. Diese entfaltet sich live viel besser als von der Konserve, denn es ist mehr Groove im Spiel, dessen Grundlage ein Doom-ähnlicher Rhythmus ist, bei dem man den Kopf nicht stillhalten kann. Wolves Den bestehen aus vier Musikern mit langjähriger Erfahrung im Extrem-Metal-Bereich (Sänger Helge zum Beispiel war schon bei Reign of Decay und Equilibrium, Gitarrist Stefan bei Odem Arcarum, Somber Serenity und Lunar Aurora). Der Vierer wirkt völlig entspannt und zockt die Songs – hauptsächlich vom Debütalbum Deus Vult – mit größtmöglicher Lässigkeit und mächtig viel Können herunter. Bei Nackenbrechern wie „Gedeih und Verderb“, „Dysterborn“, dem amtlichen „Deus Vult“ oder „Vobiscum“ kommt richtig Laune auf. Zwischendurch wird es Helge allerdings buchstäblich zu bunt, nachdem man die ersten zwei Bands quasi nicht auf der Bühne sah, erstrahlen jetzt nämlich gleich diverse verschiedenfarbige Scheinwerfer. Folgerichtig bittet er daher: „Könnten wir vielleicht weniger von diesem Zirkuslicht haben?“ Können wir, und nun wird auch das richtige Mittelmaß für die Beleuchtung gefunden.
Um kurz vor zwölf ist dieser souveräne und nackenstrapazierende Auftritt dann vorbei, der Auftakt zur „Grab Europe by the pussy“-Tour geschafft. An wen der Tourtitel gerichtet ist, wird nicht näher erläutert, auf jeden Fall sorgt er für viel Gelächter.
Helges abschließendem Kommentar vor dem letzten Song „Jetzt gibt’s noch was aufs Maul, dann trink ma noch ein Bier, und dann fahr ma hoam“ wird brav Folge geleistet, so nach und nach zerstreut sich die Menge, aber nicht, ohne noch ausführlich geratscht und am Merchstand eingekauft zu haben.
Bis auf die anfänglichen Soundprobleme und Missverständnisse bei der Beleuchtung war’s ein spannender extremmetallischer Abend mit drei abwechslungsreichen Bands. Schön, dass Saeculum Obscurum noch recht kurzfristig dazugestoßen sind, Welicoruss und Wolves Den wünschen wir eine erfolgreiche Tour!
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