Heute haben wir ein richtiges Schmankerl für euch, einen Konzertbericht aus Norwegen! Unsere Korrespondentin Ankalætha war für euch bei einem ganz besonderen Enslaved-Konzert in Stavanger, eigentlich sogar bei zwei, aber lest selbst:

Und schon wieder ein Vierteljahrhundert …

Man könnte glatt auf die Idee kommen, dass die erweiterte schwarze Szene langsam alt wird – Silberjubiläen, wohin man nur schaut. Erst Amorphis (erstes Demo), dann feiert das WGT, und jetzt bin ich schon zum zweiten Mal diesen Herbst auf dem Weg zu einem „Wir feiern 25 Jahre Bandgeschichte“-Konzert. Diesmal sind es Enslaved, die aus diesem Anlass zu einem recht speziellen Event geladen haben. Beginnen soll der Abend in Sandnes, in einem wirklich winzigen Club namens „Tribute“. Danach wird ein Teil der Fans die Gelegenheit haben, mit Sänger Grutle Kjellson und Gitarrist Ivar Bjørnson zusammen per Reisebus die knapp zwanzig Kilometer nach Stavanger zu fahren, wo der zweite Teil des Konzerts im deutlich größeren „Folken“ stattfindet. Auch thematisch ist der Abend geteilt – im Tribute stehen Songs aus der Anfangszeit der Band auf dem Programm, während im Folken dann die neueren Alben zum Zuge kommen. Für diese rechnet man also mit deutlich mehr Fans als für die Klassiker der ersten fünf Alben – nun gut, die Tatsache, dass Enslaved gerade in den letzten 15 Jahren Nominierungen und Musikpreise angesammelt haben wie andere Leute Tierschädel, kommt sicher nicht von ungefähr.

Uburen-tribute1Kurzfristig wurde noch eine Vorband angekündigt, die Lokalmatadoren Uburen sollen direkt nach Beginn des Einlasses um 20 Uhr das Konzert in Sandnes eröffnen. Theoretisch. In der Praxis schlägt dann aber doch die typisch norwegische Lässigkeit durch: fünf nach acht ist die Tür zwar offen, der Einlass aber noch nicht vorhanden. Die circa zehn schon anwesenden Überpünktlichen bleiben höflich draußen stehen und rauchen halt noch eine. Erst als ein ungeduldiger Lokalreporter durch die Glasfront drinnen Herrn Kjellson sitzen sieht und kurzerhand den Laden stürmt, taucht dann auch mal die Abendkasse auf, mehr als das Ticket wird am Einlass eh nicht kontrolliert (und auch das eher sporadisch …), und mit etwas Glück und Bargeld – der in Skandinavien obligatorische Kartenleser war noch offline – ergattere ich sogar noch was zu trinken, bevor Uburen mit dem Soundcheck fertig sind und relativ übergangslos das Konzert eröffnen.
Besonders leicht kann es ja nicht sein, das Publikum anzuheizen für eine Band, bei deren Gründung man vermutlich gerade mal auf der Welt war. Uburen erstarren aber glücklicherweise keineswegs in Ehrfurcht und machen ihre Sache ziemlich gut. Ich habe die Jungs vor ein paar Jahren schon mal live gesehen, damals stand die durchaus bereits beachtliche musikalische Leistung noch in so lustigem Gegensatz zum schülerhaft-schüchternen Gebaren zwischen den Songs, dass der Auftritt nicht nur mir gerade dafür im Gedächtnis geblieben ist. Inzwischen allerdings, etliche Liveauftritte später (zuletzt stand zum Beispiel eine Tour durch Russland auf dem Programm), sind die Brüder Ask und Bior Kjetilson samt Drummer Thord Olavson in Sachen Bühnenpräsenz kaum wiederzuerkennen und schleudern ihren rauhen Black Metal mit einem Druck in den sich zunehmend füllenden Club, dass es eine wahre Freude ist. Die melodischen Einschläge halten sich in engen Grenzen, das „Viking“, das die Band selbst ihrer Genrebezeichnung zufügt, bezieht sich eindeutig eher auf inhaltliche Aspekte als auf das, was man in Deutschland gemeinhin so unter „Viking Metal“ versteht. Wer also norwegischen Black Metal mit einer gewissen Nähe zu rohem Death mag, darf hier gerne mal ein Ohr riskieren. Bei den Fans der Anfänge von Enslaved können die drei Jungs auch kräftig punkten und ernten gerade gegen Ende des Sets deutlich mehr als nur höflichen Applaus.

Enslaved-Tribute1Nach einer erstaunlich kurzen Umbaupause betreten dann Enslaved die für eine Band dieser Größenordnung eindeutig viel zu kleine Bühne – nicht nur für die Zuschauer wird es langsam wirklich eng, auch die Musiker treten sich mehr oder weniger gegenseitig auf die Füße. Der Stimmung tut das weder hier noch da Abbruch. Auf der Setlist fürs Tribute stehen wie gesagt ausschließlich Songs von den Frühwerken der Band, und im Publikum macht sich ein für Metal-Konzerte gerade in Norwegen eher ungewohntes Gefühl der Kameraderie breit. Im Allgemeinen mag ja Black Metal hier schon fast als eine Art von Volksmusik gelten, aber wenn treue alte Fans unter sich sind, wird es dann doch ein Familienfest. Enslaved zeigen keinerlei Berührungsängste den Fans gegenüber, und schon bei den ersten Ansagen beginnt Grutle die eine oder andere Erinnerung mit dem Publikum zu teilen. Unter anderem ihre nicht unbedingt positiven Erfahrungen mit der Gegend um Stavanger – in Sandnes hätten sie das letzte Mal gespielt, als das Tribute noch schlicht als „die Kneipe“ bekannt war, und im Folken sei er das einzige Mal in der gesamten Bandgeschichte ausgebuht und mit Bier beworfen worden. Glücklicherweise scheint dies kein Trauma hinterlassen zu haben, und einen derartigen Mangel an Enthusiasmus kann man dem heutigen Publikum nun auch wirklich nicht vorwerfen. Mit „Blodhemn“ und „Jotunblod“ beenden Enslaved die musikalische Reise durch ihre Anfangszeit und leiten zum Abschluss mit „Ormgard“ vom Mardraum-Album schon mal zum zweiten Teil des Konzerts über.

Aber zunächst steht ja noch die gemeinsame Busfahrt an. Obwohl die entsprechenden Tickets sehr schnell nach Bekanntgabe ausverkauft waren, wird der Bus erstaunlicherweise nicht ganz voll – schade. Grutle und Ivar lassen sich davon aber kein bisschen aus dem Konzept bringen und legen nach einem fröhlichen: „Schönen guten Abend allerseits! Willkommen auf unserer Reise nach Tallinn!“ offensichtlich relativ unvorbereitet los, geben ein, zwei Tour-Anekdoten zum Besten, fragen die Fans, ob sie irgendetwas wissen oder hören wollen, und erzählen auch mal zehn Minuten lang blöde Witze, weil das eben so gewünscht wird. Nur die Frage nach dem besten Konzert der Bandgeschichte wollen sie nicht so recht beantworten – irgendeins in Japan vielleicht? Oder in Rumänien? Aber hoffentlich ja wohl eines, das noch kommt!
Der einzige Wermutstropfen der Fahrt ist leider auf den wohl starken Alkoholkonsum einiger weniger Anwesender zurückzuführen, die es deshalb nicht mehr fertigbringen, Grutles Aufforderung „Haltet die Klappe, jetzt red ich!“ auch nur andeutungsweise nachzukommen. Stattdessen machen sie es mit ihrem lautstarken, besoffenen Gelaber den Umsitzenden wirklich schwer, zu verstehen, was vorne gesagt wird. Sehr, sehr schade!
Trotzdem ist man eigentlich viel zu schnell in Stavanger. Finden wohl auch die Musiker und stehen zunächst mal noch eine ganze Weile mit einem kleineren Grüppchen aus dem Bus rauchend auf der Straße rum, obwohl sie laut Zeitplan eigentlich schon im Folken auf der Bühne stehen sollten. Was zunächst wie eine gewisse lässige Arroganz wirken kann, erklärt sich allerdings schnell, als etwa zehn Minuten nach dem Bus dann auch mal das Auto mit den Instrumenten ankommt. Spätestens jetzt ist klar, dass der Gig im Folken nicht um 23.00 Uhr, sondern mit deutlicher Verspätung beginnen wird.

Enslaved-Folken1Ich bewege mich trotzdem schon mal in Richtung Eingang, treffe Bekannte und flüchte irgendwann vor der ersten Frostnacht des Jahres nach drinnen ins Warme. Dort zeigt sich, dass offensichtlich kaum jemand mit einem pünktlichen Beginn gerechnet hat – das Café ist voll, die Halle jedoch, im Stockwerk drüber unter dem Dach, noch ziemlich leer. Das ändert sich im Endeffekt auch erst, als die Roadies mit dem Linecheck beginnen, dann füllt es sich aber doch recht zügig. So eng wie im Tribute wird es zwar bei weitem nicht, aber das hätten die Feuerschutzbestimmungen in dem alten Holzbau vermutlich auch nicht zugelassen. Schließlich kommt die Band auf die Bühne, gibt – wie immer und egal vor wie vielen Leuten – alles, vom ersten Song bis zur letzten, durch ein ausgiebiges Drumsolo eingeleiteten Zugabe. Das Publikum feiert angemessen. Trotzdem endet der Abend für mich hier etwas antiklimatisch. Zum einen liegen mir persönlich einfach die diversen Spielarten der neuen Alben nicht so sehr wie die alten Sachen, zum andern ist natürlich das Publikum deutlich gemischter und die Stimmung entsprechend weniger speziell. Alle haben aber Spaß, einige wenige flippen enthusiastisch aus, und manche liegen betrunken in der Ecke. Wie es halt so ist, bei einem ganz normalen Metalkonzert in Stavanger.

Alles in allem war der Abend jedoch ein echtes Erlebnis. Besonders das Konzert im Tribute platziert sich weit oben auf der Liste meiner „denkwürdigsten Erfahrungen” und hat mir in gewisser Hinsicht sogar eine bisher unbekannte Seite der lokalen Szene gezeigt. Schön! Deshalb auch die volle Mosherzahl.

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