Schneller, lauter, härter!

P1010448Der heutige Auftakt der diesjährigen Deutschlandtournee der Psychobilly-Legende Guana Batz bietet zugleich eine kleine Sensation, denn heute wird zeitgleich eine neue 4-Track EP namens Burning Up veröffentlicht, und damit die ersten Tonaufnahmen nach einundzwanzig Jahren. Zwar hatte Sänger Pip Hancox nach seinem Umzug nach San Diego ein Soloprojekt unter seinem Namen Hancox gestartet und das Album Vegas Lights veröffentlicht, aber Guana Batz als solches sind in der Zwischenzeit stets ohne neues Material getourt oder auf Festivals aufgetreten. Dem Interesse an der Band oder der Beliebtheit allgemein hat das allerdings nicht geschadet, wie man heute Abend erkennen wird.

P1010238Der Beginn ist ungewöhnlich früh für 19:30 Uhr angesetzt, schließlich müssen auch an einem Samstag nicht wenige Menschen arbeiten, und als wir nur fünf Minuten später abgehetzt ankommen, haben die Gravestompers ihr Set schon begonnen. Dabei sind viele noch gar nicht da, und ebenso viele stehen erst einmal vor der Halle, um noch eine rauchen zu können. Dementsprechend ist es vielleicht gerade mal zu einem Viertel voll, und so richtig gute Stimmung will zwangsläufig nicht aufkommen, zumal sich die meisten Anwesenden an der Bar drängeln. Davon lassen sich die Gravestompers aber nicht beirren, schließlich sind sie lange genug im Geschäft. Ihren Auftritt empfinde ich heute als abwechslungsreicher als der als Vorband von Demented Are Go letztes Jahr an gleicher Stelle (Link zum Bericht: schwarzesbayern.info/konzert-d…club-muenchen-27-02-2016/ ), weil das Tempo in ihren Songs mehr variiert. Dennoch ruft jemand zwischendrin: „Schneller, lauter, härter!“, was aber vom Bassisten cool kommentiert wird: „Und genau jetzt wird es erst mal ruhiger!“ Es folgt der bekannte Song „Bertha Lou“, zuerst eingespielt von Dorsey Burnette. Nach 35 Minuten ist das Set der Gravestompers vorbei, aber den vereinzelten Rufen nach einer Zugabe wird aus Zeitgründen nicht Folge geleistet.

P1010275Für die nun folgenden Pitmen um Sänger Christian Waleschkowski füllt sich die Halle in der Umbaupause deutlich. Ich bin gespannt auf deren Auftritt, da es die letzten fünfzehn Jahre live mit uns nie geklappt hat. Begleitet wird Christian von Grischa am Bass und Holger Grothe an der Gitarre, die beide auch bei Demented Are Go an Sparkys Seite die Saiten zupfen, sowie von Daniel Dolch am Schlagzeug. Ich bin überrascht, wie groß Christian ist, der alle anderen deutlich überragt und mich fast ein bisschen an die legendäre Frankenstein Darstellung von Boris Karloff erinnert. Mit „schneller, lauter, härter“ muss sich das Publikum aber auch jetzt noch etwas gedulden, da die Pitmen vom Sound her etwas gemäßigt auftreten und näher am Rock ’n‘ Roll als am Psychobilly dran sind. Sie eröffnen ihren Gig mit „Zombie rumble“, das Publikum ist aber noch etwas zombiemäßig langsam. Grischas Bass rumpelt anfangs etwas zu sehr, doch ganz der Profi justiert er während der Show den Tonabnehmer mit Hilfe eines Bekannten in der ersten Reihe nach, bis der ihm soundtechnisch das Okay gibt. Wahrscheinlich haben das die wenigsten überhaupt mitbekommen. Ein Bier später kommt nun doch Bewegung in die Menge, aber was passiert, wenn man einarmig mit Bierbecher in der Hand das Wrecken anfängt? Richtig, man macht sich gegenseitig nass, und das Bier ist alle. Merkt euch das, Jungs. Nichtsdestotrotz steigt die Stimmung stetig, und mit „Roddy Maccorley“ wird auch gleich einer meiner Favoriten gespielt. Schade ist nur, dass bei „You are not my friend“ die Sängerin Brigitte Handley der australischen The Dark Shadows nicht dabei ist wie bei der Show tags darauf in Berlin,P1010304 denn Christian trägt sogar ein T-Shirt der Band. Unbedingt reinhören, wenn ihr sie noch nicht kennt! „Just fakes“ ist ebenfalls eine flotte Nummer, bei der die Gitarre ein tolles Western-Flair erzeugt. Die Coverversion des The Animals-Klassikers „House of the rising sun“ finde ich sehr gelungen, der schnelle Psychobilly Groove passt super zum Song und macht richtig Spaß. Für „Christina Applegate“, das der Jugendliebe Kelly Bundy gewidmet ist, steigt Grischa sogar ohne Berührungsängste samt Bass von der Bühne und stellt sich publikumsnah mitten in den Wrecking Pit, der daraufhin erst mal eine Pause einlegt. Eine coole Aktion, die man nur selten so von Musikern erlebt, bevor mit „Fran Drescher“ das Set endet. Zum Glück gibt es aber noch zwei Zugaben, erst mit „Take a ride“ ist wirklich Schluß.

P1010401Spätestens jetzt sind alle da, es ist richtig voll in der Halle. Die Umbaupause währt nicht lange, dann betreten Stuart Osborne (Gitarre), Paul „Choppy“ Lambourne (Bass) und Jonny Bowler (Schlagzeug) zum Intro von „King Rat“ die Bühne. Schließlich erscheint auch Sänger Pip Hancox und trägt, sehr zum Vergnügen der anwesenden Damen, nichts außer Dickies und seinem volltätowierten Oberkörper, abgerundet durch eine Schiebermütze. Zwar ist der Waschbrettbauch wohl dank der amerikanischen Burger nicht mehr stahlhart, trotzdem ist Hancox mit seiner Ausstrahlung und Energie nach wie vor eine Ausnahmeerscheinung. Das Set startet mit „You’re my baby“ und Hancox wirbelt wie ein Derwisch über die Bühne. Spätestens nach dem zweiten Song „Can’t take the pressure“ ist er völlig schweißüberströmt, da kann man das Hemd auch weglassen und sich die Wäsche sparen. Mittlerweile ist auch der Wrecking Pit in voller Aktion, und viele Psychos machen es ihm nach und ziehen die Shirts aus. Schneller, lauter und härter eben wie im „Jungle rumble“. Das Bruce Springsteen Cover „I’m on fire“ ist gelungen und wird von vielen mitgesungen, ebenso wie „Wondrous place“, das besonders die Damen erfreut. „Texas eyes“ ist noch einmal ein Highlight, bevor nach „Love generator“ und „Loan shark“ das offizielle Set endet, aber natürlich kommen Guana Batz noch einmal für einen langen Zugabenblock zurück. Mit „Martian princess“ wird der erste neue Song präsentiert, und dieser fügt sich nahtlos ein. „Radio sweetheart“ begeistert vor allem die mitsingenden Damen. NachP1010609 - Kopie „Streetwise“ wird mit „Burning up“ der zweite neue Song präsentiert und ebenso abgefeiert. Als Abschluss eines tollen Abends folgt der Kultsong, der auf keinem Konzert fehlen darf: „King Rat“. Die meisten Gesichter sehen mittlerweile erschöpft aus, nur Hancox strotzt immer noch vor Energie. Es ist nun viertel vor elf und damit ungewöhnlich früh, was schade ist, denn da hätte der Beginn auch später sein können.

Fazit: Es war ein toller Psychobilly Abend mit mitreißenden Bands, wo jeder auf seine Kosten gekommen ist. Die Pitmen endlich einmal live zu erleben, war toll. Guana Batz sind einfach eine Klasse für sich und ziehen völlig zu Recht auch nach 34 Bandjahren noch immer ein großes Publikum an. Außerdem konnte man viel jungen Nachwuchs beobachten, nachdem das in den letzten Jahren gefühlsmäßig in der Psychobilly Szene etwas rückläufig war. In München geht noch was, in diesem Sinne: Schneller, lauter, härter!

:mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch:

Tracklist Pitmen:
Zombie rumble
The Yeti song
Roddy Maccorley
Firedamp
Through with you
15 dead
You are not my friend
Misfits
Grab life by the balls
Just Fakes
Hot Rod Hotel
Schlucker Billy
House of the rising sun
Christina Applegate
Fran Drescher

I don’t need no one
Take a ride

Tracklist Guana Batz:
King Rat Intro
You’re my baby
Can’t take the pressure
Electra glide in blue
Lady bacon
Take a rocket
Jungle Rumble
Bring my Cadillac back
You can run
I’m on fire
Dynamite
Wondrous place
Katherine
Texas eyes
No matter how
Love generator
Loan shark

Martian princess (new song)
Radio sweetheart
Streetwise
Burning up (new song)
King Rat

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