Griechenland + Ägypten – Kolumbien/USA = ein Abend voller Überraschungen

Die stade Zeit ist vorüber (laut Karl Valentin wird es dann ja auch endlich wieder ruhiger), das Konzertangebot über die Feiertage war etwas weniger oder man war mit anderen Dingen beschäftigt, und im besten Fall ist man jetzt zu neuen Schandtaten bereit. Was bietet sich da besser an als das Abrisskommando aus drei Bands im Wohnzimmer Backstage? Septicflesh aus Griechenland sind alte Hasen im Geschäft, Inquisition aus Kolumbien/USA ebenfalls, und wer sich hinter Odious verbirgt, werden wir bald zu hören und zu sehen bekommen. Grundsätzlich wird es Black Metal auf die Ohren geben, mal symphonischer, mal roher, und das ist ja nie verkehrt. Pilgern wir also ins Backstage, um mit den Bands zusammen ihren Tourauftakt zu feiern.

_DSC6038Das haben sich auch diverse andere Metaller gedacht, die Halle ist schon vor der ersten Band erstaunlich gefüllt, was ein durchaus stimmungsvoller Abend zu werden verspricht. Oder drängen alle rein wegen des ungemütlichen Wetters draußen? Wie auch immer, alle sind da, alle sind gespannt auf Odious, die den wenigsten ein Begriff sein dürften. Es gibt die Band zwar schon seit 1998, bisher hat sie es allerdings erst auf zwei Demos und zwei Alben gebracht (Mirror of vibrations, 2007, und Skin age, 2015). Ägypten ist nun aber auch nicht gerade das metal-freundlichste Land der Welt, um es mal vorsichtig auszudrücken, da ist es schon eine Leistung, die Band überhaupt am Leben zu erhalten. Die vier Jungs wirken sehr sympathisch, als sie auf die Bühne kommen, wenn auch noch etwas unsicher und steif. Der Sound ist bei „Crown of centuries“ auch noch alles andere als krönend, eher verwaschen, matschig und kaum vorhanden. Sehr schade, so gehen die eindrucksvollen orientalischen Soundpassagen ziemlich unter, und außer dem Bass hört man eigentlich gar nichts. Bei „Picture of dead art“ wird es langsam besser, doch richtig druckvoll wird es erst im Lauf des Gigs. Kein Wunder, dass die Band auch erst nach und nach auftaut und etwas lockerer wird. Auch das Publikum muss sich erst mal auf den Sound von Odious einlassen, der hochkomplex, voller Breaks und Feinheiten ist. Also eigentlich völlig großartig, zumal die Stimme von Basem Fakhry sehr angenehm growlt und sich harmonisch in das Gesamtbild integriert. Als unbekannter Act zum Aufwärmen ist’s allerdings schon eine Herausforderung, die aber ab dem vierten („Crystal clear“), fünften („AlZar“) Lied erfreulich viele Banger im Raum annehmen. Auch die ersten Smartphones gehen hoch, ein untrügliches Zeichen für den Beliebtheitsgrad einer Band. Odious lassen sich nicht lumpen und hauen uns noch zwei fantastische Songs um die Ohren, die auch ein wenig mehr nach vorne gehen und die Stimmung noch mal zusätzlich anheizen.
Wer auf komplexen, wuchtigen und symphonischen Metal steht und dann auch noch eine Ader für orientalische Melodien hat, muss Odious unbedingt antesten. Die Band hat mit ihrem Auftritt diverse neue Fans gewonnen, schade, dass es keinerlei Merch gab.

So langsam macht sich dann Aufregung breit im Publikum, man merkt, wie viele wegen Inquisition gekommen sind (auch ich freue mich sehr auf das satanische Duo). Leider werden wir enttäuscht, nachdem die Lufthansa Inquisitions Equipment auf dem Flug von Amsterdam nach München verschludert hat. Man hatte zwar versprochen, es rechtzeitig nachzuliefern, was allerdings nicht geklappt hat. Inquisition und das Backstage haben sich schweren Herzens entschieden, den Auftritt zu canceln, man will aber versuchen, ihn auf dem Free & Easy nachzuholen. Außerdem gäbe es jetzt dann billige Shots an der Bar, so als Trostpflaster. Für die Fans, die von weither angereist sind, sicher kein Trost. Aber was will man machen – so einfach, wie viele es sich vorstellen, ist es sicher nicht, einen guten Gig mit zusammengeliehenem Equipment zu absolvieren, da habe ich volles Verständnis für die Band, die ihren gewohnten Standard halten will.

_DSC6165Dementsprechend früh müssen Septicflesh dann auf die Bühne, was die alten Hasen locker stemmen, aber man merkt, dass es eigentlich anders geplant war, als die Setlist erst nach dem dritten Song hektisch unterm Mikroständer platziert wird (die auch verdächtig frisch gedruckt aussieht). Die seit 1990 existierende Band um Sänger Spiros Antoniou lässt sich aber zu keinem Zeitpunkt etwas anmerken, sondern entzündet vom ersten Song „Dante’s Inferno“ (vom aktuellen Album Codex Omega) an ein wahres Selbiges auf der Bühne. Nebel, Strobo und Scheinwerfer en masse inklusive. Hinschauen kann man also nicht, aber dank des Nebels sieht man sowieso nichts. Man kann sich also voll und ganz auf die Songs und die spielerische Leistung der Griechen konzentrieren, die wirklich beeindruckend ist. Brachiale Präzision à la Behemoth, symphonische Welten à la Cradle of Filth, aber alles mit definitiv eigener Note. Die Setlist setzt sich zu großen Teilen aus Titeln von Codex Omega zusammen, doch auch Brecher wie „Vampires from Nazareth“, „Prototype“ oder „Communion“ fehlen nicht. Die Band liefert eine souveräne Leistung ab, die Haare in den ersten Reihen fliegen zu Songs wie „Martyr“, „Enemy of truth“ oder „3rd testament“, und die Begeisterung im Publikum zieht sich bis in die letzten Reihen. Sänger Spiros ist ebenfalls ganz hingerissen und bezeichnet uns immer wieder liebevoll als „meine Freunde“ (das griechisch gerollte R bitte dazudenken).
Symphonik und geschredderte Gitarrensaiten gehen hier eine sehr hörenswerte Symbiose ein, auf diese ganz bestimmte griechische Art, die man sofort heraushört. Kollegin Nekrist meint dazu: „Die Griechen haben da wie die Skandinavier einen ganz eigenen Klang gefunden; die haben so etwas Schweres, Düsteres, Feuchtes an sich, im Kontrast zur nordischen Kälte wird man hier eher in dunklen, feuchten, stickigen Gängen langsam erstickt.“ Wo sie recht hat, hat sie recht.
Später gibt es noch den Gassenhauer „Anubis“, bei dem die Halle sofort steilgeht, ein netter Verweis auf die Vorband, und mit „Dark art“ verabschiedet man uns – ungewohnt früh – in den windigen Abend.

Sehr schade, dass Inquisition nicht dabei waren, die den symphonischen Bombast mit ihrem reduzierten, knarrigen Black Metal etwas geerdet hätten. Aber mit Odious war ein hammerguter Opening Act dabei, den man sich merken muss, und bei Septicflesh kann man nichts falsch machen.

:mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch2:

Setlist Septicflesh:
1. Dante’s Inferno
2. Vampires from Nazareth
3. Martyr
4. Prototype
5. Pyramid god
6. Enemy of truth
7. 3rd testament
8. Communion
9. Portrait of the headless man
10. Anubis
11. Dark art

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