Sex, Drugs and Volksmusik

So heißt es jedenfalls auf dem T-Shirt vom Bassisten und Sänger der Drei-Mann-Band Reisegruppe Hässlich, die heute um 21:00 Uhr den Abend eröffnet. Wir haben aber Glück und werden IMG_6965zumindest von Volksmusik verschont, denn die drei spielen Punkrock. Leider ist es im Club noch recht leer, dabei haben sicher viele morgen als Brückentag zum heutigen Vatertag frei. Vielleicht hält das schöne Wetter die Leute ab, vielleicht sind aber auch einige auf der Vaterschaftstour versumpft.

Reisegruppe Hässlich geben sich alle Mühe, sind aber als Vorband von The Peacocks denkbar schlecht aufgehoben, denn vom Sound her passen sie einfach nicht zum Psychobilly der Schweizer Band. Dementsprechend verhalten sind auch die Reaktionen des Publikums, das damit zum Großteil wohl nicht gerechnet hat, und nicht nur ich frage mich, wer die beiden Bands zusammen gebucht hat. Dennoch lassen sie sich den Spaß nicht nehmen, sehen die Sache mit Humor, und so wird der Gig durch einige lustige Zwischenansagen aufgelockert. Als der Sänger, der bis dahin nur Cola getrunken hat, verzweifelt sein Bier sucht, bekommt er netterweise eins aus dem Publikum gereicht. Der Gast bekommt sein Bier allerdings nicht zurück, sondern nur ein „Tschuldigung“, da der Sänger das noch halbvolle Bier auf Ex austrinkt. Tja, das ist eben Punk!

Im Meer der unzähligen Punkrock-Bands ist es sicherlich schwer, sich durchzusetzen und einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Der deutsche Gesang ist schon mal ein Plus, auch dass der Drummer einzelne Gesangsparts übernimmt, was eher ungewöhnlich ist. Richtig aufhorchen lässt mich ein Song kurz vor Schluss, bei dem der Gesang auch mit Hardcore-Brülleinlagen durchsetzt ist. Letztendlich ernten Reisegruppe Hässlich mit ihrer Beharrlichkeit einigen Beifall und verkaufen schließlich auch einige CDs vom Bühnenrand, obwohl die Zugabe ausfällt. Außerdem höre ich im Publikum die anerkennende Aussage: „Die haben wenigstens länger gespielt als die Meteors.“ (Link zum Bericht)

IMG_6991Nach einer zwanzigminütigen Umbaupause betreten um 22:00 Uhr Jürg Luder (Schlagzeug), Simon Langhart (Kontrabass) und sein Bruder Hasu Langhart (Gitarre und Gesang) den Club, der jetzt vielleicht halb gefüllt ist. Schade für The Peacocks, denn bei deren letzten Auftritt war es hier so voll, dass auch der obere Rang geöffnet wurde. Die drei lassen sich davon aber nicht beirren, sondern spielen einen tollen und energiereichen Gig. Vom Sound her sind sie etwas gemäßigt und nicht so hart und schnell wie manch andere Psychobilly-Bands, weil manche Songs eher dem Rockabilly nahestehen und sie auch Einflüsse aus dem Punkrock-Bereich verarbeiten. Das sorgt zum einen für reichlich Abwechslung im Sound, zum anderen macht sie das auch bei der Damenwelt umso beliebter, und dementsprechend ist heute viel mehr weibliches Publikum anwesend als sonst, das die Songs auch oft mitsingt. Auch die Reisegruppe Hässlich lässt es sich nicht nehmen, The Peacocks aus der Menge heraus abzufeiern. Nach den ersten zwei Songs werden wir begrüßt: „Hallo, wir sind The Peacocks!“ Bis auf ein gelegentliches „Dankeschön“ hält Sänger Hasu sich mit Ansagen zurück. Das ist vielleicht auch ganz gut so, denn bei der einzigen Ausnahme verstehe ich leider überhaupt nichts, Schwyzerdütsch sei Dank.

Mittendrin bietet ein Fan Simon sein Bier an, aber der ist so in Spiellaune, dass er nur grinsend ablehnt und weiter seinen Kontrabass bearbeitet. Quasi pünktlich zum Ende des Konzerts nach einer Stunde reißt Hasu die Gitarrensaite. Jürg und Simon verlassen die Bühne, während er sich daranmacht, eine neue Saite aufzuziehen. Damit ist praktischerweise auch direkt klar, dass es noch eine Zugabe geben wird. Als er fertig ist, fängt er einfach wieder solo an zu spielen, obwohl die anderen noch im Backstagebereich sitzen. Nur mit der Gitarre begleitet, kommt seine Stimme noch einmal richtig gut zur Geltung. Von der Musik angelockt, schauen seine Mitstreiter erst verdutzt, steigen dann aber einfach in den laufenden Song mit ein. Ein ganz besonderer Moment, den der Zufall geschaffen hat. Nun drehen sie vom Spieltempo noch einmal ordentlich auf, sodass sich doch noch zwei Psychos zu einer Wrecking-Einlage hinreißen lassen. Insgesamt spielen sie vier Zugaben, bevor sie sich endgültig vom Publikum verabschieden. Ein toller Auftritt von einer Band, die sich blind versteht und ohne Bühnensetlist auskommt, der Lust auf mehr macht.

Eine Vatertags-Leiche hat es dann doch noch auf das Konzert geschafft, bleibt aber glücklicherweise eine Ausnahme und kann den schönen Gesamteindruck nicht schmälern.

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