Die Legende lebt

Nachdem ja seit einigen Monaten beinahe täglich wichtige Musiker, Schauspieler und Autoren sterben, also der Welt so unglaublich viel an kulturschaffenden, interessanten und wichtigen Menschen verloren geht, ist es keine Frage, dass ich mir die 1971 (!) gegründeten Pentagram und Bandchef Bobby Liebling unbedingt noch einmal ansehen muss. Schließlich hat der gute Bobby eine jahrzehntelange Vorliebe für Drogen hinter sich und wirkt schon seit langer Zeit zwanzig Jahre älter, als er in Wirklichkeit ist. Zwar war er im Herbst 2013, als ich Pentagram zum letzten Mal sah, noch quicklebendig, aber man weiß ja nie. Also rasch die Kameratasche gepackt und ab ins Backstage, wo sich bei meiner Ankunft bereits einige Retrojünger versammelt haben.
DSC_4944Als Opener sind die Amerikaner von Mondo Drag mit dabei, eine junge Band aus Kalifornien, die gerade ihr drittes Album Occultation of Light veröffentlicht hat. Schon beim ersten (um eine halbe Stunde verspäteten) Ton fühlt man sich tief in die Siebzigerjahre zurückversetzt; Aussehen der Musiker, Sound, Atmosphäre, alles so original wie möglich, ich bin begeistert. Die Musik ist psychedelisch, aber mit knackigen Riffs, viel Synthesizern und Effektgeräten, die von Sänger John Gamino und Gitarrist Nolan Girard bedient werden, und weitgehend instrumental. Beste Voraussetzungen also, um richtig tief einzutauchen in die Soundwelten und alles um sich herum zu vergessen. Die Songs stammen hauptsächlich vom aktuellen Album sowie dem Vorgänger Mondo Drag, beides rundum empfehlenswerte Scheiben. Hier und da meint man, ein wenig die Keyboards der Doors herauszuhören, John Gaminos Stimme klingt manchmal ein wenig nach Jethro Tull, und wenn man die Augen schließt, ist man auf einmal ganz woanders. Ernsthaft und konzentriert geht die Band zu Werke und freut sich sichtlich über die weitgehend positiven Reaktionen. Ich bin richtig geflasht von Mondo Drag und muss sofort zum Merchandise-Stand, nachdem der etwa fünfundvierzigminütige Auftritt der Band beendet ist.

DSC_5053Nach einer recht kurzen Umbaupause, in der es vor der Bühne schon verdammt eng wird, kommen nacheinander Greg Turley am Bass, Pete Campbell an den Drums und Victor Griffin an der Gitarre auf die Bühne, schließlich gefolgt von Bobby Liebling, der noch schnell hinter dem Mischpult eine Zigarette rauchen musste. Alt sieht er aus, noch dürrer als vor zweieinhalb Jahren, besorgniserregend klapprig – doch als er den ersten Song „Death Row“ vom Album Relentless anstimmt, ist das alles vergessen. Die Stimme ist immer noch kräftig wie eh und je, und seine Band zaubert einen unglaublich dichten Rhythmusteppich dazu. Die Nackenmuskeln zucken, die Kamera ruhigzuhalten ist auf einmal gar nicht mehr so einfach. „All your Sins“ und „Close the Casket“ – letzteres vom aktuellen Album Curious Volume aus dem Jahr 2015, rocken fantastisch nach vorne, ebenso wie „Sign of the Wolf“ and „Forever my Queen“ vom Album First Daze here. Noch ist das Publikum um mich herum relativ ruhig, auch wenn schon ordentlich die Haare fliegen, doch es kann nicht mehr lange dauern bis zu den legendären Moshpits bei einem Pentagram-Konzert, bei denen vor allem immer die blutjungen Konzertgänger richtig ausflippen, deren Großvater Bobby sein könnte. Nach einigen weiteren Titeln vom aktuellen Album („Dead bury Dead“ sowie dem Titeltrack) geht es dann auch tatsächlich los, bei „Dying World“ und den nachfolgenden Titeln „Devil’s Playground“ sowie „Relentless“ kocht die Halle, und ich verziehe mich an den Rand. Die großartige Stimmung im Raum überträgt sich auch auf die Bühne, Bobby schneidet Grimassen und flirtet mit den Damen in der ersten Reihe, dass es eine wahre Freude ist, und Greg Turley und Victor Griffin kommen aus dem Grinsen gar nicht mehr heraus. Als Zugabe – zu der Bobby von Greg Turley an den Füßen zurück auf die Bühne geschleift wird, warum auch immer – feuern Pentagram dann noch „Last Days here“, „Be forewarned“ und „20 Buck Spin“ auf die tobende Meute ab, bis schließlich um kurz vor elf Uhr abends alle erschöpft und verschwitzt nach draußen taumeln.

Fazit: Bobby ist eine Rampensau wie eh und je, hervorragend bei Stimme, aber so wie er aussieht, sollte man wirklich jede sich bietende Gelegenheit nutzen, Pentagram live zu sehen. Belohnt wird man mit einer großartigen Show und einer hochmotivierten Band.
Besonders gut gefallen haben mir aber Mondo Drag mit ihrer astreinen Zeitreise zurück in die Siebziger. Wer mit dieser Musik aufgewachsen ist, wird die Band lieben.

:mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch:

Setlist Pentagram:
Death Row
All your Sins
Close the Casket
Sign of the Wolf
Forever my Queen
Tempter
Screams
Dead bury Dead
Curious Volume
Dying World
Devil’s Playground
Relentless

Last Days here
Be forewarned
20 Buck Spin

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1 Kommentar
  1. Christoph
    Christoph sagte:

    Ja, das Konzert war wirklich verdammt gut. Und wer steht nach Konzertende bis zuletzt in Bestlaune und voll bei Kräften am Merch-Stand und will feiern? Der famose „Catweazle“ Bobby. Ganz, ganz stark dieser Typ! Allein ihn zu erleben, war das Geld wert. Ja gut, und natürlich der großartige Griffin. Und Mondo Drag fand ich ebenfalls ganz hervorragend (und sehr, sehr sympathisch).

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