Der Geist, den wir riefen

DSC_0098Auf der Sacred-Bones-Party von DJ Frankit spielen traditionell immer ganz besondere Perlen. Ich erinnere da an Frustration aus Frankreich, die Belgier Kiss the Anus of a Black Cat oder letztes Jahr die wunderbaren Pink Turns Blue. Doch die heute aufspielenden The Ghost of Lemora aus London dürften schon ein ganz besonderes Schmankerl sein, macht sich die Band live doch überaus rar und war in den letzten Jahren trotz zweier EPs (Hello Mr und Sweet Satan) nicht besonders aktiv. Auch mussten neue Mitglieder in die Band integriert werden. Das letzte Full-length-Album, Happy End of the World, stammt aus dem Jahr 2008. Dementsprechend gewagt ist es, mit einer Band, die mit „Dread the day“ eigentlich nur einen einzigen Underground-Hit vorzuweisen hat, ein Konzert zu veranstalten. Doch Risikobereitschaft muss belohnt werden, weshalb ich mich freudig an diesem Abend auf den Weg in die Kranhalle des Feierwerks mache.
Anfangs scheinen sich die Befürchtungen allerdings zu bewahrheiten, nur spärlich tröpfelt das Publikum herein, und der auf 22 Uhr angesetzte Konzertbeginn wird stillschweigend um fast eine Stunde verschoben. Dann ist die Kranhalle allerdings wirklich sehr ordentlich gefüllt, und es kann mit „Burn out“ von der EP Hello Mr losgehen. Zu Beginn fremdeln Band und Publikum noch ein wenig, alle sind ein wenig unsicher; die Band, die extra für diesen Gig nach München gereist ist, weiß offensichtlich nicht, wie bekannt sie hier wirklich ist, spielt also quasi ins Blaue hinein. Das Publikum kennt im Durchschnitt nur das bereits erwähnte „Dread the day“, das immerhin auf der Black Opera zum Standardrepertoire gehört. Man beäugt sich also zu Anfang ein wenig zurückhaltend, doch das Songmaterial, das sich aus allen bisherigen Veröffentlichungen zusammensetzt mit einem leichten Schwerpunkt auf den neueren Liedern, ist einfach zu überzeugend, um lange stillstehen zu können. „I dream of you“ frisst sich sofort in die Gehörgänge, ebenso wie „Just a ride“ vom Debütalbum Reach for the ground aus dem Jahr 2004. Mit „What fools these mortals be“ (mit Hinweis auf das neue Video!) und dem siebenminütigen, absolut großartigen Song „Sweet satan“ gibt es zwei sehr aktuelle Tracks zu hören, die eindrücklich zeigen, wie gut The Ghost of Lemora Glam, Rock sowie leichte Punk- und Batcave-Einschläge miteinander vermischen. Weiter geht die Reise durch das musikalische Schaffen der Band mit „Beauty can’t die“, ebenfalls von Reach for the ground, dem Titeltrack der vorletzten EP, „Hello Mr“ (mit eingestreuten deutschen Songfragmenten, „Dieses Leben ist fremd“, statt „this live is strange“), sowie dem hypnotisierenden, herrlich tanzbaren „Blacken my name“ vom Debüt Happy End of the World. Hier kann vor allem Keyboarder Peter Jennings zeigen, was er drauf hat.
Zwischendurch erzählt Sänger Richard noch, dass er vor vielen, vielen Jahren als junger Mann in Unterhaching gewohnt hat, und ob denn jemand aus Unterhaching anwesend sei? Und ob es die legendäre Eisdiele noch gäbe? Da er sich an deren Namen aber nicht mehr erinnern kann, wird diese Frage leider nicht beantwortet.
„Red wine cigarette“, „Ground beneath our feet“ und „Happy end of the world“ beenden den regulären Konzertteil, die Band erntet verdient großen Applaus und kommt praktischerweise auch gleich wieder zurück auf die Bühne, um noch eine Zugabe zu geben. Das Publikum ist jetzt auch richtig warmgetanzt und hat sich sichtlich in The Ghost of Lemora verliebt – was nur allzu verständlich ist! Die fünf Jungs sind supersympathisch, zocken extrem entspannt und professionell die Songs herunter, und nur der gelegentliche Blick auf die Setlist am Bühnenrand verrät, dass sie gar nicht so oft live auftreten.
Nach „The glamour“ kommt dann auch endlich der Song, bei dem alle aufatmen dürfen, denn sie kennen ihn. Sänger Richard meint daher auch trocken: „Now you realise who we are“, und kündigt den Hit „Dread the day“ an, bei dem dann wirklich jeder tanzt. Mit „Brides of the atom“ gibt es danach gleich noch einen Song der schon längst vergriffenen Debüt-EP The Silhouette Scene (außer man hat ab vierzig Euro aufwärts übrig, dann bekommt man noch Exemplare) als Abschluss dieses wirklich großartigen Konzertes.

Mit diesem Abend haben The Ghost of Lemora ganz sicher viele neue Fans gewonnen, wofür auch die kleine Menschentraube spricht, die Gitarrist Swifty dann am Merchandise-Stand T-Shirts und die aktuelle EP Sweet Satan aus den Händen reißt. Die Band hat dann ebenso wie alle noch Anwesenden viel Spaß auf der anschließenden Sacred-Bones-Party. Ein toller Abend geht irgendwann frühmorgens zu Ende.
Danke, lieber Frankit, fürs Organisieren und den wie immer guten Riecher bei der Bandauswahl – danke, Colin Ness, für die Setlist!

:mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch:

Setlist:
1. Burn out
2. I dream of you
3. Touched by your love
4. Just a ride
5. What fools these mortals be
6. Sweet satan
7. Beauty can’t die
8. Hello Mr
9. Blacken my name
10. Red wine cigarette
11. Ground beneath our feet
12. Happy end of the world

13. The glamour
14. Dread the day
15. Brides of the atom

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