Macht, was ihr wollt, aber habt Spaß dabei! – Zu Befehl, Herr S. Tyr!



Die Konzertreihe Musica Antiqua Viva im Spectaculum Mundi bietet jedes Jahr eine hervorragende Künstlerauswahl aus den Bereichen Mittalter und Folk und allem, was irgendwie dazugehört. Am heutigen Abend wartet jedoch ein besonders schönes Programm: Folk Noir, das Nebenprojekt von Faun-Chef Oliver S. Tyr, sowie Euzen, die dänische Band um die charismatische Sängerin Maria Franz und Keyboarder und Soundtüftler Christopher Juul. Bärchen und ich haben uns schon lange auf diesen Abend gefreut und werden – so viel sei schon mal vorab gesagt – nicht enttäuscht. 

Das Spectaculum Mundi hat genau die richtige Größe für Konzerte dieser Art, und als wir ankommen, ist der Raum auch schon ordentlich  gefüllt. Pünktlich um halb neun fangen Folk Noir an, die zwar erst eine EP mit fünf

Titel auf dem Markt haben (Songs from Home Nr.1), live aber bereits über ein vorzeigbares Repertoire verfügen. Ursprünglich als Duo gestartet (Oliver S. Tyr zusammen mit der holländischen Sängerin Kaat Gevers von der Band L.E.A.F.) sind Folk Noir mittlerweile zu viert (Stephan Groth, ebenfalls Faun, an den Keyboards und diversen anderen Instrumenten sowie Drummer Alex Schulz) und haben dadurch natürlich gleich mehr Möglichkeiten. Der Sound ist exzellent, die vielfältigen Instrumente, die zum Einsatz kommen (Bouzouki, Nyckelharpa, Drehleiher usw.), können ihre Wirkung voll entfalten. Folk Noir spielen eine Mischung aus Folk und Indie/Singer-Songwriter-Songs, die mir persönlich sehr gut gefällt. Ich wusste nicht allzu viel vor diesem Abend über die Band und hätte daher eher mit einem höheren Folk-Anteil gerechnet. Doch nein, Folk Noir covern zum Beispiel einen Song des englischen Sängers Fink – „Yesterday was hard on all of us“ – und lassen sich von der amerikanischen Singer/Songwriterin Mariee Sioux zu einem Song inspirieren („The Songs in Mariees Hands“, weil die Sängerin bei einem Konzert ihre Songreihenfolge auf die Handfläche notiert hatte). Einen leichten Americana-Einschlag gibt es bei „Dear Misery“, ebenso bei dem ruhigen Abschlussstück des Auftritts, „The Road.“ Wer sich jetzt fragt, wo denn der Folk sein soll – der ist natürlich auch dabei. Entweder in reiner Form wie einer schnellen schwedischen Polska oder in Form der verwendeten Instrumente. Drehleiher und Nyckelharpa passen erstaunlicherweise perfekt zu eher indie-lastigen Songs. 
Nach über einer Stunde geht ein richtig schöner Auftritt zu Ende, die Band bekommt den verdienten Beifall und ist trotz der Erfolge, die sie mit ihren jeweiligen anderen Projekten schon feiern konnten, gerührt über die Publikumsreaktionen. Mir persönlich gefallen Folk Noir deutlich besser als die aktuellen Faun-Sachen, und ich werde die Band weiter im Auge behalten. 

Nach kurzer Umbaupause, die ein Großteil des Publikums am Merchandise-Stand verbracht hat, betritt die dänisch-norwegische Band Euzen die Bühne, deren absoluter Mittelpunkt Sängerin Maria Franz ist – ein zartes Persönchen im schwarzen Elfenkleid mit hüftlangen roten Dreadlocks und ganz, ganz großer Stimme. Seit 2006 gibt es Euzen schon, ursprünglich ein Projekt von Maria Franz und Keyboarder und Soundchef Christopher Juul (der parallel mit seiner Band Valravn aktiv ist), das im Laufe der Jahre zu einer kompletten Band angewachsen ist – „our freaky little baby“, wie Maria so charmant sagt. Zwei Alben gibt es von EuzenEudaimonia und Sequel –, und das dritte ist gerade in Arbeit. Der Stil der Band ist eigentlich unbeschreibbar – man muss sie hören und vor allem sehen. Mit Folk und Mittelalter hat das Ganze irgendwie wenig zu tun, passt aber trotzdem zu diesen Musikrichtungen (wie Auftritte auf dem Castlefest, dem WGT oder dem Festival Mediaval in Selb beweisen). Euzen verwenden viel Elektronik, viele Loops, arbeiten mit verzerrtem Gesang, bauen Prog-Rock-Elemente in ihren Sound ein, großartige Drum-Arbeit und liebliche Pianosequenzen, können losrocken und einen überwältigenden Klangteppich ausrollen, aber sich auch in vertrackten Rhythmen verlieren. Kurz: keine einfache Musik, aber wenn sie einen gepackt hat, dann ist man ihr verfallen. 
Eröffnet wird das Konzert mit dem norwegischsprachigen Titel „Vilje“ vom zweiten Album Sequel, einem ruhigen Stück, das viel mit verzerrtem Gesang arbeitet und dadurch eine hypnotische Stimmung erzeugt. Es folgen drei Titel vom ersten Album Eudaimonia, „Mellow Flow“, „You’d be Newbie“ und „Dwelling“, alle etwas komplizierter im Aufbau, etwas schwerer zugänglich, wenn auch natürlich wunderschön. Hier sind die Publikumsreaktionen etwas verhaltener, die älteren Sachen scheinen unbekannter zu sein, überhaupt scheinen doch viele wegen Folk Noir anwesend zu sein, die natürlich im Raum München wegen der Verbindung zu Faun eine größere Basis haben.
Etwas eingängiger wird es dann wieder mit dem nächsten Song, „Surreal Medley“, entgegen des Titels gar nicht surreal mit seinem leicht prog-rockigen Klavierintro und den Ohrwurmmelodien. Mit „Coherence“ und „Run“ (mit an Dead can Dance und den fernen Orient erinnerndem Solo von Drummer Kristian Uhre auf einem E-Schlagzeug) bleibt es weiter verzaubert-melodisch, aber zu jeder Zeit hochspannend und vielschichtig. „Faltered Fractions“ fängt zart und mit leichtem Björk-Einschlag an, um sich dann zu einem wahren Soundmonster zu entwickeln, bei dem sich Bassist Thomas Welin und Gitarrist Harald Juul intensive Saitenduelle liefern und Maria Franz alle Register ihrer beeindruckenden Stimme zieht. Experimentell bleibt es bei „Glitch“, das ebenfalls vor allem von Marias Stimme lebt.
Mit „Mind“ präsentieren Euzen einen neuen Song, der das hohe Niveau der bisherigen Veröffentlichungen mühelos hält, gefolgt von den drei sicher bekanntesten Titeln der Band, bei denen das Publikum dann auch endlich angemessen ausflippt: „Judged by“, „The great Escape“ und als Zugabe „You’re on“. Nicht nur ich habe auf diese drei Lieder gewartet, vor allem auf das großartige und sich wirklich einzigartig aufbauende „The great Escape“. Man möchte zusammen mit der Musik einfach abheben und sich davontragen lassen, sich einhüllen lassen in diese Melodien und nie wieder daraus auftauchen. 

Doch irgendwann ist es natürlich soweit, das Konzert ist zu Ende, und wir müssen zurück in die Realität. Danke, Folk Noir, Euzen und dem Spectaculum Mundi für einen wundervollen Abend!

:mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch: 

Setlist Folk Noir:
1.Cold blows the Wind
2.Yesterday was hard on all of us
3.You should have seen me there
4.Schwedische Polska 
5.Dear Misery
6.Wind Tree
7.The Songs in Maries Hands
8.The sinking Year

9.Crossroads
10.The Road

Setlist Euzen:
1.Vilje
2.Mellow Flow 
3.You’d be Newbie 
4.Dwelling 
5.Surreal Medley
6.Coherence
7.Run
8.Faltered Fractions
9.Glitch
10.Mind (New Song)
11.Judged by
12.The great Escape

13.You’re on

Bilder: Bärchen

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