Groove, Groove und noch mehr Groove

 

Zweieinhalb Jahre ist die erste Auflage des Under the black Moon schon her – wie die Zeit vergeht! Damals war das Minifestival noch auf eine Halle und einige Bands beschränkt, auch wenn man schon mit Hochkarätern wie Pentagram aufwarten konnte. Bei der zweiten Auflage meint man es dafür dann richtig ernst und bietet ein auf drei Hallen verteiltes Ein-Tages-Festival, das sich gewaschen hat. Dieser Meinung bin nicht nur ich, sondern gefühlt alle anderen Besucher auch, als ich mich um kurz nach vier Uhr nachmittags in die phänomenale Einlassschlange einreihe und dezent verblüfft bin, dass um diese Uhrzeit schon so viel los ist. Noch verblüffter bin ich dann, als ich in der Backstage Halle die erste Band des Tages ansehen will, Stoned Jesus aus der Ukraine, und schier kaum mehr in den Raum komme, so dicht gedrängt stehen die Leute schon. Von daher kann ich leider zu Stoned Jesus kaum etwas sagen, außer dass sie sehr gut ankamen, offensichtlich eine gute Show ablieferten und noch viel mehr Menschen sie gern gesehen und den knackigen, aber auch psychedelischen Stoner Rock gehört hätten.

DSC_2954Meine erste Band des Tages sind daher dann The Cromptons aus dem heimischen München im Backstage Werk, die vor an zwei Händen abzählbarem Publikum beginnen, allerdings dann schnell mehr Zuhörer anlocken. Die Cromptons spielen souveränen Stoner Rock mit deutschen Texten, machen dabei überhaupt nichts falsch und zocken ihr Material mit genau der richtigen Mischung aus Relaxtheit und Engagement herunter – nur mich erwischen sie damit leider nicht, mir fehlt da noch ein wenig das Besondere, Eigenständige. Aber das ist ja immer Geschmackssache, am Auftritt selbst gibt es nichts zu mäkeln, und der Applaus ist auch ordentlich.

DSC_2982Mich zieht es dann allerdings sehr schnell in den Club, wo die Norweger Tiebreaker gleich aufspielen werden, auf die ich mich sehr freue. Auf Konserve haben sie schon mal einen hervorragenden Eindruck hinterlassen, der live allerdings noch um ein Vielfaches übertroffen wird. Ab der ersten Sekunde rockt der Fünfer aus Odda über die kleine Bühne, und die grandiose Stimme von Sänger Thomas Espeland Carlsen reißt einen sofort mit. So muss soulig-bluesig angehauchter (Retro-)Rock klingen, so und nicht anders. Mit Material von ihrem Debütalbum We come from the Mountains machen die Norweger am späten Nachmittag so viel Dampf im rappelvollen Backstage Club, als wäre es schon spät abends. Hoffentlich bekommt man den Powerfünfer bald wieder in Deutschland zu sehen!

DSC_3061Als Nächstes wandere ich nach nebenan in die Backstage Halle und kämpfe mich mit Müh und Not noch in die vorderen Reihen, um zumindest ein paar Bilder von den hochgelobten Franzosen Mars Red Sky zu schießen. Dies gelingt allerdings nur bedingt, denn ich sehe vor allem rot. Man hat sich bei der Lichttechnik offensichtlich den Bandnamen zu Herzen genommen und taucht nahezu den gesamten Auftritt in tiefstes Rot. Schade, ich hätte gern ein bisschen mehr von den drei Herren und vor allem den schönen Videoanimationen gesehen, doch die Musik reißt hier auch viel heraus. Besonders gefällt mir die klare, klagende Stimme von Sänger Julien Pras und die elegische Trauer, die die Musik ausstrahlt, unterbrochen von dröhnenden Lärmeruptionen. Eine gute Mischung, und das Publikum ist einhellig der Meinung, dass die Spielzeit von einer halben Stunde hier viel zu kurz war.

DSC_3101Düsterer und kultischer geht es weiter im Backstage Werk mit cult of the Black Moon Risin’, einer weiteren Münchner Band auf dem Spielplan. Wer beim ersten Under the black Moon dabei war, kennt die Lokalmatadoren. Auch heute wieder liefern sie einen soliden und mitreißenden Auftritt ab, untermalt von vielen brennenden Kerzen und Räucherstäbchen, Schummerlicht auf der Bühne und atmosphärisch im Propellerwind flatternden Haaren von Sänger Bennie Tourette. 70ies-Stoner-Blues-Doom-Rock gibt es zu hören, der schnell den Kopf mitwippen lässt und in die Beine geht. Alles richtig gemacht, und das findet das Publikum auch.

DSC_3187Danach heißt es schnell in den Club zurückhetzen, um sich noch einen Platz vor der Bühne zu sichern, denn jetzt steht eine Band auf dem Programm, die ebenfalls schon bei der ersten Auflage vom Under the black Moon spielte und damals einen mächtig guten Eindruck bei mir hinterlassen hat. Black Voodoo Train aus München spielen sensationellen psychedelischen Rock, verträumt, verspult, versponnen, mit Unmengen von Effektgeräten, viel Leidenschaft und noch mehr Talent. Und – seit einigen Monaten auch mit einer Sängerin als Unterstützung des ansonsten instrumentalen Programms. Das funktioniert ganz hervorragend, Louisa hat eine kräftige, eindringliche Stimme, die perfekt zur Musik der Jungs passt. Vollkommen verdient erntet die Band tosenden Applaus, und ich bin zum ersten Mal an diesem Festivaltag richtig geflasht.

DSC_3270All them Witches aus Nashville, Tennessee, stehen danach im Werk auf dem Programm, die mir mit ihrem Americana-angehauchten, atmosphärischen Stoner Rock ebenfalls sehr gut gefallen. Südstaaten-Entspanntheit, viel Gefühl und ein gutes Gespür für Melodien zeichnen All them Witches aus, und ich hätte mir den Auftritt gern bis ganz zum Schluss angesehen, wenn ich nicht gleich weiter in die Halle müsste. Ich hoffe, die Band irgendwann noch einmal in voller Länge sehen zu können, das ist eine Perle mit einen wirklich eigenständigen Sound und sehr cooler Bühnenpräsenz.

DSC_3379In die Halle muss ich aber rechtzeitig, um bei meinen Lieblingsisländern The Vintage Caravan noch in die vorderen Reihen zu kommen, was auch so halbwegs gelingt. Vor einigen Monaten sah ich das Trio bereits als Vorband der göttlichen Avatarium und freute mich seither auf ein Wiedersehen auf dem Under the black Moon II. Óskar Logi, Alexander Örn und Stefán Ari sind jung, haben den 70ies-Rock aber so verinnerlicht wie kaum eine ähnlich gelagerte Band. Vom ersten Moment an geht die Post auf der Bühne ab, Óskar singt sich die Seele aus dem Leib, Alex am Bass springt wie wild herum, und schon nach kürzester Zeit bildet sich in der restlos überfüllten Halle ein amtlicher Moshpit in den ersten Reihen. Kein Wunder, Songs wie „Babylon“, „Craving“, „Shaken Beliefs“, „Innerverse“ oder „Expand your Mind“, um nur einige ihrer Knaller zu nennen, sind schweißtreibend, verbreiten Instant-Gute-Laune und wecken ein unbändiges Bewegungsbedürfnis. Auch dieser Auftritt von The Vintage Caravan ist großartig, die drei jungen Isländer setzen mit dem kleinen Finger mehr Energie auf und vor der Bühne frei als viele alten Hasen. Hoffentlich bald wieder!

DSC_3467Jede andere Band, die direkt nach diesem Grooveinferno spielt, kann da eigentlich nur verlieren. Ganz so schlimm kommt es nicht, aber ich hätte mir tatsächlich mehr von Lucifer erwartet, der neuen Band von Ex-The-Oath-Sängerin Johanna Sadonis, die im Werk als Nächstes auf dem Programm stehen. Eigentlich macht die Band nichts falsch – Sabbath-beeinflusster, doomiger Heavy Rock mit guten Musikern und sehr ansehnlicher Sängerin, die Riffs sitzen, die Attitüde auch. Aber irgendwie mag bei mir der Funke nicht überspringen, ein wenig zu eintönig wirkt das Stageacting, und auch die Stimme könnte ein wenig vielseitiger sein. Schade, Songs wie „Abrakadabra“ oder „Sabbath“ haben definitiv Potenzial – nur die Livepräsenz hat mich jetzt nicht ganz überzeugen können.

DSC_3545Ich gehe daher frühzeitig, um im Club noch einen guten Platz für die überaus angesagten Wucan aus Dresden zu ergattern – und das ist mein Glück, denn später wird man nicht mehr in den Club hineinkommen. Auf Wucan habe ich mich vielleicht am meisten gefreut bei diesem Festival, und meine Erwartungen werden sogar noch haushoch übertroffen. Absoluter Mittelpunkt des Geschehens ist Frontfrau und Bandchefin Francis Tobolsky, die mit Charme, Witz, großartiger Stimme (ich muss öfter an Nina Hagen denken), diversen Instrumenten und einem umwerfenden Rampensaunaturell das Publikum um den Finger wickelt. Das starke Songmaterial tut natürlich sein Übriges, entfaltet aber tatsächlich live erst seine richtige Wirkung. Francis singt sich die Seele aus dem Leib, spielt Gitarre, Querflöte und – wie wunder-wunderbar! – ein Theremin, und man fühlt sich wirklich und wahrhaftig einige Jahrzehnte in die Vergangenheit zurückversetzt. Kräuterrock at its best, und wenn man Querflöte mag, dann ist sowieso alles gut. Neben „Franis Vikarma“ und anderem Material von der EP Vikarma und dem Debütalbum Sow the Wind sticht vor allem der über eine Viertelstunde lange, auf Deutsch gesungene Song „Wandersmann“ hervor, der mal so wirklich Siebzigerjahre ist. Psychedelisch, durchgeknallt, episch, mit vielen verschiedenen Passagen – unter anderem einem von Francis vorgelesenen Abschnitt aus einem Buch – und trotz seiner Länge keine Sekunde langweilig. Mein innerer Hippie jubelt, ebenso wie das Publikum, das gar nicht genug von Wucan bekommen kann. Zum Glück ist noch Zeit für eine kleine Zugabe, und hier wird noch mal richtig gerockt: „Am I evil“ von Diamond Head – wer kennt und mag es nicht? (Und sei es in der Version von Metallica).
Danke, Wucan, für diesen sensationellen Auftritt und eure immense Spielfreude!

DSC_3748Nach diesem intensiven musikalischen Erlebnis müsste ich eigentlich ein wenig verschnaufen und alles sacken lassen, doch das geht natürlich nicht. Im Werk warten noch die Headliner des Festivals, die Schweden Truckfighters, die in der Stoner-Doom-Szene sehr viel bekannter sind, als mir bewusst war. Das Publikum zeigt Durchhaltevermögen und empfängt das Trio aus Örebro mit gefülltem Werk und frenetischem Applaus. Mit einem fetten Grinsen im Gesicht zocken Dango, Ozo und El Danno ihren tiefer gestimmten Stoner Rock (mit Anleihen an die üblichen Verdächtigen Kyuss, QOTSA und andere), der allerdings auch lange instrumentale Passagen aufweist. Gitarrist Niklas „Dango“ Källgren fegt wie ein Derwisch über die Bühne, legt gefühlte Kilometer zurück, macht Luftsprünge und singt zwischendurch auch noch. Sänger und Bassist Oskar „Ozo“ Cedermalm ist etwas zurückhaltender, doch merkt man auch ihm den Spaß an dem Auftritt an. Ein würdiger Abschluss dieses langen, aber wie im Flug vergangenen Tages.

Fazit: Leider kann ich mich immer noch nicht teilen und klonen, weswegen einige Bands auf der Berichtstrecke bleiben mussten. Sorry, Mount Hush, Belzebong, Them Bones, Daily Thompson und The Skull, dass ihr hier nur kurz erwähnt werdet, ich hätte euch gern auch gesehen.
Danke an das Backstage für dieses musikalisch so hochkarätige Festival, danke allen beteiligten Bands für sehr gute bis sensationelle Leistungen und vor allem Wucan für die einzigartige Stimmung im Club. Einziges Manko: Sehr voll, sehr viel Gedränge und Geschiebe, zu lange Anstehzeiten beim Essen (zum auf dem angrenzenden Gelände stattfindenden Streetfood-Markt habe ich es leider nicht geschafft) und ein etwas zu straffer Zeitplan. Ansonsten freu ich mich schon auf die hoffentlich bald stattfindende dritte Auflage des Under the black Moon!

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