We’re all fucked up and die!

P1070341Genau ein Jahr ist seit dem letzten Konzert von Demented Are Go am 14.01.17 an selbiger Stelle in München vergangen (Link zum Bericht), aber eine Demented-Show ist immer ein willkommener Anlass, um den lauschigen Platz am heimischen Ofen zu verlassen. Als Vorband sind heute King Moroi gebucht, sie sind in der rumänischen Folklore lebende Wiedergänger, die Gehilfen der Strigoi sind, der echten untoten Vampire. King Moroi stammen allerdings trotz der Vampirzähne im Logo nicht aus Transsylvanien sondern aus Frankfurt. Die Musik im Vorfeld im Strom kommt heute leider aus der Konserve und nicht von DJ Alley Cat King wie die letzten Male, und das merkt man auch direkt an der etwas kränkelnden Stimmung, auch wenn es schon etwa halbvoll ist. Was man auch merkt ist, dass einige der Besucher schon reichlich getankt haben.

P1060916Gegen 20:45 Uhr betreten King Moroi, bestehend aus Bassist Smirnov, Sänger und Gitarrist Jerry Toothpaste und Monkey Boy an den Drums. Mir fällt direkt der wunderschöne mattschwarze Bass auf, dessen Bassschlüssel in Fledermausform in den Korpus gesägt sind. Das Vampirthema wurde also schon mal originell aufgegriffen, was sich auch in Liedttiteln wie „Hiding in the graveyard“ oder „Bloody rain“ zeigt. Nach dem zweiten Song wird das Publikum begrüßt und eine Nummer weiter aufgefordert, mehr nach vorne zu kommen. Allerdings beginnen dann die ersten vier Betrunkenen mit dem Wrecking, und deren weit ausholenden Armbewegungen halten die Leute erst einmal davon ab, näher zur Bühne aufzuschließen. Mit dem flotten und zweistimmigen „Spytank“ steigt die Stimmung merklich, und nun drückt auch das immer zahlreicher werdende Publikum nach vorne. Schließlich heißt es: „Jetzt kommt ein neuer Song. Ach egal, ihr kennt ja eh alles nicht.“ Damit beweist Smirnov Humor und hat die Lacher auf seiner Seite. Beim Wrecking trifft ein Typ immer wieder ein Mädel vor der Bühne, bis sie ihn heftig wegschubst, dann sieht es aus, als ob sie sich auf ihn stürzen P1060905will, trotz des ungleichen Größenverhältnisses. Eine weitere Eskalation bleibt aber zum Glück aus, obwohl es immer wilder zugeht. Mit einem Augenzwinkern meint Smirnov: „Ihr Leute in der Mitte, gebt nicht soviel Gas, sonst habt ihr nichts mehr für Demented übrig!“ King Moroi haben sichtlich Spaß am Auftritt, genießen die Publikumsreaktionen und stellen dann fest: „It’s a great way to start 2018!“ Mit „Creepcake“ und „Let me out“ endet das Set, bei dem der Bass zum Abschluß kurz über Kopf gespielt wird. Wenn dies Vampire Psychobilly sein soll, fehlt mir persönlich etwas Biss, denn immer wieder werden längere Instrumentalpassagen eingestreut, die Surfeinflüsse offenbaren, was nicht mein Fall ist. Insgesamt spielen King Moroi aber einen soliden fünfzigminütigen Gig mit Luft nach oben, bei dem sich die Stimmung stetig steigert.

Nun folgt die Wartezeit, während der es trotz der Raucher vor der Tür immer voller wird. Pünktlich um zehn betreten Demented Are Go schließlich unter lautem Jubel die Bühne. Heute trägt der mit Weißwein bewaffnete MarkSparky Phillips die Haare zu einem hohen schwarzen Flat, dazu Sonnenbrille, eine hautenge schwarze Lederhose, Lederweste und Doc Martens. Das Zebrahemd war vermutlich ursprünglich einmal weiß, aber dank Schminke, Schweiß und Kunstblut ist es mittlerweile ein schmutziges Braun. Darüber trägt er einen echten alten schwarzen Gehrock von Anfang des letzten Jahrhunderts, dessen Innenfutter zerfetzt ist und hinten herunterhängt. Pikantes Detail am Rande: Der Reißverschluss der Hose ist offen, aber bei Sparky weiß man nie, ob das nicht Absicht ist. Abgerundet wird das Ganze durch die übliche Horrorschminke, wobei er sich an der Schädelseite mit Kunstblut eine Fledermaus gemalt hat. Aber auch Grischa, Holger und Gaybeul, der übrigens seit 2014 den ausgestiegenen Drummer Chris Damage ersetzt (Dank an Grischa, s. u.), haben sich reichlich mit Kunstblut verschönert.
P1070291Ohne Umschweife legen sie wie schon letztes Jahr mit „Holy Hack Jack“ los, das wie ein Warm-up funktioniert, denn schon bei „Call of the wired“ gibt es kein Halten mehr, es bildet sich ein amtlicher Wrecking Pit, der auch vor „Daddy’s making monsters“ nicht Halt macht. Die ersten Shirts fliegen, auch Sparky wird es zu warm, und er entledigt sich seines Gehrocks. Sein Zebrahemd offenbart sich nun als völlig zerfleddert. Weiter geht es mit „Bodies in the basement“, und nach „The Noose that snapped“ reicht Sparky Drummer Gaybeul die Weinflasche, damit er sich erfrischen kann. Der setzt an, aber reingelegt – der Deckel war noch drauf. Sparky grinst und schraubt auf, dann nimmt Gaybeul einen tiefen Schluck im wahrsten Sinne des Wortes, weil er sich dabei den gesamten Flaschenhals in den Schlund schiebt. Gegen Ende von „One sharp knife“ kommt es zu Problemen beim Bass, der Tonabnehmer fällt aus, und so wird der Song eben ohne Bass beendet. In der folgenden Zwangspause kniet Grischa neben seinem Baby und versucht es wiederzubeleben, was im ersten Versuch scheinbar misslingt. Bassist Smirnov von King Moroi springt netterweise neben der Bühne schon herbei und packt seinen Bass aus, damit es weitergehen kann. Doch in letzter Sekunde kann Grischa seinem Bass wieder Leben einhauchen und ist sichtbar erleichtert. Kein Wunder, denn ein anderer Bass klingt anders, fühlt sich ungewohnt und anders an und trägt vor allen Dingen nicht die vertrauten ‚Battle Marks‘. Aber nun kann es ja mit „Where you gonna go“ weitergehen. Sparky zieht nun auch noch sein Hemd aus und präsentiert kurz sein noch nicht ganz vollendetes neues Rückentattoo, bevor er sich die Lederweste wieder drüberhängt: Elvis als Heiland am Kreuz, der den rechten Mittelfinger emporstreckt, was für enorme Heiterkeit sorgt. (Leider geht das so schnell, dass es nur zu einem unscharfen Foto gereicht hat.)
P1070012Nach „Skating in the rain“ entledigt sich Sparky endlich seiner Sonnenbrille, nur um bei „Epileptic fit“ die Augen regelmäßig so weit nach hinten zu rollen, dass nur noch das Weiße zu sehen ist. Das passt natürlich super zum Song, ist aber auch echt unheimlich. Bei „Retard whore“ normalisiert sich sein Ausdruck wieder. Das Cover „Funnel of love“ von Wanda Jackson singen nicht so viele wie sonst mit, aber kein Wunder, denn die meisten nutzen die Gelegenheit, um einfach mal nach Luft zu schnappen. Vielleicht ist Sparkys Stimme aber einfach etwas leise, denn er ist ganz offensichtlich erkältet. Immer wieder schneutzt er sich in die Hand und schleudert den Rotz anschließend zum Glück auf den Boden und nicht ins Publikum. Anschließend schlägt der „Pervy in the park“ zu, in „PVC“ gekleidet. Nun sucht Sparky einen Schluck Wasser zur Abwechslung, aber da vorn am Bühnenrand nichts steht, wendet er sich an Gaybeul, doch auch der hat nur Bier dabei. Egal, dann eben Bier in die wunde Kehle. Frisch gestärkt geht es zu „Cast iron arm“ gefolgt von „Who put Grandma under the stairs“ und „Busted hymen“. Angesichts des völlig ausgeflippten Wrecking Pits, in dem mittlerweile viele mit nacktem Oberkörper zugange sind, stellt Sparky fest: „We’re all fucked up and die!“, worauf „Cripple in the woods“ folgt. Nun will Sparky die Zugaben einfach nahtlos ans Set anschließen und dafür von der Setlist abweichen, doch die anderen bekommen das irgendwie nicht mit, sodass er seinen Einsatz verpatzt. Die Band bricht ab, ungläubige Blicke allerseits und Gelächter und Gejohle aus dem Publikum. Drummer Gaybeul wird kurzentschlossen zum Schuldigen gekürt, und Sparky meint: „Wrong song, sorry about that. We try again.“ Nach „Sickness“ und dem beliebten Devo-Cover „Mongoloid“ will Sparky sich mit einem knappen „Thank you and good night!“ verabschieden, aber das klappt mit dem enthusiastischen Publikum heute nicht, schließlich hat es ja keine echte Zugabe gegeben. Also müssen Demented Are Go auf die Bühne zurück. „You’ve been an awesome audience“, und so folgen noch die Klassiker „Human slug“, das mit einem langen Intro gespielt wird und bei dem Holger und Grischa zusammen aufdrehen, und „Surf ride to oblivion“, zu denen es jeweils im Wrecking Pit noch einmal rund geht. Grischa spielt den Bass im Sitzen und zum Teil mit dem Fuß, und zur Verabschiedung stemmt er ihn an einem Arm in die Höhe. Nun gehen endgültig die Lichter an, und nach achtzig Minuten tropft es stellenweise von der Decke. Die Dame neben mir diktiert mir die Abendzusammenfassung: „Bonnie Hell sagt: Geil war’s!“

Fazit: Demented Are Go haben gezeigt, dass sie nach wie vor eine Speerspitze im Psychobilly sind, an der der Nachwuchs generell erst einmal vorbei muss, sei es in Ausdruck und Attitüde oder der Fähigkeit, die Massen erst einmal zu mobilisieren und dann vor Ort auch in Bewegung zu bringen. Wie schon letztes Jahr war eine Lichtshow quasi kaum vorhanden, doch das wurde durch eine Energie ausgeglichen, die auch aufs Publikum übersprang und für einen großen Wrecking Pit sorgte. Trotz Panne und Erkältung ist dies stimmungsmäßig definitiv eine der besten Shows der letzten Jahre gewesen.

:mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch:

Setlist King Moroi:
Funsize
Hiding in the graveyard
Bloody rain
Spytank
Headvice
Dr. Cogan
Meatgrinder
Last time that time
Kate Will
Cypress C. L.
Barrymore
Switchside
Bad habits
My train has gone
Creepcake
Let me out

Setlist Demented Are Go:
Holy Hack Jack
Call of the wired
Daddy’s making monsters
Bodies in the basement
The Noose that snapped
One sharp knife
Where you gonna go
Skating in the rain
Epileptic fit
Retard whore
Funnel of love
Pervy in the park
PVC
Cast iron arm
Who put Grandma under the stairs
Busted hymen
Cripple in the woods
Sickness
Mongoloid

Human slug
Surf ride to oblivion

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2 Kommentare
    • Mrs.Hyde
      Mrs.Hyde sagte:

      Hallo Grischa, vielen Dank für Dein Feedback und die Korrektur. Es ärgert mich, dass mir das durch die Lappen gegangen ist, und so etwas sollte eigentlich nicht passieren. Doch nachdem ich die Namen der aktuellen Besetzung weder auf der Demented-HP noch auf der Facebook Seite gefunden habe, habe ich mich letzten Endes leider auf den Wikipedia-Eintrag verlassen, der nicht mehr aktuell ist. Hätte ich mal lieber die Münchener Urgesteine Ben oder Toddy gefragt. Viel Spaß und viel Erfolg auf der weiteren Tour!
      Beste Grüße, Mrs. Hyde

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