Dunkle Verbündete

Der dritte Katzenclub dieses Jahres wird entgegen der Tradition heute nicht von DJ Shadowboy beschallt, sondern das Veranstalterteam hat wieder ein Konzertpaket für uns geschnürt, nach dem man sich die Finger lecken darf. Auf dem WGT bestand quasi keine Chance, Light Asylum im Alten Stadtbad zu sehen, so lang war die Schlange vor dem Gebäude – hier spielt Shannon Funchess im Kranhallen-Wohnzimmer. Die Lokalmatadoren Rue Oberkampf (und unsere Band der Woche im April 2019) sieht man zwar etwas öfter auf heimischen und anderen deutschen Bühnen, aber ich habe es bisher tatsächlich geschafft, das Trio noch nicht live zu sehen. Unerhört! Da zusätzlich zu den Konzerten natürlich auch die bewährte Katzenclub-Party auf zwei Tanzflächen lockt, freue ich mich wirklich sehr auf diesen Abend.
DSC7794Ganz so voll wie beim letzten Katzenclub, bei dem diverse Besucher gar nicht mehr eingelassen werden konnten, wird es heute Abend nicht, doch die Kranhalle ist sehr ansehnlich gefüllt, als Rue Oberkampf um kurz nach neun auf die Bühne kommen. Das Passauer/Münchner Trio, bestehend aus Julia, Damien und Michael, existiert seit 2016 und hat sich mit seiner höchst tanzbaren Cold-Wave-Synth-Mischung einen exzellenten Ruf erspielt. Dazu passen hervorragend die weitgehend in Französisch gehaltenen Texte, die einen in die Hochzeiten des Cold Wave zurückversetzen. 2018 kam die EP Waveclash heraus, die von Eric van Wonterghem gemastered wurde und die definitiv Lust auf mehr macht. Mit „Agitation“ eröffnen Rue Oberkampf ihr Set, gefolgt von „Congélation“, beide von Waveclash, beide gehen sofort in die Beine. Die Bühne ist spärlich beleuchtet, gelegentliche Strobophasen ermöglichen einen Blick auf die Musiker – Julia am Mikro, Damien an den Synths und gelegentlich auch am Mikro und Michael hinter Laptop und anderen Geräten -, am meisten fällt das leuchtende Neonröhrengebilde aus dem Bandlogo in der Bühnenmitte auf, das eine sehr schöne kalte Atmosphäre verbreitet. Neben einigen weiteren Songs von Waveclash wie „Sourires“ oder den allerersten Bandsong „Le train“ (ein Cover des Absolute-Body-Control-Tracks „Melting away“) gibt es auch neueres Material wie „Kalt“ zu hören. Die Songs sind meist im Midtempo gehalten, zwischendurch wird es aber auch etwas zackiger, und nicht nur das Publikum tanzt, sondern auch Julia auf der Bühne. Nach „Es versucht“ will man sich verabschieden, das wird verwehrt, also gibt’s mit „Caméra“ noch eine Zugabe. Ein sehr schöner Auftritt in für die Musik perfekter Atmosphäre.

DSC7932Jetzt beginnt das Warten auf Light Asylum aka Shannon Funchess. Ursprünglich als Duo angetreten, bestreitet Shannon die Band mittlerweile allein. Seit der umjubelten EP In tension aus dem Jahr 2010, die den unsterblichen Clubhit „Dark allies“ enthält, und dem Album Light asylum aus dem Jahr 2012 gibt es leider kein aktuelles Material, was ich sehr schade finde, denn gerade durch Shannons Stimme, aber auch ungewöhnliche Stilmischungen aus kalten und warmen elektronischen Sounds sticht die Band wirklich aus der großen Masse hervor. Das Album musste ich mir zwar ein wenig erarbeiten, auf Konserve klingt es erst mal etwas roh und blutleer und anders als die EP, aber irgendwann hat es Klick gemacht. Jetzt bin ich sehr gespannt auf Shannon und wie sie ihre Musik auf die Bühne bringt. Die Elektronik ist auf einem Tisch auf der linken Bühnenseite aufgebaut, am Mikro in der Mitte diverse Kabel und andere Extravorrichtungen angebracht, von denen aus Shannon während des Konzerts die Musik steuert. Wenn sie denn mal eine Sekunde stillsteht, denn vom ersten Ton von „Hour fortress“ an wirbelt die kleine, muskulöse Frau mit der Wahnsinnsausstrahlung über die Bühne und performt sich die Seele aus dem Leib. „Pope will roll“ kommt herrlich aggressiv und auf den Punkt gebracht, ebenso wie „IPC“, und man möchte sofort so wild herumspringen wie Shannon. Dazu ist es dann aber doch zu voll, energisch getanzt wird trotzdem im Publikum. Eine kleine Verschnaufpause bieten „Heart of dust“ und „Sins of flesh“, bevor mit dem charakteristischen Intro „Skull fuct“ beginnt, mein persönlicher Lieblingssong von Light Asylum, den ich noch viel, viel großartiger als das allseits bekannte „Dark allies“ finde. Hier bereitet einfach alles Gänsehaut – Melodie, Rhythmus, Text und Shannons leidenschaftlicher Gesang. Eigentlich möchte ich danach die vielen Emotionen kurz sacken lassen, doch das hämmernde „At will“ reißt sofort wieder mit. Danach wird es zwar nicht weniger eindringlich, aber etwas ruhiger, sodass man diesen beeindruckenden Auftritt auch mal auf sich wirken lassen kann. Und dann kommt der Überhit „Dark allies“, der auf der Tanzfläche fast schon ein wenig durchgenudelt ist, einem live aber wieder nachdrücklich vor Augen führt, wie großartig dieser Song eigentlich ist. Shannon bedankt sich beim Publikum und all den DJs, die den Track über all die Jahre am Leben gehalten haben, und spielt den letzten Song des Abends – ein ruhiges, getragenes Stück. Dann ist endgültig Schluss, mehr gibt es nicht, trotz nicht enden wollendem Beifall und Zugabe-Rufen. Shannon bedankt sich noch einmal bei uns und vor allem bei Rue Oberkampf, wie schon zu Beginn des Konzerts. Ein toller Auftritt, der die auf Konserve manchmal etwas trockenen Songs mit viel, viel Leben füllen konnte. Hoffentlich gibt es in nicht allzu ferner Zukunft auch wieder neues Material.

Vielen Dank, liebes Katzenclub-Team, für einen weiteren herrlich familiären Konzertabend mit hochkarätigen Bands und eine ebenso mitreißende Party. Bis zum nächsten Mal!

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