Flieg, mein Herz!

Bereits im vergangenen Herbst gab es auf der Tour zur aktuellen CD Tief Tiefer Ankündigungen zu einem Event der ganz besonderen Art: Die Apokalyptischen Reiter gehen im März 2015 zum ersten Mal auf große Akustik-Deutschlandtour! Klar, dass ich mir das nicht entgehen lassen durfte. Und nachdem es im Jahr 2014 keinen eigenen Termin für München gab, da die Band im Rahmen eines Festivals in Freising spielte, war ich froh, dieses Mal nicht wieder nach Lindau oder Nürnberg fahren zu müssen, München stand in der Liste der zehn Shows umfassenden Tour.

Über die Wintermonate erwartete ich dann, die Meldung „ausverkauft“ zu lesen, da das Konzert teilbestuhlt sein würde und somit sicher nicht mehr als 800 Tickets in den Verkauf kommen würden. Doch bis zum Veranstaltungstag gab es noch reichlich Karten, und auch am späteren Abend war das Werk nur mäßig gefüllt. Bei meinem Eintreffen kurz vor Einlass warteten gerade mal 30 Leute an der Tür und das an einem Samstagabend. Warum war das Münchner Publikum so skeptisch? Konnten sich Reiter-Fans nicht vorstellen, einfach mal nur still dazusitzen und den tollen Texten der Band zuzuhören?

So wie bereits bei anderen Akustik-Konzerten waren sowohl der „Hexenkessel“, als auch die rechten und linken Stufen des Werkes bestuhlt, oben am Geländer konnte man stehen. Aber nur sehr langsam füllte sich der Raum, immerhin waren die Stuhlreihen besetzt, als es pünktlich um 20 Uhr mit dem Special Guest Joe Astray losging. Der aus Sydney (Australien) stammende, in Deutschland lebende Singer/Songwriter kam alleine mit Gitarre und Schlagzeuger Antoine Laval. „Sein authentischer Folk/Punk hat uns direkt umgehauen und wir freuen uns riesig, dass er uns auf unserer Premierentour begleiten wird“, konnte man von Seiten der Apokalyptischen Reiter im Vorfeld lesen. Eine halbe Stunde lang durfte der junge Musiker dann seine Songs präsentieren, die aber leider an mir abperlten und auch beim sitzenden Publikum nicht Anlass zu großem Jubelgeschrei gaben. Ein Highlight-Song war der Einzige in deutscher Sprache, „Wolf“, hier habe ich ein wenig aufgehorcht, wenn auch nicht jeder Ton perfekt saß. Mich hat der gesamte Auftritt an Sommer und Lagerfeuer erinnert, nett, aber nichts, was in Erinnerung bleibt.

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Im Anschluss mussten wir noch fast eine halbe Stunde warten, bevor die vier Instrumentalisten der Apokalyptischen Reiter die Bühne betraten, um mit einem akustischen Intro auf die folgende Show einzustimmen, wunderschön! Nach einigen Minuten komplettierte Sänger Daniel „Fuchs“ Täumel unter großem Jubel die Band, die dann auch gleich mit dem Song „Komm“ loslegte. Aber heute eben mal nicht rau und metallisch, sondern ganz sanft. Vor allem das Piano von Mark „Dr. Pest“ Szakul war meistens sehr präsent im Vordergrund zu hören, wenn auch der Pianist selber die ganze Zeit im Hintergrund blieb. Seine Lederkluft und –maske hatte er wie bereits im vergangenen Jahr im Keller gelassen und erschien in edlem Brokatsakko, so wie auch die anderen Musiker ihr Outfit der Besonderheit dieser Show angemessen gewählt hatten.

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Wie zu Beginn sollte es dann für die nächsten knapp 60 Minuten weitergehen: meist ruhige, bekannte und weniger bekannte Songs in neuem Gewand, aber immer mit Fuchs’ toller und klarer Stimme. Und das Publikum hing mit angehaltenem Atem förmlich an seinen Lippen. Geredet wurde wenig zwischen den Songs, hier und da mal eine kleine Einleitung oder kurze Ansage sollte ausreichen. Dementsprechend gab es auch nicht viel Kommunikation oder Interaktion mit dem Publikum. Überhaupt wirkten die Musiker sehr in sich gekehrt, oft konzentriert mit geschlossenen Augen, sehr ungewöhnlich für eine Rock-Band. Selbst der sonst ewig lachende Ady Vogel war heute ungewöhnlich ruhig und still.

Ein erster großer Höhepunkt war für mich „Wahnsinn“: wie auch schon auf der aktuellen CD mit intensivem Sprechgesang und mit Worten, die direkt ins Herz gehen. „Lass uns unseren Wahnsinn leben, der Phantasie ein Stelldichein geben, lass uns das Himmelreich auf Erden leben, das Universum aus den Festen heben“ – ich bekomme jetzt noch Gänsehaut, wenn ich daran zurückdenke. Aber auch mit der neuen Version des Songs „Paradies“, ursprünglich aus der 2003er-Album Have a nice Trip, fanden die Reiter einen direkten Weg in mein Herz. Den Abschluss des fast einstündigen langsamen Teils bildete das ebenfalls aus dem Jahr 2003 stammende und nun in neuem Gewand erstrahlende „Terra Nola“, bevor ein paar schnellere Songs kamen und nichts die Leute mehr auf ihren Stühlen halten konnte. Nach einem grandiosen „Friede sei mit dir“ verließen die Reiter die Bühne, um nach wenigen Minuten mit einem Stück zurückzukommen, das mein Herz lachen ließ: „Ghostriders in the Sky“, für viele der Höhepunkt des Abends.

Mit „Sonne“ und „Dschingis Khan“, dem perfektesten Abschlusssong, den man sich vorstellen konnte, folgten zwei weitere Zugaben. Da wurde dann getanzt, gemosht und lautstark mitgesungen. Im Anschluss daran bat uns Fuchs aber nochmals auf die Stühle zurück, denn es folgte „Lazy Day“. Gerne dürfe man sich auch hinlegen, war seine Ansage dazu, und diesem Aufruf folgten viele der Mosher im vorderen Bereich: sie machten es sich auf dem Boden gemütlich, welch ein witziger Anblick.

Doch danach hieß es endgültig Abschied nehmen, die fünf Musiker versammelten sich im vorderen Teil der Bühne, bedankten sich und verschwanden dann in den Backstage-Bereich. Das passte dem Publikum aber so gar nicht, es wurde geschrien, getobt, getrommelt, keiner wollte wahrhaben, dass dieser tolle Abend wirklich schon zu Ende sein sollte. Zuerst sah es so aus, als wäre all die Mühe umsonst gewesen, aber eine letzte kleine und sehr spezielle Zugabe sollten wir noch von Dr. Pest erhalten, der alleine noch mal die Bühne betrat und auf dem Klavier das bretonische „Son ar chistr“ spielte, besser bekannt unter dem Titel „Was wollen wir trinken“. Alle Zuschauer sangen und summten mit, sehr bewegend dieser Abschied.

Was lässt sich als Resümee sagen? Reiter rockig ist toll, Reiter akustisch ist wunderschön, und die Worte fliegen direkt ins Herz! Etwas schade fand ich, dass der „Adler“ nicht gespielt wurde, eines meiner Lieblingslieder, aber dafür habe ich jetzt neue Songs in meiner persönlichen Reiter-Hitliste. Insgesamt fand ich den Abend mit nicht mal 90 Minuten Spielzeit etwas kurz, aber besonders feine Kost soll ja in Maßen genossen werden. Und ein Wiedersehen mit den Apokalyptischen Reitern im Sommer ist auch schon gesichert!

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