Bekanntes in neuem Gewand

Das erste Konzert der „Silent Land – Minor Sun Acoustic Tour“ von The Beauty of Gemina – und wir sind wieder dabei. Den letzten Auftritt auf der „Minor Sun Tour“ 2016 haben torshammare und ich auch schon gemeinsam im Backstage verfolgt. Aufgrund unserer positiven Eindrücke ist es uns eine große Freude, Michael Sele und seine erweiterte Band wiederzusehen. Ich habe Ausschnitte aus ihrer 2014-Akustiktour gesehen und bin gespannt, wie der Abend laufen wird. Gemeinsam freuen wir uns auf die akustische Umsetzung ihrer düster-elektronischen, mitunter im Americana-Stil gekleideten Songs.

DSC_2711Um kurz vor 20 Uhr ist die Bühne noch menschenleer, doch zu sehen gibt es bereits einiges: im Hintergrund zwei große Bilder von Wilden Männern (Sagengestalten unter anderem aus der Schweiz), ein Schlagzeug und Keyboard, auf ihren Einsatz wartende Gitarren und einige Sitzmöglichkeiten, die auch großzügig für das Publikum in der Backstage-Halle aufgestellt sind. Beim pünktlichen Auftritt von Michael Sele ist die Halle zu zwei Dritteln besetzt, aber der Stimmung im Publikum tut das keinen Abbruch. The Beauty of Gemina schickt mit ihrem Gründer einen echten Eyecatcher auf die Bühne: Das blonde Haar lässt ihn einfach herausstechen, der Spot auf ihn unterstreicht die Wirkung. Viel interessanter ist in diesem Augenblick die schön gestaltete Gitarre, die Michael zur Eröffnung des Abends dabei hat. Ein wunderschöner Pfauenschwanz ist auf der hellen Holzfläche eingraviert. Dazu dieses Gitarren-Solo: virtuose Töne, die ein sehr guter Einstieg zu diesem akustischen Abend sind. Danach kommt der Rest der Band, Andi Zuber (Bass), Ariel Rossi (Gitarre), Mac Vinzens (Schlagzeug), auf die Bühne, und zusammen lassen sie „Narcotica“ in einer überzeugenden akustischen Version erklingen. Diese besondere Stimmung tragen sie mit „Another death“ gleich weiter, bei dem Michael Sele am Keyboard sitzt. Das Stück beginnt ruhig, aber gemeinsam wird daraus ein furioser Song, der dann abrupt endet. Für die „Acoustic Tour“ hat sich die Band weitere Verstärkung geholt: Bei „Silent land“ kommt zum ersten Mal der Schweizer Cellist Raphael J. Zweifel zum Einsatz. Beim großen Hit „Suicide landscape“ bekommen die Herren mit der Schweizerin Eva Wey weibliche Verstärkung an der Geige, und das Saxofon wird von Eyjólfur Þorleifsson gespielt. Der Abend bietet viele bekannte Songs aus der über 10-jährigen Bandgeschichte, immer wieder besonders arrangiert mit den unterschiedlichen Künstlern und ihren Instrumenten. Sie geben diesem akustischen Set ihre jeweilige Stimmung mit, und die bekannten melancholischen Texte bekommen dadurch eine passende zurückhaltende Untermalung, unter anderem bei „Into black“. Das Zusammenspiel der Truppe ist beeindruckend, ebenso wie die gelegentlichen Solo-Ausflüge der Musiker. Der argentinische Gitarrist Ariel Rossi spielt virtuos, besonders schön zu hören bei „Stairs“ und „Seven-day wonder“. Nicht nur „Down by the horses“ verleiht Eva Wey einen besonderen Touch, der Americana-Stil kommt hier sehr gut zum Tragen. Das bei den „normalen“ Konzerten kaum gespielte „Mariannah“ sorgt für wippende Köpfe und Füße. „Hunters“ lässt Schlagzeuger Mac Vinzens Raum für ein ausführliches Solo, das handwerklich natürlich hervorragend ist, nur leider einen Tick zu laut abgemischt. Auch Eyjólfur Þorleifsson zeigt immer wieder seine beeindruckenen Saxofonkünste. Bei „Silent land“ lasse ich mich durch das Cello-Intro einlullen, einfach Augen zu und von den nach und nach einsetzenden Instrumenten einhüllen lassen. Michael Sele motiviert seine Musiker immer wieder durch Gesten und Lob, ein sehr schöner Zug von ihm für diesen ersten öffentlichen Auftritt auf dieser „Acoustic Tour“. Danach folgt ein mitreißendes TBoG-Cover von Depeche Modes „Personal Jesus“, die Halle macht den Chor. Der zweite große Hit der Band, „The lonesome death of a goth DJ“, rockt auch akustisch ziemlich los und hat doch einen zurückhaltenden Charme, Drummer Mac Vinzens bekommt noch mal Zeit für ein Solo, die Bandmitglieder überlassen ihm die Bühne, wenn er auch etwas versteckt in der linken Ecke sitzt. Kurz danach gelüstet es Michael nach einem bayerischen Bier – ein Herr aus dem Publikum erfüllt ihm diesen Wunsch gerne, und auch Eva Wey bekommt nach „Down on the lane“ ein Helles spendiert. Eine schöne Geste, finde ich, dieser Abend wird immer mehr zu einer familiären Veranstaltung. Deshalb ist es auch kein Wunder, dass das Publikum die Musiker nach dem vorerst letzten Song begeistert zurückklatscht.

DSC_2775Die Band gibt nochmal ihr Bestes und lässt sich auch noch zu einer zweiten und dritten Zugabe überreden: Es folgen „Darkness“ mit einem neuerlichen Solo für den argentinischen Gitarristen, das Saxofon gesellt sich dazu, und Michael Sele berührt mit seiner Stimme. Ich höre sie immer noch: „… when you leave …“. Des Weiteren bekommen wir noch „Endless time to see“ im Americana-Stil mit der schon beschriebenen Gitarre vom Anfang zu hören sowie „Dark rain“ in der TBoG-Besetzung mit Geigerin. Bei „Dark revolution“ darf Eyjólfur Þorleifsson wieder sein Können zeigen (allerdings wissen wir immer noch nicht, wo Michael den aufgepickt hat, eigentlich wollte er uns die Geschichte erzählen). Etwas ganz Besonderes ist das – ungeprobte und trotzdem hervorragend gespielte – Cover von den Talking Heads, „Listening wind“. Danach gibt es noch ein großes Finale mit allen Musikern auf der Bühne, und um kurz nach 22 Uhr erklingt der letzte Ton von „Counting tears“ in voller Besetzung.

Zwei Stunden waren wir umgeben von sehr schön arrangierter und dargebotener melancholischer, rockiger, bluesiger Musik mit Americana-Feeling, man war umgeben von einer Art Beauty of Gemina-Familie, die den besonderen Reiz dieser tollen Musik zusammengebracht hat. Bei manchem Titel musste ich erst mal die Augen schließen, bis ich gemerkt habe, dass ich mitsinge, und dann kam die Titel-Erleuchtung. Unsere Vorfreude auf die Band und ihre Gäste hat sich für unsere Redaktion bezahlt gemacht. Die Lichtspiele und der Klang waren sehr gut, einzig die Kälte im Raum hat sich in den Füßen eingenistet. Das nächste Mal, liebes Backstage-Team, vielleicht doch die Türen schließen. Es war ein toller akustischer Abend, und es ist ja klar, beim nächsten Halt von The Beauty of Gemina bin ich wieder dabei.

The Beauty of Gemina gehören schon seit vielen, vielen Jahren zu meinen Lieblingsbands, und immer wieder bin ich beeindruckt von der Musik und Vielseitigkeit der Band. Sie können gnadenlos rocken (wie zum Beispiel auf dem Amphi 2016), dabei ungeheuer gefühlvoll sein (wie letztes Jahr hier im Backstage), machen jeden noch so kurzen Festivalauftritt zu etwas Besonderem, und ihre Headlinerkonzerte sind erst recht ein Erlebnis. Dieser Abend gehört mit seiner ganz besonderen, eindringlich-warmen Stimmung, dem Familiengefühl in der Halle, dem selten gespielten „Mariannah“, über das ich mich wahnsinnig gefreut habe, aber natürlich auch der ganzen Setlist und der exzellent zusammenspielenden Truppe zu den absoluten Highlights dieses Jahres. Bekannte Songs mal ganz unbekannt, hervorragend umarrangiert und umgesetzt, viele neue Details und doch ganz eindeutig TBoG. Chapeau! Danke an die Musiker für Musik, Autogramme und Gespräche, an Managerin Natalie und alle, die diesen Abend in München möglich gemacht haben! (torshammare)

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Setlist:
1. Intro
2. Narcotica
3. Another death
4. Crossroads
5. Suicide landscape
6. Into black
7. Down by the horses
8. Mariannah
9. Hunters
10. Stairs
11. In silence
12. Badlands
13. Silent land
14 Personal Jesus (DM-Cover)
15. The lonesome death of a goth DJ
16. Seven-day wonder
17. Down on the lane

18. Darkness
19. Endless time to see
20. Dark rain
21. Dark revolution

22. Listening wind (Talking-Heads-Cover)
23. Wonders

Bilder: torshammare

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