Habt ihr Bock auf Flötenrock?

Oder anders gefragt: Habt ihr Bock auf zwei coole Bands, die euch auf eine Zeitreise zurück in die Siebziger und andere Anfänge härterer, bluesiger Musik nehmen? Wenn ja, dann ist das Package des heutigen Abends genau das Richtige für euch: Die Münchner Sundog eröffnen für die Dresdner Wucan, die bereits auf der zweiten Ausgabe vom Under the Black Moon im Frühjahr für einen aus allen Nähten platzenden Backstage Club gesorgt haben. Es verspricht, voll zu werden, heiß und sehr, sehr energetisch. Mein innerer Hippie war im Frühjahr schon schwer begeistert von Wucan und ihrer tollen Show, und ich freue mich sehr auf den heutigen Abend.
DSC_2937Sundog aus München eröffnen den Konzertabend um kurz nach acht, der Backstage Club ist zwar erst mäßig gefüllt, aber das wird sich sicher bald ändern. Sundog gibt es noch gar nicht so lange, die Bandmitglieder sind aber alte Hasen in der Münchner Szene und bringen die verschiedensten musikalischen Hintergründe mit (Mount Hush, Liz and the Fire, beNUTS und Worship). Heraus kommt dabei eine mitreißende Mischung aus Blues, Stoner, Heavy Psychdelic Rock und was sonst noch alles so dazupasst. Das Quartett um Sänger Dok startet energisch mit dem Song „Perpetual“ und nimmt uns in der folgenden guten halben Stunde mit auf eine Reise durch ihre EP Fever lane und anderes Material. Kräftiger Gesang, ordentlich tiefergestimmte und verzerrte Gitarren, viel Groove – das Stonerherz lacht, und nicht nur das. Der Auftritt vergeht wie im Flug, und schon ist es Zeit für den letzten Song, „Wounded animal“, bei dem die Band noch mal alle Register zieht. Wer noch einen Nachschlag möchte: Am 28.01.17 stehen Sundog mit Daily Thompson auf der Bühne, wieder im Backstage.

DSC_3009Nach einer zackigen Umbaupause geht’s dann auch recht bald weiter, und Wucan eröffnen das Set mit dem bekannten „King Korea“, einem höchst abwechslungsreichen Rocker, bei dem gleich schon mal die Querflöte zum Einsatz kommt. Das schleppende, intensive „Night owl“ lässt einem keine Pause, und bei „Franis Vikarma“ mit dem markanten Flötenintro könnte ich völlig ausflippen (wenn da nicht noch das eine oder andere Bild zu schießen wäre). Eigentlich erwarte ich, dass spätestens jetzt der Club geschlossen völlig steil geht, aber anscheinend sind viele der Besucher schon im Winterschlaf oder nicht mit dem Kräuterrock von Wucan vertraut. Sehr schade, wenn ich an den Abriss im Frühjahr zurückdenke. Aber ich will mir die Laune nicht verderben lassen und genieße einfach den Auftritt einer Band, die mich wie kaum eine der jüngeren Formationen, die „alte“ Musik spielen, an die alten Helden erinnert und doch etwas völlig Neues aus den bewährten Zutaten wie Querflötenrock, Blues, Siebzigerrock und mächtig viel Dampf kreiert. Unbestrittener Mittelpunkt der rohen, explosiven Bühnenshow ist natürlich Sängerin Francis Tobolsky, die mühelos zwischen E-Gitarre, Querflöte, Theremin (oh, das Theremin!) und natürlich dem umwerfend rockigen und leidenschaftlichen Gesang hin- und herwechselt.
Nach dem etwas ruhigeren „Dopetrotter“ kommt die Ansage „Jetzt müsst ihr tanzen!“ und ein neuer Song, dessen Zeile „Give me fever“ sich sofort in die Gehörgänge brennt. Leider auch hier wieder quasi null Reaktion vom Publikum außer in den ersten Reihen, alles dahinter zeichnet sich weiterhin durch ausdruckslose Schläfrigkeit aus. Ob’s an der voll aufgedrehten Heizung im Club liegt, die einem schon im Stehen den Schweiß auf die Stirn treibt? Der Funke will heute nicht überspringen, und das ist auf gar keinen Fall die Schuld der Band, die alle Register zieht. Schlagzeug, Gitarre und Bass zimmern den perfekten Unterbau für Francis‘ Querflöten- und Thereminexzesse, denen man einfach nur mit offenem Mund zuschauen kann. Immerhin scheint dann doch jemand aus dem Publikum wach zu sein, denn zwischendurch wird die Band mit dem zuvor charmant eingeforderten Jägermeister versorgt – wenigstens das klappt!
„Father Storm“ und das sensationell experimentelle „Wandersmann“ beschließen den regulären Konzertteil und sind an Intensität und rockendem Wahnsinn eigentlich kaum zu übertreffen. Und endlich wacht auch der Rest des Clubs ein wenig auf und applaudiert und jubelt einigermaßen angemessen, sodass die Band noch mal für zwei Titel auf die Bühne kommt. Dass aber selbst beim abschließenden „Am I evil“ von Diamond Head keine ordentliche Headbangerstimmung im Publikum aufkommen mag, schockiert mich dann wirklich. Leute, was war das denn? Da spielt sich eine fantastische Band den Hintern ab, da bringen vier tolle Musiker eine mitreißende und absolut eigenständige Show auf die Bühne, und ihr steht da wie Ölgötzen? Falsche Halle? Falscher Tag? Zum Glück feiern einige Ausnahmen und vor allem die ersten drei Reihen dieses wieder mal sehr, sehr gute Konzert, über das ich noch viel länger schwärmen könnte (habe ich das Theremin schon erwähnt?).

Für mich war es bis auf die infernalisch bullernde Heizung trotz aller Gleichgültigkeit um mich herum ein toller Abend, Wucans Kräuterrock macht rundum Laune und geht in Beine und Nacken, wenn man auch nur ansatzweise was mit der Musik der späten Sechziger und frühen Siebziger anfangen kann. Sundog haben einen sehr guten Eindruck hinterlassen und machen bestimmt noch mehr von sich reden.

:mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch: für die musikalische und künstlerische Leistung, Publikumsreaktionen ohne Wertung

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