Dance!

Zum heutigen Konzertabend im Backstage Werk laden erfahrene Musiker ein, die ihre Fans oftmals bei ihren Konzerten in der Stammbesetzung von Diary of Dreams und Diorama begeisterten. Adrian Hates und Torben Wendt haben sich mit Coma Alliance ein zweites Electro-Standbein mit Elementen aus Trip Hop und Minimal Electro aufgebaut, im November letzten Jahres veröffentlichten sie ihr CD-Debüt. Als Support haben sie sich In Strict Confidence auf die Tour durch sieben deutsche und zwei russische Städte eingeladen. Diese können mittlerweile auf über 25 Jahre Electro-Bandgeschichte zurückblicken. Im Gepäck haben sie sicherlich auch Titel aus dem 2018 veröffentlichten Album Hate2love.
DSC_0879In Strict Confidence überraschen mich zehn Minuten vor dem offiziellen Beginn an der Garderobe, aber schon beim Intro wippen die Anstehenden im Takt mit, und die Menge vor der Bühne begrüßt die Musiker lautstark. Bei „My despair“ (2009) stehe ich an meinem gewohnten Platz, hinter mir ist ein Teil des Backstages abgehängt. Im mäßig gefüllten Werk lassen wir uns von den elektronischen Klängen mitreißen, die sauber abgestimmt zu hören sind. Dennis Ostermann gibt den perfekten Frontmann hinter seinem Programming-Computer, animiert zwischendrin das Publikum zum Klatschen und ist oftmals in Bewegung auf der Bühne. Nur die Quasten an seiner Fliegermütze geben mir Rätsel auf, aber gut, darauf kommt es ja nicht an (ich habe mir sagen lassen, das wäre eine Art Markenzeichen). „Kiss the shadow“ ist ein Song aus dem Jahr 2000, bei dessen Takt man einfach nur tanzen kann. Es ist wahrlich eine ISC-Zeitreise, auf der wir uns die nächsten 50 Minuten befinden. Bemerkenswert finde ich die im Hintergrund auf zwei Leinwänden gezeigten Videos zu den jeweiligen Songs, das sieht nach Choreografie und Fantasie aus. Jörg Schelte steht mit seinem Synthesizer dazwischen und liefert aus dem Hintergrund den passenden Sound. Mit „Mercy“ sind wir im Heute gelandet, der Titel ist mehr als hörens- und sehenswert. Während des Auftritts fällt auch immer wieder der Blick auf Haydee Sparks an der E-Gitarre, die später auch noch ihren großen Auftritt hat. „Set me free“ nimmt uns wieder mit zurück in die Vergangenheit, dazwischen gibt es nur knappe Überleitungen, umso mehr können wir uns dem Tanzen und Feiern hingeben. „Morpheus“ und „Engelsstaub“ folgen, Tempo, ein dichtes Maß an Electronic, mir wird warm. Das „Zauberschloss“ darf natürlich auch nicht fehlen, da werden Erinnerungen an frühere Clubabende wach. Der Versuch, sich danach zu verabschieden schlägt fehl, so schnell lassen wir In Strict Confidence nicht gehen, es folgt noch „Somebody else’s dream“, und Haydee darf wieder mal ihre Flügel mit den bunten Lichtern zu „Prediction“ präsentieren. Nach nicht ganz einer Stunde sind das Publikum und ich voll zufrieden, dementsprechend begeistert fällt die Verabschiedung aus. Das war wirklich eine mitreißende Show, mit Klängen aus der Vergangenheit und der Gegenwart, wir sind gut vorgewärmt für den Hauptact.

 

DSC_1026Nach einer flotten Umbaupause steht um kurz nach 21 Uhr Coma Alliance an. Das Bühnendebüt ist eigentlich kein Debüt, da es bereits 2016 Auftritte der Band gab, diese waren allerdings als unabhängige Konzerte von Diary of Dreams und Diorama mit wechselseitigen Gastauftritten konzipiert. Heute kann die Band nach der Veröffentlichung der CD Weapon of choice auf das über fünf Minuten lange „Unusal“ als Intro zurückgreifen. Mittlerweile hat sich die Publikumszahl erhöht, aber es ist immer noch luftig im hinteren Bereich. Zu Beginn sind Zura Nakamura an den elektronischen Reglern bzw. an der Gitarre (und Streicherbogen) sowie Max am Synthesizer größtenteils allein auf der Bühne. Zur Hälfte des Auftakts betritt Adrian Hates die Bühne, die Fans bereiten ihm einen umjubelten Empfang, ebenso wie Torben Wendt, der kurz danach dazukommt. Hates hat an diesem Abend die Nase etwas mehr vorn, was Performerqualitäten angeht. Seinen auffordernden Handbewegungen wird sofort gefolgt, die Menge klatscht, singt und geht mit, es herrscht eine großartige Konzertstimmung. Wendt kommt mir zurückhaltender vor, aber ich habe ihn auch noch nicht bei seinen Auftritten mit Diorama erlebt. Doch auch er weiß seine Fans in seiner Art zu beglücken und reißt alle anderen mit. Schon bei „Royd“ beweist das Publikum Textsicherheit und singt den Chorus lautstark mit, dazu wird getanzt und gefeiert wie auch bei der restlichen Setlist, die aus düsteren, abwechslungsreichen Songs mit volltönenden Electronic Beats von Coma Alliance, Diary of Dreams und Diorama besteht. Zu „Ignite“ (Diorama) legt sich Gitarrist Nakamura voll ins Zeug, es ist schön anzusehen, wie jemand so in der Musik aufgeht. Die Lava, die über die Leinwand im Hintergrund zu „Sepia“ läuft, hat etwas Magisches. Mit „Retaliation“ geht Hates mit uns zurück ins Jahr 1996, mit Gesten und Handbewegungen weiß er die Menge anzufeuern. Die Überleitungen sind ähnlich knapp wie beim Support. „Trembler“ (Coma Alliance) wirkt live gesungen von Adrian Hates noch besser und nimmt etwas das Tempo aus dem Geschehen, Torben folgt in der gleichen Gangart mit „Starfruit“ (Coma Alliance). Mit „Kein Mord“ (Diorama) entfacht der Diorama-Frontman einen gewaltigen Jubel, genauso begeisternd geht es weiter bis zum Duett von „Coma supreme“ (Coma Alliance), es kann einfach nur abgefeiert werden. Bei „Butterfly:Dance!“ (Diary of Dreams) überlässt Wendt seinem Mitstreiter die Bühne, begibt sich in den Graben und nimmt Kontakt mit den ersten Reihen auf, das ganze Werk singt wieder im Chorus mit. Danach beweisen die beiden Hauptakteure, wie viel Spaß es ihnen macht, zusammen auf der Bühne zu stehen. Bei „Child of entertainment (Diorama) ist Max voll in seinem Synthesizer-Element, man könnte meinen, er verschmilzt mit seinen Tasten. Mit dem großartigen „CA2“ (Coma Alliance) soll der Abend beendet werden, aber halt, so geht’s ja dann doch nicht. Coma Alliance werden noch zweimal zu Zugaben zurückgeklatscht, denn es ist klar: ohne „Traumtänzer“ geht heute keiner nach Hause. Dieses Mal singen Adrian Hates und Torben Wendt den Clubhit zusammen. Die Menge befindet sich noch im Chorus-Rausch zu „hast du noch nie gesehen, wie meine Augen glitzern?“, als Coma Alliance sich verabschieden, das Licht angeht und alles vorbei ist. Ein würdiger Abschluss eines fantastischen Abends, der um 23 Uhr nur Begeisterte zurücklässt.

Fazit: In Strict Confidence sind alte Hasen im Electro-Geschäft und extrem routiniert, aber das lassen sie sich nicht anmerken, sie waren die perfekten Einheizer für einen großartigen Dark-Wave-Electro-Hauptact. Dieser konnte nichts falsch machen mit seinem ausgewogenen Programm aus Songs von Coma Alliance, Diary of Dreams und Diorama. Besonders schön war es zu sehen, wie familiär und brüderlich die Stimmung auf der Bühne war, wie sehr es alle Beteiligten genossen, aus zwei Bands etwas Neues zu gestalten, ohne die jeweiligen musikalischen Hintergründe zu vernachlässigen. Die Licht- und Soundqualitäten waren sehr ausgewogen, das Publikum feierlustig und wurde dementsprechend bedient. Ein großartiger Abend mit Gleichgesinnten.

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Setlist In Strict Confidence:
Intro
My despair
Used and abused
Kiss the shadow
Forbidden fruit
Mercy
Seven lives
Set me free
Morpheus
Engelsstaub
Zauberschloss
Somebody else’s dream (Zugabe)
Prediction (Zugabe)

Setlist Coma Alliance:
Unusual
Royd
Decipher me (DoD)
Ignite (Diorama)
Endless nights (DoD)
Sepia
Retaliation (DoD)
Trembler
Starfruit
Son of a thief (DoD)
Kein Mord (Diorama)
Miracle
Coma supreme
Butterfly:Dance! (DoD)
Child of entertainment (Diorama)
Ca2
Her liquid arms (Diorama – Zugabe 1)
She (DoD – Zugabe 1)
Buttons (Zugabe 2)
Dark vibes (Zugabe 2)
Traumtänzer (DoD – Zugabe 2)

Bilder: torshammare

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