Triumphaler Tourauftakt

Mit Synthiepopkonzerten ist man in München ja leider nicht so verwöhnt, weshalb es auch wenig verwundert, dass das Backstage Werk zum Beginn der Greyscale-Tour von Camouflage proppenvoll ist. Die erste Platte seit neun Jahren, hoch in die deutschen Albumcharts eingestiegen, einige unverwüstliche Hits im Gepäck – da kann doch eigentlich nichts mehr schiefgehen für die deutschen Synthieveteranen, denen man gern eine nicht unwesentliche musikalische Nähe zu Depeche Mode unterstellt (was für die Fans aber unwichtig sein dürfte).

Bereits um kurz nach 19.00 Uhr ist das Backstage Werk durchaus respektabel gefüllt, und als um 20.00 Uhr das ungarische Duo Black Nail Cabaret auf die Bühne kommt, sollte man sich unbedingt einen guten Platz gesichert haben. Es wird voll!

Emese Árvai-Illés und Sophie Tarr spielen unterkühlten, düsteren Synth Noir, der von Emese mit dunkler, verführerischer Stimme vorgetragen wird. Ihre Bandkollegin Sophie Tarr an den Synthies bleibt leider ein wenig unauffällig und hält sich sehr zurück. Generell vermisse ich auch etwas mehr Interaktion mit dem Publikum als die überaus knappen Ansagen zwischen den Songs. Die kurze Spielzeit von nur etwas mehr als zwanzig Minuten trägt auch dazu bei, dass Black Nail Cabaret fast ein wenig an einem vorbeizugehen drohen – was allerdings ungerecht ist, denn die Musik ist wirklich gut. Vor allem der Vorabsong zum bald erscheinenden zweiten Album Harry me marry me bury me bite me, „Satisfaction“, ist ein echter Ohrwurm, der mich seit dem Auftritt treu begleitet.
Das Publikum ist zum großen Teil meiner Meinung und spendet viel Beifall für das Duo, das den allermeisten in der Halle vor diesem Abend sicher kein Begriff war. Ich werde Black Nail Cabaret auf jeden Fall im Auge behalten.

Nach kurzer Umbaupause entert das nächste Duo des Abends, Solar Fake, die Bühne, und sofort ist alles (aus meiner Sicht zumindest) gut.

Sven und André verschaffen mir mit ihrer Musik wie immer Instant-Glücksgefühle, Show und Ansagen sind wie gewohnt energisch und charmant, die Songauswahl ist ebenfalls sehr schön, nur die Spielzeit von vierzig Minuten ist definitiv zu kurz für eine Band, die sich in den letzten Jahren so eine große Fanbasis erspielt hat. Dementsprechend zackig werden Perlen wie „Face me“, „Here I stand“, „Where are you“ oder „Reset to default“ gespielt, doch immerhin ist Zeit für einen brandneuen Song. „Under Control“ klingt schon mal sehr vielversprechend, und die Vorfreude aufs neue Album steigt immens. Eine nette Geste der Band: Am Merch-Stand liegen Flyer aus, mit denen man sich via QR-Code oder Link den neuen Song kostenlos herunterladen kann.
Eine ihrer überaus gelungenen Coverversionen im Repertoire darf natürlich auch nicht fehlen, die von Sven folgendermaßen angekündigt wird: „Auch wenn ihr uns nicht kennt, das folgende Lied kennt ihr bestimmt – ‚Such a Shame’“. Und richtig, hier wird auch in den Ecken des Publikums mitgewippt, die mit Solar Fake sonst nicht so viel anfangen konnten.
Bis zum nächsten Auftritt, der dann gerne wieder länger ausfallen darf!

Um zwanzig vor zehn ertönt dann schließlich ein langes Sprechintro, während dem die Bandmitglieder von Camouflage nach und nach die noch dunkle Bühne betreten. Erste Jubelstürme im Publikum branden auf – ganz klar, die absolute Mehrheit des mittlerweile wirklich rappelvollen Werks ist heute wegen der Synthiepopurgesteine da. Sänger Marcus Meyn tritt als Letztes vors Mikrophon und lässt sich erst einmal gebührend feiern, begrüßt das Publikum sichtlich gerührt zu diesem großartigen Tourauftakt und startet dann gleich in den ersten Song, „Laughing“, auf den ein bunter Querschnitt durch die Bandhistorie folgt, natürlich mit Schwerpunkt auf dem neuen Album. Ich gestehe, ich bin mit den meisten Camouflage-Sachen nicht so vertraut, weshalb für mich einige unbekannte Lieder dabei sind, die meiner Meinung nach auch gerade im Mittelteil des Sets nicht immer perfekt ausgewählt sind. Es gibt deutliche Längen, wo etwas temporeichere Lieder besser gewesen wären, zumal vergeht auch zwischen den einzelnen Songs immer unverhältnismäßig lange Zeit.

Ich bin mit diesem Eindruck aber wohl in der Minderzahl, das Publikum feiert gnadenlos alles ab und wiegt sich bei den getragenen Liedern selig mit geschlossenen Augen zur Musik. Camouflage bieten auf der Bühne eine sehr gute Show mit passend ausgewählten Videoeinspielungen und schönen Lichteffekten, es herrscht eine familiär-entspannte Atmosphäre, und die Musiker freuen sich sichtlich, auch nach längerer Albumpause so bejubelt zu werden.
Den absoluten Höhepunkt erreicht die Stimmung dann beim Zugabenblock, in dem unter anderem die aktuelle Single „Shine“ und die Überhits „The great Commandment“ und „Love is a shield“ dargeboten werden. Überall wird getanzt, die Lieder der Jugendzeit zelebriert, und der Sänger wird kurzerhand vom Publikum entmachtet.
Nach etwas über anderhalb Stunden Konzert sind dann alle ein wenig erschöpft, aber sehr glücklich, und strömen langsam zum Ausgang.

Fazit: Insgesamt ein runder, schöner Synthieabend, auch wenn ich persönlich wegen Solar Fake dort war und mir Camouflage eher mit wohlwollendem Interesse angeschaut habe. Folgerichtig waren für mich dann auch ein paar Längen im Programm, aber das Wichtigste ist ja, dass der Auftritt den zahlreichen Fans gefallen hat, und daran gibt es keinen Zweifel. Camouflage werden auf ihrer Tour sicher noch viele Leute begeistern, einige der noch folgenden Deutschlandkonzerte sind bereits ausverkauft!

:mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch2:

Camouflage Setlist:
1. Laughing
2. Passing by
3. Count on me
4. That smiling Face
5. If …
6. In the Cloud
7. I’ll follow behind
8. We are Lovers
9. Leave your Room behind
10. End of Words
11. Suspicious Love
12. Close
13. Handsome
14. Me and you
15. Misery

16. You turn
17. Shine
18. The great Commandment

19. Love is a Shield

Black Nail Cabaret:

Solar Fake:

Camouflage

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