Schweiß, Emotionen und ganz viel Glück

Schlag auf Schlag geht es bei Pristine, (Nord-)Norwegens feinstem Export in Sachen Blues, Soul, Rock’n’Roll und ganz viel Leidenschaft. Erst vor einem Jahr war die Truppe um Bandchefin Heidi Solheim im Backstage, damals noch mit dem auch noch sehr frischen Album Ninja im Gepäck, jetzt dürfen wir uns schon wieder auf einen schweißtreibenden Abend freuen – wieder mit neuer Musik. Seit kurzem erst ist Road back to ruin veröffentlicht und hat schon – völlig zu Recht – eine Menge großartiger Kritiken eingeheimst. An der Live-Tauglichkeit besteht auch kein Zweifel, und so mache ich mich sehr, sehr freudig auf den Weg ins Backstage. Mit dabei sind heute entgegen der sich schon etablierten Tradition nicht The Legendary, sondern eine andere Münchner Band, Ni Sala, die Pristine auf der der Hälfte der Deutschland-Tour begleitet.

DSC6493Der Backstage Club füllt sich eher zäh, sodass der für acht Uhr angesetzte Beginn kurzerhand ein wenig nach hinten verschoben wird, bis dann doch mal eine recht ansehnliche Menge Leute da ist. Ni Sala eröffnen ihr Set vor diversen Fans, man hat sich in der Münchner Szene durch große Live-Präsenz in den letzten Jahren einen sehr guten Namen gemacht. Das Quartett spielt Rock mit Psychedelic-Schlagseite, aber auch ordentlich Rotz, ich höre ein bisschen Grunge/Alternative heraus und ganz viel Groove. Eigentlich ab den ersten Tönen spielt sich die Band in einen wahren Rausch, das Publikum geht super mit, und Songs wie „Flabbergasted“ oder „Golden“ machen da schon richtig Spaß. Sänger Robert geht völlig in der Musik auf, nützt den nicht vorhandenen Platz auf der Bühne trotzdem aus, und Alex, Arthur und Daniel stehen dem in nichts nach. Nach der Ansage, wie viel Bock man doch habe, an diesem Abend vor so vielen bekannten Gesichtern zu spielen, gibt es den ersten veröffentlichen Song zu hören, „Better walk“, der wohl durch den Einsatz im Fernsehen eine gewisse Bekanntheit erlangt hatte – ich lebe seit über zwanzig Jahren ohne Flimmerkiste und muss hier mein Unwissen eingestehen. Der Song rockt aber jedenfalls hervorragend, wobei mir das nachfolgende, sehr eindringliche „Susie Allen“ noch etwas besser gefällt. Energisch geht es mit „Kind of“ weiter, zwischendurch steuert Sänger Robert an den hinter ihm aufgestellten Trommeln noch ordentlich Rhythmus bei, Arthur zeigt, was er aus seinem Bass alles rausholen kann, und bei „Shake“ geben alle noch mal richtig Gas. Das Publikum ist damit hervorragend angeheizt und hat sich schon ordentlich eingetanzt, und Ni Sala haben das Heimspiel definitiv gerockt.

DSC6619Das Warten auf Pristine zieht sich dann allerdings ein wenig, sodass ich mir die Bühne genauer ansehe. Als Erstes fällt die fehlende Hammond-Orgel auf – ist die Band etwa ohne Verstärkung an den Tasten unterwegs? Das kann doch nicht sein. Zum Glück wird dann bald eine elektronische Orgel aufgebaut, ich bin erleichtert. Dann wandert mein Blick nach links, wo Gitarrist Espen immer seine beeindruckende Auswahl an Instrumenten aufbaut – auch hier ist heute einiges anders: Zum einen sehe ich viel weniger Gitarren, zum anderen hat sich Espen ordentlich verändert – er ist es auch nicht, sondern wird von Christoffer Nicolai Mathisen vertreten (der die Band schon bei der Tour mit den Blues Pills verstärkt hat, wie mir Heidi nach dem Konzert verrät). Nach einem fast schon Covenant-verdächtigen langen Intro kommen die fünf Musiker schließlich unter großem Jubel auf die Bühne, nicht nur ich kann es kaum erwarten, endlich wieder eine ordentliche Portion Blues’n’Rock um die Ohren gehauen zu bekommen. Die Orgel besetzt heute/bei dieser Tour Stine Maren Steien, und ich bin schon sehr gespannt auf ihren Beitrag. Irgendetwas Neues muss ich ja auch schreiben, denn bei meinem vierten Pristine-Konzert ist mir schon ab der ersten Sekunde, in der Heidi mit Schellenring und fliegenden roten Haaren über die Bühne wirbelt, klar, dass ich meine Lobeshymnen aus den letzten Berichten auch einfach abschreiben könnte. Die Musiker: allesamt studiert und hochklassig. Die Musik: verkörpert perfekt den Spirit vergangener Jahrzehnte und klingt trotzdem frisch. Die Bühnenshow: Schweiß, Baby! Die Stimme: Oh, ja, die Stimme!
Aber es gibt ja trotzdem immer noch viel zu erzählen, nämlich dass „Pioneer“ vom aktuellen Album Road back to ruin ein ganz hervorragender Eröffnungssong ist, und der gleichnamige Titelsong auch super live funktioniert. „All of my love“ kennt man (und ja, das Publikum ist sehr männlich und hat sicher auch einige musikalische Vorbilder von Pristine noch live miterlebt), bei diesem Uptempo-Rocker bleibt so gut wie niemand stehen, ich versuche, Heidi mit der Kamera einzufangen oder zumindest ein paar rote Haarspitzen. Unglaublich, was diese Frau für eine Energie freisetzt! „The sober“ ist ein wenig zahmer, kommt aber perfekt auf den Punkt, und Christoffer verzaubert mit seinen Gitarrenriffs. Danach bedankt sich Heidi überwältigt beim Publikum für die Begeisterung und bittet uns, nach dem Konzert doch zum Merch-Stand zu kommen, „we’re sweaty, but we love to hug!“ Die kurze Pause vom Vollgas-Rock ist ein guter Übergang zum Groove-Monster „Bluebird“, das mit seinen schweren Riffs und der wunderbaren Orgel von Stine sofort in Nacken und Füße geht. Die hypnotische Zeile „Eye for an eye“ werde ich so schnell nicht mehr aus dem Kopf bekommen. „Cause and effect“ muss die Band zwar ohne Orchesterbegleitung wie auf Platte vortragen, doch da erst Heidi zusammen mit Gustav am Bass eindringlich den Song anstimmt und die anderen nach und nach einsetzen, ist auch so für wiederholte Gänsehaut gesorgt. Einer der Königssongs des neuen Albums! „Landslide“ rockt dafür wieder höllisch los und wird von einem schicken Drum-Solo von Ottar gekrönt. Keinen Deut langsamer geht es mit „Dead end“ weiter, das hier ist Rock’n’Roll pur. Erwähnte ich schon die Energie, die Heidi unaufhörlich freisetzt? Aber auch wenn sie der unbestrittene Mittelpunkt der Show ist, agiert hier eine perfekt aufeinander eingespielte Band auf der Bühne. Wirklich großartig! Das schon von der letzten Tour bekannte „Sinnerman“ kündigt Heidi folgendermaßen an: „Getting in your car, driving as fast as you can. Leaving all the shit behind. Look towards the future.“ Wer möchte das nicht, den ganzen Alltagsrotz hinter sich lassen und in ein schönes Leben aufbrechen. Auch der „Rebel song“, der allen starken und unabhängigen Frauen gewidmet ist, verkörpert dieses Aufbäumen, das wunderbar von Christoffers Gitarrensolo transportiert wird, während sich Gustav am Bass geradezu in Ekstase spielt (der überhaupt mehr aus sich herausgeht als noch auf den letzten Touren). Eine kleine Überraschung ist der Lieblingssong der Band, den Heidi uns widmet: „Fire“ von Jimi Hendrix, den die Band wie als einen ihrer eigenen Songs darbietet und bei dem wirklich niemand mehr stillsteht.
Sehr emotional wird es dagegen bei dem wunderschönen und tieftraurigen „Aurora skies“, zu dem Heidi von ihrer nordnorwegischen Heimat erzählt und den tiefen Gefühlen, die sie dort verarbeitet. Von der absoluten Dunkelheit und Stille, in der sie dann sitzt und zum Beispiel ein schmerzendes Herz kurieren muss. „You can’t breathe, you can’t eat, you don’t recognise yourself“ – wir kennen das alle. Daraus wurde „Aurora skies“, das nicht nur Heidi zum Weinen bringt, weil es so wunderschön und so intensiv ist. Bevor uns zu blümerant wird, kommt aber zum Glück die gute alte Flasche mit dem Stock zum Einsatz, mit dem Heidi „Derek“ eintrommelt – immer wieder ein großer Spaß und ein großartiges Show-Element. Mittlerweile ist nicht nur die Band schweißüberströmt, aber wir geben noch mal alles. Ein tolles Finale eines noch tolleren Konzerts – das aber natürlich noch nicht zu Ende ist. In der Zugabe schwelgen wir im alten „No regret“ (die Doppelhalsgitarre!!), das gleich die nächste Gänsehaut und feuchte Augenwinkel verursacht, und „Bootie call“, das wie gewohnt unglaublich Dampf macht. Danach kann eigentlich nichts mehr kommen, die Band verabschiedet sich überglücklich unter tosendem Jubel – und dann kommt Heidi doch noch mal allein auf die Bühne zurück. „Your song“ vom aktuellen Album will sie uns als Weltpremiere auf Deutsch präsentieren. Ein wenig nervös trägt sie das Lied vor, begleitet sich selbst auf der Gitarre, und es ist … großartig. Eine gelungene Überraschung und ein sehr persönliches Geschenk an die Fans. Tusen takk!

Danach scharen sich die Massen um den Merch-Stand, lassen sich kiloweise Platten und CDs von den fünf Bandmitgliedern unterschreiben, was diese natürlich sehr geduldig und mit vielen netten Worten machen, und nutzen die Zeit für ein kleines Schwätzchen. Ein – wie nicht anders zu erwarten – wirklich großartiger Abend geht zu Ende, in dem wir in Emotionen, Rock’n’Roll und ganz, ganz vielen Glücksgefühlen baden konnten. Die Neuzugänge/Vertretungen Stine und Christoffer passen hervorragend ins Bandgefüge, und vor allem Stine hat mich mit ihrem Spiel (und auch gelegentlichen Beiträgen an Schellenring und Trommelflasche) extrem begeistert. Ein Konzerterlebnis, das – mal wieder – sehr lange bei mir nachwirkt und bei dem für mich alles gepasst hat.
Ni Sala waren mir bisher unbekannt, doch dank ihres ebenfalls sehr leidenschaftlichen und professionellen Auftritts, der den Club hervorragend gerockt hat, behalte ich die Band definitiv auf dem Schirm.

:mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch:

Setlist:
1. Pioneer
2. Road back to ruin
3. All of my love
4. The sober
5. Bluebird
6. Cause and effect
7. Landslide
8. Dead end
9. Sinnerman
10. Rebel song
11. Fire (Jimi-Hendrix-Cover)
12. Aurora skies
13. Derek

14. No regret
15. Bootie call

16. Your song

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2 Kommentare

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  1. […] Together with the Munich-based Ni Sala the wonderful Pristine from Norway played an awesome gig at the Backstage Club. Read about it at Schwarzes Bayern! […]

  2. […] waren die wunderbaren Pristine aus Norwegen im Münchner Backstage. Ich habe berichtet (bei Schwarzes Bayern) und […]

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