Folk-Punk lockt die Massen

Als es hieß, die Dropkick Murphys kommen nach München, versprach das ein Abend voller Energie, Geschwindigkeit und Irish Folk zu werden, also ganz nach meinem Geschmack. Und nicht nur ich war in Vorfreude auf das Konzert: Die aus Boston stammende US-Band schaffte es, bereits viele Wochen vor dem Termin ein ausverkauftes Zenith zu vermelden, und immerhin passen 6.000 Menschen in diese riesige Halle. Was würden da für Menschen kommen? Diese Frage wurde mir bereits in der U-Bahn bei der Anfahrt beantwortet: wenig „schwarzes“ dafür sehr buntes und bunt gemischtes Volk – und sehr, sehr viele, bereits jetzt schon stark alkoholisierte Chaoten. Na, das konnte ja heiter werden!

In der Halle war der vordere Bereich durch einen Wellenbrecher abgetrennt worden, und nur wer zu den ersten 1.000 Besuchern gehörte, wurde in diesen vorderen Bereich hineingelassen. Dort ließ es sich gut aushalten, rechts und links von der Bühne war genug Platz, so dass man tanzen, gut auf die Bühne sehen oder auch einfach mal dem Gewühl aus dem Weg gehen konnte. Was sich später hinter dem Wellenbrecher abspielte war allerdings nicht wirklich lustig, alles drängte nach vorne, Getränke waren kaum zu bekommen, weil man sich nur schwer durch die Menschenmassen quälen konnte, und all das gekrönt von alkoholisierten Chaoten. Überhaupt hatte ich bei vielen Besuchern den Eindruck, es würde ihnen weder um die Musik noch um die Band im Speziellen gehen, sondern einfach nur um einen Anlass, „die Sau rauszulassen“, so ähnlich wie Hooligans beim Fußball, denen es auch nicht um das Spiel geht.

Soviel zu den Rahmenbedingungen, nun zum eigentlichen Thema, der Musik.

Pünktlich um 20 Uhr begann der Abend mit dem Singer/Songwriter Bryan McPherson. Der ebenfalls aus Boston stammende Amerikaner kam alleine mit seiner Gitarre und wirkte dabei ziemlich verloren auf der riesigen Bühne. Und seine von sozialkritischen und politischen Texten geprägte Musik, die eher in einen gemütlichen Irish Pub passt, war viel zu langsam für ein vorgeglühtes Folk-Punk-Publikum. Wenn überhaupt war ein müdes Mitwippen zu beobachten, die meisten Besucher ließen sich nicht groß in ihren Gesprächen stören oder auch im Anheben ihres Alkohol-Pegels.

 

 

Nach einer knappen halben Stunde verabschiedete sich der Sänger und machte Platz für den nächsten Act, Blood or Whiskey, die nur wenige Minuten später die Bühne betraten. Bei dieser irischen Folk-Punk-Band ging dann zum ersten Mal an diesem Abend richtig was ab auf der Bühne, sehr lustig anzusehen und sehr ansteckend. Vor allem Sänger und Frontmann Dugs Mulhooly rannte wie ein Wiesel über die große Bühne, machte Luftsprünge und animierte das Publikum (mehr oder weniger erfolgreich) zu mehr Aktivität. Zumindest die Band hatte richtig Spaß! Aber auch das Publikum erwachte ein bisschen aus seiner Lethargie, denn zu diesem Zeitpunkt wurden bereits die ersten Platzwunden des Abends behandelt. Die vielen Sanitäter in der Halle hatten jedenfalls ordentlich zu tun.

Im Anschluss gab es mit The Mahones noch einen weiteren Support-Act. Auch die Kanadier haben sich dem Folk-Punk (oder Punk-Folk?) verschrieben, und auch hier war Einiges auf der Bühne geboten. Allem voran Katie “Kaboom” McConnell, die in knappem Outfit mit ganzem Körpereinsatz auf ihrem Akkordeon zu spielen wusste. Ein aufregender Anblick – nicht nur für die Männer im Saal, auch Frau hatte da gerne hingesehen. Aber auch musikalisch hinterließ die Band einen guten Eindruck bei mir, in einem kleineren Club auf etwas kleinerer Bühne mit besserem Publikum kann ich mir durchaus vorstellen, dass sie die Halle zum Beben bringen können.

 

Ja und dann war es endlich soweit: Gegen 22.15 Uhr wurde der Vorhang entfernt, der nun den Blick auf den kompletten Bühnen-Aufbau und das erhöhte Schlagzeug frei gab, und die Headliner betraten die Halle. Sofort bebte das Zenith, endlich waren alle Zuschauer hellwach und hatten Lust zu springen, zu tanzen und die Murphys zu feiern. Und dazu sollten sie dann auch viel Gelegenheit haben, die Setlist umfasste ganze 28 Songs, die allerdings in ca. 90 Minuten unterzubringen waren, und so hieß es keine Zeit zu verlieren. Sänger Al Barr liebt anscheinend das Spiel mit dem Publikum und verbrachte zeitweilig mehr Zeit auf der Absperrung als auf der Bühne. Das natürlich sehr zum Gefallen der ersten Reihen, weniger der Security, über die man nebenbei bemerkt viel Negatives hörte an diesem Abend. Aber auch der Frontmann selber kam bei mir nicht sehr gut an. Hatte er nur einen schlechten Tag oder hält er sich für den großen Superstar? Knurrig sprang er zwischen Bühne und Absperrung hin und her, Platz da, hier komm ich! Ich fand ihn unsympathisch. Und überhaupt fehlte mir das gewisse Etwas bei diesem Konzert. Lag es nur an der großen, kalten Halle? Jedenfalls wurde ich nicht wirklich warm mit der Band. Aber in späteren Gesprächen und aus Facebook Einträgen erfuhr ich, dass es nicht nur mir so ging, viele waren der Meinung, vor zwei Jahren wären die Murphys besser gewesen. Aber ich bin mir sicher, dass die meisten Besucher trotzdem ihren Spaß hatten, denn ihnen war es vermutlich egal, wer da auf der Bühne stand, Hauptsache Mosh und Bier.

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Gegen Mitternacht war dann der Spuk zu Ende, und trotz vieler Stunden mit toller Musik blieb die Erkenntnis, dass ich das Zenith noch immer nicht mag, dass dort die mieseste Security der Stadt zu finden ist, und dass mir die Auftritte kleinerer Folk-Bands in kleineren Hallen wesentlich lieber sind, als die der „Superstars“.

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