Düsterschöne Zeitreise

Allzu oft sieht man Pink Turns Blue ja nicht auf deutschen Bühnen, weshalb das Alte Landratsamt auf dem diesjährigen WGT beim Auftritt der alten Heroen schier aus allen Nähten platzte und eine meterlange Schlange vor dem Einlass bei für Pfingsten arktischen Temperaturen vergebens bibberte. Wer es in den Saal geschafft hatte, starb allerdings den Hitze- und Luftmangeltod und hatte speziell in den hinteren Reihen nicht ganz so viel von dem Konzert. Ich musste aus diesen Gründen auch tatsächlich früher gehen, was mich sehr geärgert hat. Umso erfreuter war ich dann, als ich erfuhr, dass PTB im Herbst eine kleine Tour durch Deutschland absolvieren würden. Bei einigen Gigs haben sie eine Vorband dabei, in München nicht, das Ganze findet im Rahmen der sehr empfehlenswerten Sacred-Bones-Party von DJ Frankit statt. Ein kleiner Raum, keine Vorband – direkter kann ein Konzert wohl kaum sein. Eine erfreulich große Menge an Zuschauern findet sich daher auch an diesem Samstag im Orangehouse ein und harrt ungeduldig der Dinge.

DSC_0284Punkt elf gehen dann auch die Lichter aus, Mic Jogwer (Gesang, Gitarre), Ruebi Walter (Bass) und Paul Richter (Drums) betreten die nur mit einem Backdrop geschmückte Bühne, das das Cover des aktuellen, hochgelobten Albums The Aerdt – Untold Stories zeigt. Mit dem Eröffnungstrack der Scheibe, „Something deep inside“, beginnt das Konzert auch, ein echter Ohrwurm, der zeitlos und gleichzeitig sehr schön frisch klingt. „Dirt“ präsentiert als zweiter Song das neue Album und frisst sich ebenfalls im Ohr fest. Die Songauswahl konzentriert sich naturgemäß auch weiterhin auf den aktuellen Longplayer, allerdings zum Entzücken der Zuschauer auch auf die erste Scheibe aus dem Jahr 1987 If two Worlds kiss. Neben neuen Perlen wie „The Clown“ mit seinem markanten Ska-Intro gibt es den Klassiker „Walking on both Sides“ zu hören, außerdem „I coldly stare out“, „After all“ oder „Missing you“ – Gänsehaut ist garantiert! Mic Jogwer und seine Mitstreiter präsentieren ihre Reise durch das eigene musikalische Schaffen abgeklärt, fast ein wenig schüchtern und sehr unprätentiös. Worte sind überflüssig, allein ein paar Songs werden angesagt, sonst lässt das Trio allein die Musik für sich sprechen. Und das reicht auch – alle Anwesenden lassen sich nur zu gern in die bekannten und weniger bekannten Songs fallen, reisen zurück in die eigene gothische Vergangenheit. „Here is to you my Love“ und „Tomorrow never comes“ reihen sich perfekt in die alten Klassiker ein und sind ein weiterer Beweis, wie gut PTB zeitlose Musik schreiben und sich treu bleiben können, ohne auch nur eine Sekunde langweilig zu werden.
DSC_0274Besonders freut mich, dass „Michelle“ im ersten Zugabenblock gespielt wird – aber in einer etwas veränderten, noch reduzierteren Version, die mir ausnehmend gut gefällt und damit auch nicht einfach nur den alten Clubhit aufwärmt. Toll! Die Reaktionen des Publikums sind allerdings recht verhalten – woran liegt’s?
Nach über anderthalb Stunden Spielzeit und dem abschließenden „If two Worlds kiss“ endet dieser Konzertabend, Pink Turns Blue verlassen die Bühne genauso beiläufig, wie sie sie betreten haben. Ein wirklich schöner Auftritt einer Band, die mich mit Unterbrechungen seit bald fünfundzwanzig Jahren begleitet, die ich aber bis zu diesem Jahr noch nie live gesehen hatte. So muss Gothic klingen, düster, melancholisch, wunderschön.

 

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Setlist:
1. Something deep inside
2. Dirt
3. Walk away
4. Walking on both sides
5. Give me your Beauty
6. The Clown
7. I coldly stare out
8. After all
9. When it rains
10. Missing you
11. Here is to you my Love
12. Tomorrow never comes
13. State of Mind
14. Can’t be Love
15. Your Master is callling
16. A Moment sometimes
17. Michelle
18. If two Worlds kiss

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