Myrkriđ kallar – Dunkelheit ruft

Drab Majesty und Kælan Mikla, diese Kombination lockt erstaunlich viele Menschen an einem Sonntagabend ins Milla. Was noch erstaunlicher ist: Ich habe in München beim Weggehen schon lange nicht mehr so viele herausgeputzte Schwarzkittel gesehen. Schön zu wissen, dass die Gothen hierzulande doch noch nicht ausgestorben sind. Da fühlt man sich direkt in die gute alte Zeit zurückversetzt, wozu auch der gewölbeartige Bühnenaufbau im Milla beiträgt. Kurz nach acht ist es noch recht übersichtlich, füllt sich aber schnell, da niemand die für halb neun angesetzten Isländerinnen verpassen will, die dann um neun auch endlich loslegen.

P1070534_SWSólveig Matthildur Kristjánsdottir am Keyboard spricht das Intro, begleitet von Margrét Rósa Dóru-Harrysdóttir am Bass. Währenddessen entzündet Sängerin Laufey Soffia diverse Räucherstäbchen, die in Bierflaschen, alten Teekannen, Vasen und dergleichen auf der Bühne verteilt sind. Sólveig und Margrét tragen beide einen scheinbar identischen schwarzen Samt-Hosenanzug, Laufey ein ungewöhnliches schwarzes Oberteil, bei dem sich eine Kette vom Hals herab und dann einmal um den Körper schlängelt. Schließlich beginnen sie mit „Sýnir“ vom selbstbetitelten Debütalbum Kælan Mikla. Die Atmosphäre nimmt einen sofort gefangen. Die drei stehen in einer massiven Nebelwand und werden von hinten angestrahlt, sodass man eigentlich nur schwarze Silhouetten ausmachen kann. Der Platz auf der Bühne im Milla ist begrenzt, für Kælan Mikla jedoch ideal, da sie vom Gewölbe quasi eingerahmt werden. „Hvernig kemst ég upp“ ist der zweite Song, der bislang nur auf der ersten Myrkfælni-Compilation des gleichnamigen isländischen Underground-Labels erschienen ist. Leider wird langsam klar, dass Laufeys Gesang heute ein bisschen leise ist. Teilweise steht sie wohl zu weit vom Mikrofon weg, das ohnehin sehr hoch angebracht ist, sie muss etwas auf den Zehenspitzen stehen, um wirklich heranzukommen. Dafür wird das folgende „Nornalagiđ“ von Bassistin Margrét als zweite Stimme unterstützt und bietet wohl einen Ausblick auf das hoffentlich bald erscheinende neue Album. Immer wieder macht Laufey ein paar Schritte zurück, denn auf der Treppe im Hintergrund wurde der Auslöser für den Nebel platziert. Das folgende „Myrkriđ kallar“ wird natürlich begeistert aufgenommen, die Dunkelheit ruft, und wir sind bereit zu folgen. Aber mehr noch fasziniert mich das heute sehr basslastig gespielte „Upphaf“, es drängen noch extra Tänzer nach vorn. Margrét wirkt mit ihrem expressiven Stil, wie sie mit dem Bass agiert, fast so als wäre sie dabei in Trance. Der Applaus fällt dementsprechend besonders laut aus. „Kalt“ klingt heute wärmer als auf dem Album, entführt einen aber trotzdem gedanklich in die isländischen Weiten. Bei dem aus der Anfangsphase stammenden „Mánadans“ wird überraschend zeitweise ein Stroboskop eingesetzt, was aber im Nebel einen schönen schwarz-weiß Effekt erzielt. Es folgt das schöne „Órád“, bevor bei „Draumadís“ Sólveig als zweite Stimme hinzukommt, aber natürlich nicht ohne weiterhin hinter ihrem Keyboard zu tanzen. Etwas verspätet begrüßt Laufey vor „Andvaka“, einem weiteren neuen Song, das Publikum: „Thank you, we are Kælan Mikla!“ Der Song wird wieder durch zuckende Stroboskop-Blitze untermalt, und stellenweise singt Laufey kniend am Boden und nutzt dabei die Gelegenheit, sich am Rotwein zu stärken. Sólveig singt nun den nächsten Song an, doch leider gibt es dann ein Technikproblem mit dem Synthie, das scheinbar nicht so ohne weiteres behoben werden kann. Es wäre ohnehin das letzte Lied, somit bedankt sich Margrét schließlich einfach beim Publikum: „Thank you for coming, this has been our last song.“ Schade, denn eine dreiviertel Stunde ist eigentlich zu kurz, und eine eventuelle Zugabe fällt somit zwangsweise auch aus. Trotzdem gibt es natürlich den gebührenden Applaus. Beim Abbauen der Instrumente will ein weiblicher Fan die Setlist stibitzen, doch Sólveig hält sie auf: „Sorry, we need that!“, denn der Zettel beinhaltet ihre Notizen bezüglich der Sounds, die zu den Titeln von ihr eingespielt werden.

P1070769Drab Majesty erledigen den Bühnenumbau schnell selbst, dennoch dauert es eine halbe Stunde, bis es endlich weitergeht. Die Zeit haben sie für eine Radikalveränderung gebraucht. Zur schwarzen Stretch-Jeans tragen Deb DeMure und Live-Keyboarder Mona D nun beide weiße Biker-Lederjacken im Ramones-Stil und blonde Perücken, dazu sind die Gesichter weiß geschminkt und die Augen von einer großen schwarzen Sonnenbrille verdeckt, außerdem sind beide mit einem Rotweinglas ausgerüstet. Klone aus irgendeinem Endzeit-Science-Fiction-Film kommen mir wegen der Optik in den Sinn. Beim Intro stehen sie steif da und wirken so wie Roboter, die erst noch aktiviert werden müssen. Zum Glück kommt der richtige Impuls, und das Konzert kann beginnen. Das erste Stück ist sehr poppig angelegt, was grundsätzlich schon okay ist. Aber im direkten Vergleich zum eben Erlebten taugt mir das heute leider gar nicht, weil es einen schlagartig aus der melancholischen Stimmung reißt. Dafür bringt es einige andere direkt in Tanzlaune. Nach einem ewig langen Intro wird der Sound beim zweiten Song endlich düsterer, allerdings ist die Stimme unklar und geht ein bisschen im Sound unter. Aber zumindest ein Fan singt leidenschaftlich mit. Beim nächsten Track schraubt Keyboarder Mona D mit der rechten Hand extatisch an den Reglern herum, während die linke hoch über dem Kopf verharrt. Als die Schlagzeugsounds einsetzen rockt es richtig, leider bleibt die Stimme verwaschen. Nun folgt eine wavige Nummer, und der Gesang kommt nun endlich besser zur Geltung. Der nächste Song beginnt, doch Deb DeMure scheint irgendwie unzufrieden mit seinem Gitarrensound zu sein, und so flüstert er seinem Kollegen etwas ins Ohr und verschwindet die Treppe rauf im Backstagebereich. Der spielt nun das Intro in einer Endlosschleife, bis Deb endlich mit einer Klemme für den Gitarrenhals zurückkommt. Nun stimmt der Klang, und trotz Brille bemerkt man den zufriedenen Gesichtsausdruck. Mittlerweile sind wirklich viele am Tanzen oder wippen zumindest mit dem Kopf, auch die Mitglieder von Kælan Mikla kann ich im Publikum ausmachen. Deb DeMure scheinbar auch, denn er bedankt sich nicht nur beim Publikum, sondern auch bei den Isländerinnen: „Thank you for opening for us tonight!“ Viel Nebel untermalt das nächste Stück, das zur Abwechslung zweistimmig vorgetragen wird. Es folgt ein mehrere Minuten langes Intro, gegen dessen Ende hin Deb im Rhythmus schwer atmet, bis er sich symbolisch die Gurgel durchschneidet und der eigentliche Song beginnt, im Refrain wieder zweistimmig. Das Licht erlischt nun komplett, dafür trägt er eine kleine Leuchte um den Hals, die für Effekte bei diesem ruhigen und atmosphärischen Song sorgt. Damit endet das Set, doch dank des Beifalls kommen Drab Majesty natürlich noch einmal für eine Zugabe zurück.
Leider liegt keine Setlist aus, denn außer dem Konzert auf dem letztjährigen WGT bin ich mit der Musik von Drab Majesty nicht vertraut. Aber im Vergleich hat mir der WGT-Auftritt besser gefallen. Die meisten Songs werden aber wohl vom aktuellen Album The Demonstration stammen.

Fazit: Die Atmosphäre ist heute bei Kælan Mikla toll. Dunkel, viel Nebel und Räucherstäbchen, optisch ein gelungener Auftritt, der die Musik der Isländerinnen bestens unterstreicht. Aber vom Sound her hat mir der Gig im Kafe Marat letztes Jahr (Link zur Review) besser gefallen. Drab Majesty im Anschluss sind auch nicht schlecht, können mich persönlich heute allerdings insgesamt nicht wirklich mitreißen, im Gegensatz zu den anwesenden Fans.

:mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch2:

Setlist Kælan Mikla:
Sýnir
Hvernig kemst ég upp
Nornalagiđ
Myrkriđ kallar
Upphaf
Kalt
Mánadans
Órád
Draumadís
Andvaka

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