Emotionen á íslenzku

Deutschland, Japan und Island – drei Bands, drei vollkommen verschiedene Länder, drei musikalische Interpretationen von Introvertiertheit. Das verspricht ein spannender Abend zu werden, denn gerade Island, das Land der hinreißend verschrobenen Regisseure, mit der größten Verlagsdichte in Relation zur Einwohnerzahl, der einmaligen Landschaft, bringt immer wieder hochkarätige Musiker mit ihrem ganz eigenen Stil hervor. Sólstafir begannen ihre Karriere als Black-Metal-Band, haben sich jedoch schon bald anderen Einflüssen geöffnet und über die Jahre etwas erschaffen, das schwer in Worte zu fassen ist. Isländischer Postrock-Metal vielleicht? Egal, was es ist, es ist faszinierend, und das haben seit dem aktuellen Album Ótta auch immer mehr Menschen begriffen. Dementsprechend voll ist das Backstage Werk am heutigen Abend. Begleitet werden Sólstafir von den Deutschen The Ocean und den Japanern Mono, auf die ich besonders gespannt bin.

dsc_9164Pünktlich um halb neun entern The Ocean die Bühne, auch wenn man sie wegen dichten Nebels und quasi null Beleuchtung nur schemenhaft erkennen kann. Besser werden die Lichtverhältnisse während des gesamten Auftritts leider nicht, doch die Band liefert ein engagiertes Laut-Leise-Set ab, das die Fans vor der Bühne zu begeistern weiß. Überlange, sehr intensive Songs, die immer wieder neue Facetten aufweisen, ein Sänger, der sich die Seele aus dem Leib brüllt, und tonnenschwere, oft schleppende Emotionen. Erst der letzte Song, ein neuer Track, nimmt etwas Fahrt auf und geht mir ein wenig leichter ins Ohr. Keine einfache Kost, auf Dauer auch etwas anstrengend, aber die vielen nickenden Köpfe im Publikum und der jubelnde Beifall sprechen für sich. (Setlist)

dsc_9241Nach kurzer Umbaupause erscheint das japanische Quartett Mono und nimmt Platz hinter Drumkit, auf zwei Hockern bzw. am Bass und später hinter den Keyboards. Mono existieren seit 1999 in derselben Besetzung und spielen ausschließlich Instrumentalmusik. Gründer Takaakira Goto ist der musikalische und visuelle Mittelpunkt der Show, auf ihn sind die meisten Blicke gerichtet, wie er vollkommen in seiner Musik aufgeht, seiner Gitarre hauchzarte Töne entlockt und sich dann wieder zusammen mit Hideki Suematsu an der zweiten Gitarre, Tamaki Kunishi am Bass und Yasunori Takada an den Drums in wahre Lärmkaskaden hineinsteigern kann. Diese Ausbrüche sind allerdings eher in der Minderheit, leise, eindringliche Töne, wie Spinnweben im Herbstlicht, bestimmen den Auftritt (der leider auch beinahe im komplett Dunklen stattfindet). Tamaki wechselt von Zeit zu Zeit vom Bass hinter das Keyboard und an das Glockenspiel und setzt damit poetische Akzente. Wenn man mit dem Songmaterial nicht vertraut ist, hat die Instrumentalmusik zugegeben ein paar Längen, doch schaffen es Mono, eine wirklich rundum mitreißende Stimmung zu kreieren, in die man sich nur zu gern verliert, auch wenn man nur wenig vom umfassenden Backkatalog der Band kennt. Ein hervorragender, intensiver Auftritt, nach dem man sich erst einmal wieder in die Realität zurückholen muss. (Setlist)

dsc_9490Das ist auch gut so, denn Sólstafir lassen einem keine Chance, allzusehr in Phantasiewelten abzudriften – hier wird gerockt. Wie zu erwarten konzentrieren sich die Isländer bei der Songauswahl auf das aktuelle Album Ótta sowie auf den Vorgänger Svartir Sandar, „Dagmál“ eröffnet den Abend, und mit „Ljós i stormi“, „Ótta“, „Náttmál“ und dem bezaubernden „Fjara“ folgen noch vier weitere Songs, die beim Publikum wohlbekannt sind. Mit „Pale Rider“ und „Goddess of the Ages“ geht man sogar bis zum dritten Album Köld zurück, die Black- und Viking-Metal-Vergangenheit der Band wird allerdings außen vor gelassen. Ich persönlich finde das ein wenig schade, ich kenne sie noch mit dem alten Material, was mir auch immer gut gefallen hat. Man muss allerdings zugeben, dass Sólstafir mit dem aktuellen Sound angekommen sind. Addi, Pjúddi und Svabbi sind hervorragend aufeinander eingespielt, und der neue Mann hinter den Drumkesseln gibt auch sein Bestes (Gründungsmitglied Guðmundur Óli Pálmason musste die Band Anfang des Jahres leider verlassen). Zwischen den großen Posen ist immer wieder Zeit für eindringliche und herzergreifende Momente, die konsequent auf Isländisch gesungenen Texte tun ein Übriges, den Zuhörer in die Welt der Geysire und wilden Natur zu entführen. Gefühl pur, aber auch strapazierte Nackenmuskeln – das schaffen nicht viele Bands.
Leider ist der Auftritt nach sieben Songs schon wieder vorbei, und die Band verlässt ohne Zugabe die Bühne. Zugegeben, es ist schon nach Mitternacht, aber … einer geht doch immer noch. Schade.

Fazit: Mein drittes Sólstafir-Konzert im Lauf mehrerer Jahre – und ich muss sagen, dass sich die Band beeindruckend entwickelt hat. Mono kannte ich bisher nur dem Namen nach und war sofort mitgerissen von dieser außergewöhnlichen Band. In The Ocean müsste ich mich besser einhören, doch dem Publikum hat’s gut gefallen – also alles wunderbar. Ein schöner, wenn auch durch die späte Anfangszeit recht langer Abend. Etwas mehr Licht und weniger Nebel auf der Bühne wären allerdings toll gewesen.

:mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch2:

Setlist Sólstafir:
Dagmál
Ljós i Stormi
Ótta
Náttmál
Pale Rider
Fjara
Goddess of the Ages

 

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