Familienabend à la The Crüxshadows

Aller guten Dinge sind drei, und so finde ich mich am heutigen Freitag bereits zum dritten Mal in dieser Woche im Backstage Club wieder. Heute wird’s aber zur Abwechslung nicht rockig (Pristine und Avatarium wären jetzt aber auch nicht zu übertreffen), sondern elektropopgothisch. Zu den Crüxshadows aus Florida muss man nicht mehr viel sagen, seit über fünfundzwanzig Jahren gibt es die Formation um Kreativkopf und Bandchef Rogue bereits. Ihr Stil ist unglaublich eingängig, mit catchy Ohrwurmmelodien, elektronisch-tanzbar, aber auch durch die zwei Geigen etwas ganz Besonderes. Schwer einzuordnen also, weder richtig Goth, noch richtig Pop. Aber immer ehrlich und mit viel Leidenschaft gespielt, weshalb ich mich sehr auf ein Wiedersehen mit Rogue und seiner Frau- und Mannschaft freue. Es wird sicher kuschelig und familiär im Club, und genug Klettermöglichkeiten für Rogue gibt es da ja auch.
DSC_1010Als Vorband werden The Crüxshadows von der deutschen Goth-Rock-Formation Godex begleitet, die bis auf ein paar Fans mit Bandshirts in den ersten Reihen in München noch sehr unbekannt ist. Dabei sollte doch zumindest Sänger Tommy Tom in der Goth-Rock-Szene einen Namen haben, da er früher erfolgreich mit seiner Band Thora unterwegs war. Und Godex wiederum auch schon 2009 gegründet und mit The heart collector soeben deren viertes Album veröffentlich hat! München, wir müssen nachsitzen, offensichtlich haben wir unsere Hausaufgaben nicht gemacht. Dementsprechend routiniert treten die vier Herren auch auf, als sie mit „The heart collector“ ihr Set eröffnen. Bewegungsspielraum gibt es leider keinen auf der schon für die Hauptband vorbereiteten Bühne, aber man macht das Beste draus. „Miss Tragedy“, ebenfalls vom neuen Album, setzt den eingeschlagenen Kurs fort, Fans von Bands wie Lacrimas Profundere oder HIM sollten sich die Band mal anhören. Godex gestalten ihr Set sehr kurzweilig und zocken die insgesamt sechs Songs professionell und zügig herunter. Bei „Glory glitter and gold“ wird’s noch mal ein Stück rockiger, so Richtung 69 Eyes, und das Publikum geht gut mit. Godex sind auf jeden Fall eine Empfehlung für all diejenigen, die mit den genannten Referenzbands was anfangen können und die generell auf eine schöne, tiefe Stimme gepaart mit rockigen Melodien stehen.

DSC_1131Ein Crüxshadows-Konzert ist immer ein wenig wie ein Überraschungsei (ohne Schokolade). Man weiß grundsätzlich, wie es abläuft, was man zu erwarten hat, doch dann passieren zwischendrin immer wieder Dinge, die einen überraschen und erfreuen. Dementsprechend gespannt sind die Fans im rappelvollen Club, auch auf der Galerie steht und sitzt man dicht gedrängt. Nach einer längeren, aber notwendigen Umbaupause ist es dann so weit, Rogue beginnt das Konzert wie so oft nicht auf der Bühne, sondern im Publikum und arbeitet sich dann langsam zu seiner Band vor. Eröffnet wird das Set mit „Helios“ und „Singularities“, den ersten beiden Songs des neuen Album Astromythology (Review hier), typische Crüxshadows-Tanzflächenhits mit viel Wumms und tollem Refrain. Auch wenn das Album erst seit kurzem auf dem Markt und vielleicht noch nicht jeder mit den Songs vertraut ist, ist man sofort angekommen im Konzert. Rogue nestelt noch ein wenig an seinen Handflächenleuchten herum, singt aber trotzdem astrein und mit der ihm eigenen Leidenschaft. JoHanna und David wirbeln mit ihren Geigen über die Bühne, zusammen mit Gitarristin Victoria, während Keyboarderin Jen und Drummerin Jess für einen astreinen Grundsound sorgen. Bei „Stay“ und „Home“ dürfen wir noch ein wenig in Astromythology schwelgen (das auf Platte doch eher sehr, sehr kitschige „Home“ wirkt live deutlich besser), während die ersten Ausflüge von Rogue von der Bühne nicht lange auf sich warten lassen – auch wenn er sich zuerst noch mit der kleinen Treppe zur Galerie und dem unteren Geländer zufrieden gibt. Auch auf der Bühne herrscht ständig Bewegung, doch die Musiker sind routiniert und aufeinander abgestimmt. Zusammenstöße sind keine zu vermelden, im Gegenteil, alles fließt und greift perfekt ineinander. Immer abwechselnd steht eine/r auf der in der Mitte der Bühne platzierten Kiste und damit im Mittelpunkt. Eine schöne Dynamik, durch die es auch keine Sekunde langweilig wird, weil alle mobilen Musiker sich ständig bemühen, mit dem Publikum Kontakt aufzunehmen.

Langweilig wird es aber auch sonst nicht, bei „Valkyrie“ vom Vorgängeralbum As the dark against my halo singt alles mit, und auch der darauf folgende Dreierblock von der neuen CD, „Infinity (you don’t see me)“, „Jupiter“ and „Of angels“, heizt die Stimmung nur immer weiter an. Dann ist es Zeit für den Überraschungsei-Effekt, denn Rogue marschiert plötzlich zielstrebig auf die Galerie, verschwindet irgendwo beim Mischpult und kehrt schließlich mit einem Barhocker zurück – dabei singt er natürlich die ganze Zeit in sein Kopfmikro. Der Hocker wird hoch über dem Kopf nach unten ins Publikum getragen, in die Mitte des Raums gestellt und als neues Podest genutzt, als wäre überhaupt nichts dabei. Beim bekannten „Angelus everlasting“ kann das Publikum dann also völlig entspannt Rogue in seiner Mitte bewundern (was ja sowieso öfter vorkommt, aber das mit dem Barhocker habe ich auch noch nicht erlebt), während die Band auf der Bühne weiter für Stimmung sorgt.
Nachdem Hocker und Rogue wieder verräumt sind, erfolgt die obligatorische Bandvorstellung – wie alle Ansagen des heutigen Abends übrigens auf Deutsch! Ein Hinweis auf das neue Album darf auch nicht fehlen, auf das die Band zu Recht sehr stolz ist. Eine nette Geste: Wir werden ausdrücklich aufgefordert, zu knipsen und zu filmen und alles auf den diversen sozialen Kanälen zu teilen, als Gemeinschaftserlebnis quasi. Dann geht’s ans Eingemachte – Hit folgt auf Hit! Das wunderschöne „Deception“ mit der prägnanten Geigenmelodie, „Winterborn“ und mein persönliches Lieblingslied der Band, „Birthday“. Hier hüpft und singt der gesamte Club und brüllt sich die Seele aus dem Leib. Schön!! Als Zugabe gibt es dann sogar noch den ersten großen Hit der Band, „Monster“, der vor fünfundzwanzig Jahren herauskam, als Rogue „ein oder zwei Jahre alt war“, wie er todernst erklärt. Ein begabtes Kind, ein toller Song, genau wie das abschließende „Marilyn (my bitterness)“, der vielleicht bekannteste Track der Crüxshadows.

Aber nicht nur die Musik macht ein Crüxshadows-Konzert in einem solchen familiären Rahmen zu einem Erlebnis, sondern vor allem das Drumrum. Rogues Ausflüge ins Publikum oder wie heute Abend auf die Galerie (aber nicht langweilig über die Treppe, nein, sondern schon außen am Geländer entlang), der obligatorische Sturm des Publikums auf die Bühne beim letzten Song, die ausführlichen Autogramm- und Fotostunden nach dem Konzert, die wirklich genuine Freundlichkeit aller Musiker, Anmi mit großen Micky-Maus-Kopfhörern in der ersten Reihe (die kleine Tochter von Rogue und Jess) … klar ist das eine Band, die ihren Job macht, die Geld verdienen muss, aber man fühlt sich hier wirklich willkommen und gewertschätzt.

Dementsprechend dauert es noch eine Weile, bis die nachfolgende Disco anfangen kann, erst muss noch jeder Gast gedrückt werden, Selfies, Merchstand, Autogramme, Gespräche mit den Bandmitgliedern … und irgendwann geht ein grandioser Konzertabend zu Ende, mit vielen Ohrwürmern und seligen Gesichtern.

:mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch:

Setlist Crüxshadows:
1. Helios
2. Singularities
3. Stay
4. Home
5. Valkyrie
6. Infinity (you don’t see me)
7. Jupiter
8. Of angels
9. Angelus everlasting
10. Deception
11. Winter born
12. Birthday

13. Monsters
14. Marilyn, my bitterness

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