„Oooh oh oh oh oh oooh oh!“

P1200982Die Kanadier The Creepshow aus Montreal sind immer wieder gern gesehene Gäste in München und mit ihrer explosiven Mischung aus Psychobilly und Punkrock ein fester Garant für feine, energiegeladene und schweißtreibende Clubshows. Ihr letztjähriger Auftritt war grandios und ist noch immer in bester Erinnerung (Link zum Bericht), also auf ein Neues. Das Vorprogramm bestreiten die Österreicher Psycho Village, die schon 2017 auf der Tour mit dabei waren, wo ich allerdings leider verhindert war. Außerdem haben The Creepshow die befreundete Band The Anti-Queens aus Toronto als Support dabei, wobei Support hier doppelt zu verstehen ist. Zum einen als Support-Act, zum anderen als Unterstützung durch die Hauptband, um den Newcomern eine Bühne zu bieten und sie in Europa bekannter zu machen.
P1190732_SWEine halbe Stunde vor Beginn sind die Besucher noch sehr übersichtlich, aber nach und nach füllt sich der Club etwas mehr, bis Psycho Village pünktlich um acht die Bühne betreten. Die Band besteht aus Bandgründer, Sänger und Gitarrist Daniel Kremsner, Bassist Maximilian Raps und Johannes Sterk am Schlagzeug. Sie haben zwei Videobeamer dabei, die den Auftritt mit passenden Videos optisch unterstützen. Sie legen einen fulminanten und rockigen Start hin, der mich überrascht, denn aufgrund des Namens im Zusammenhang mit The Creepshow bin ich von einer Psychobilly-Band ausgegangen (so rächt es sich, nicht vorher in die Band reingehört zu haben), aber mitnichten. Das Trio hat sich ganz dem Rock verschrieben. Nach zwei Songs wird das noch etwas scheue Publikum begrüßt, und Daniel bittet: „Kommt mal alle zwei Schritte vor!“ Auch mit den nächsten zwei Songs stellen sie ihr Können unter Beweis, die Jungs sind stets in Bewegung und auch nicht um die ein oder andere Rockstar-Pose verlegen und heizen sich gegenseitig an. „Geht’s euch gut? Der nächste Song ist ‘What was that!‘“ Maximilian animiert das Publikum zum Mitklatschen, was ansatzweise trotz der frühen Stunde auch auch funktioniert, derweil wirbeln er und Daniel über die Bühne, während Johannes den Takt angibt. Nun bedankt sich Daniel bei The Creepshow dafür, dass sie auf der Tour dabei sein dürfen und wendet sich ans Publikum: „Beim nächsten Song brauchen wir eure Hilfe, okay?“ Damit das mit dem Mitsingen auch klappt, wird das kurz einstudiert, und auf den beiden Leinwänden flimmert dazu ein Lyric-Video zur zusätzlichen Unterstützung des Songs „It’s okay“. Mittlerweile haben sich noch mehr Leute im Club eingefunden, sodass das Publikum weiter zur Bühne aufrückt. Nach „Can‘t you see“ heißt es: „This song’s called ‘Shine on us’”, zu dessen Intro der totale Rockstar-Poser rausgelassen wird, wie sich das eben so gehört, was mit entsprechendem Applaus honoriert wird. Nun erzählt Daniel von den Schwierigkeiten, die sie als Band die letzten zwei Jahre meistern mussten. Der Bus, mit dem sie immer noch unterwegs sind, hat dreimal gebrannt, in Birmingham wurden sie im Hotel beklaut, und im Februar hatten sie auf Tour Stress mit der Hauptband, die in einer Schlägerei und Prozessandrohungen endete. „Blöde F…e!“ heiP1190826ßt es dazu zwischendrin, und den Namen will er auf Wunsch später am Merchandise verraten. Außerdem gab es Streitigkeiten mit der Plattenfirma, sodass sie ihr Album Unstoppable kurzerhand selbst haben pressen lassen, um es auf der Tour verkaufen zu können. „We are unstoppable!“ Ihre Wut haben sie spürbar kreativ umgesetzt, und Daniel spielt seine Gitarre dabei mit einem Drumstick. „Für den letzten Song komme ich runter zu euch, wenn ihr mir nicht auf die Schnauze haut!“, und so schnappt er sich den Mikroständer und stellt sich vor der Bühne. Nun erklärt er auch, warum er mit Drumstick spielt, denn er hat alle seine Plekkies auf der Bühne verloren. Auf der Leinwand wird dazu eine eindringliche Geschichte eines Mädchens eingeblendet, das in den Selbstmord getrieben worden ist, und so endet der Gig nach etwa 35 Minuten. Es tut mir leid das sagen zu müssen, aber obwohl sie richtig gut sind in dem, was sie machen, haben Psycho Village meinen persönlichen musikalischen Nerv leider nicht getroffen, aber meinen Respekt verdient. Denn mit ihrem Rock-Auftritt und der Video-Unterstützung haben sie alles richtig gemacht und heute definitiv neue Fans dazu gewinnen können. Wer auf Rock steht, sollte Psycho Village also unbedingt austesten.

P1190925Mit nur zwanzig Minuten ist die Umbaupause schnell vorüber, und The Anti-Queens, die sich auf ihrer Facebook-Seite höchst selbstironisch als „8 tits with some instruments“ bezeichnen, betreten die Bühne. Da wären also Hauptsängerin und Gitarristin Emily Bones, an der zweiten Gitarre Valerie Knox, Bassistin Taylor Cos und nicht zuletzt Dallas Conte an den Drums, und sie beweisen mit den ersten Songs “Mean genes” und “Miss Scarlett” direkt, dass sie sich nicht hinter männlichen Kollegen zu verstecken brauchen. Dafür gibt es reichlich Applaus, und beim nun folgenden „Cheers!“ zur Begrüßung schäumt sogar das Bier über vor Begeisterung. Mit einem „Hey! Hey!“-Sprechchor wird “Sorry Babe” eingeleitet. Die vier Damen spielen launigen und energiegeladenen Punkrock ‘n‘ Roll, der auch Grunge-Einflüsse erkennen lässt. Der Sound schreit geradezu nach kleinen, dreckigen Clubshows, so wie wir sie gerade erleben. Bei “Leave me out” legt Dallas ein kleines Drumsolo hin, das zeigt, was für ein Biest sie an ihrem Instrument ist, was für Begeisterung sorgt. Den Moment nutzen Emily und Valerie, um mit den Leuten vorne mit Bier anzustoßen. Schlussendlich entert der Mann vom Merchandise die Bühne und verkündet seinen Eindruck der Stimmung: „Nice!“ Valerie schließt sich an und bedankt sich: „Thank you for coming out tonight!“, und Emily schiebt noch etwas Werbung für den Merchandise-Stand nach. Mit “What it’s worth” folgt die nächste Nummer, und die ersten Jungs springen schon vor der Bühne rum. Mit schwerem Sound von Taylors Bass und dem Schlagzeug wird “Game over” eingeleitet, und P1200135Dallas spielt dabei so hart, dass eines der Becken abfällt. Diese Urgewalt würde man dieser optisch zierlichen Frau so gar nicht zutrauen, umso beeindruckender, dass Chuck Coles von The Creepshow über die Bühne kriechen muss, um das Becken wieder zu befestigen. Dementsprechend laut geht es im Publikum zu. „Dankeschön! Give it up for fuckin‘ Creepshow!“ Darauf schnell noch ein Schluck König Ludwig und zur Belustigung aller die Feststellung: “Your beer is so good!” Dann geht es weiter mit “What do I know”, bevor Valerie für “Small victory” an das Hauptmikro wechselt und den Gesang übernimmt. Ein wenig erinnert mich der Song an „Where eagles dare“ von den Misfits und macht ebenso Spaß wie das folgende “Run”. Die Stimmung ist allenthalben bestens. „Prost, München! We have one more song for you!“, und damit übergibt Emily ihre Gitarre an Chuck, der schon an der Bühne bereitsteht, und den Song “Worse than death” zusammen mit The Anti-Queens performt. München ist begeistert, aber eine Zugabe ist wohl zeitlich nicht drin. Dafür gesellen sich alle vier nach der Show an den Merchandise-Stand und sind sich auch für Selfies mit den neu gewonnenen Fans nicht zu schade.

P1200266Auch die zweite Umbaupause fällt kurz aus, und so beginnt fünf vor zehn mit “The Sermon 2“ das Intro mit dem charakteristischem Sirenengeheul für The Creepshow. Kristian Rowles aka “The Reverend McGinty” klemmt sich hinter sein Keyboard, “BloodSandro Sanchioni entert das Schlagzeug, Chuck Coles schnappt sich seine Gitarre und Sean McNab aka “Sickboy“ den Kontrabass. Mit der von allen nur Kenda genannten Kendalyn Legaspi am Mikro bilden “Rue Morgue Radio“ und “Born to lose“ einen stimmungsvollen Auftakt, wobei sie bei letzterem zwischendurch auch selbst zur Gitarre greift. Mit “They all fall down“ folgt das erste kleine Highlight, begleitet von „Hey! Hey!“-Rufen. Kenda steigt sogar auf den Bass. „München!“ schaltet sich Sickboy ein, bevor das eingespielte Sample von „The Sermon“ etwas Ruhe reinbringt, das allerdings direkt in “Creatures of the night“ mündet. Leider ist der Sound im Vergleich zu den Vorbands nicht optimal. Der Bass rumpelt lauter, und im Verhältnis zu den P1200596_2Instrumenten ist Kendas Stimme zu leise abgemischt, zumal sie etwas angegriffen klingt. „Hey guys! How are ya doing?“, und in den Jubel hinein schiebt Kenda nach: „Who’s gotta work tomorrow?” Das sind fast alle, doch davon lassen wir uns die Stimmung nicht vermiesen. “Run for your life“ brüllt Sickboy unvermittelt, und ab geht der Song. Anschließend scherzt McGinty mit dem Publikum, dann geht es mit “Keep dreaming“ und “Sell your soul“ weiter, bei dem Kenda wieder zur Gitarre greift. „Dankeschön!“ Während des Applauses fingert sie mit dem gestreckten Mittelfinger ihre Pommesgabel-Hand, ein Gruß an The Anti-Queens am Merchandise-Stand, denn dieses Motiv ziert deren selbstbetitelte LP und T-Shirts. “Zombies ate her brain“ und “Gravediggers“ bilden anschließend den nächsten Block. Nun singt Sickboy “Hellbound“ zunächst a cappella, bevor nach Chuck auch die komplette Band einsteigt. Nur Kenda ist hierbei arbeitslos und setzt sich daher einfach zu den Fans auf die kleine Treppe. Vor der Bühne bricht derweil der Pogo aus, an dessen Ende zwei Mann am Boden liegen. Aber nichts weiter ist passiert, alle wieder senkrecht, und das Sample “Angel of death“ von Hank Williams bietet eine willkommene Gelegenheit sich zu beruhigen und Flüssigkeitsverluste auszugleichen.
P1200779Aber zu “Death at my door“ wird anschließend direkt der Wrecking Pit eröffnet. „Allright!“ ruft Kenda erfreut. „This song is called ’Shake’!“ Dazu setzt sie sich zunächst an den Bühnenrand, doch dann zieht es sie in die Mitte des Publikums, wo sie schließlich mit dem Mann vom Merchandise ein Tänzchen hinlegt. Zurück auf der Bühne greift sie zur Gitarre und intoniert energisch einen „Hey! Hey!“-Sprechchor, der sofort begeistert erwidert wird. Auch der Refrain zu “Sticks & stones“ wird direkt mitgesungen. Es folgt das kurze Sample der Herz-P1200725_SWRhythmus-Maschine zum Album Live after death, dann peitscht Kenda die Menge an: „Put your fist in the air like this!“ Sie reißt ihre Faust empor, und alle machen mit. Das ist der Startschuss für “See you in hell“, das in “Psycho ball and chain“ übergeht. Nun bedankt sich Kenda bei den Leuten „for coming out on a Sunday night!“ und fordert Applaus für die Vorbands Psycho Village und The Anti-Queens. Zum Dank folgt “Demon lover“, und nach dem Sample „Sermon 3“ wird der Refrain von “Get what’s coming“ inbrünstig mitgesungen, doch das ist McGinty nicht laut genug. „Louder!“ – „Oooh oh oh oh oh oooh oh!“ – „LOUDER!“ – „OOOH OH OH OH OH OOOH OH!“

Die Stimmung ist auf dem Höhepunkt, doch damit verschwinden The Creepshow unter lautem Jubel erst einmal im Backstage, aber die Meute hat natürlich noch nicht genug. Einer angelt sich sogar das Bühnenmikro und beginnt: „We want more!“ zu rufen, worauf die begeisterte Menge mit „Hey!“ antwortet. Gefühlte drei Minuten geht das so, dann kehrt die Band mit eineP1210109m breiten Grinsen zurück, und der Einpeitscher wird von Sickboy für seinen lautstarken Einsatz mit einem Bier belohnt. „Ok, Munich, now we play an old song!“ kündigt Kenda “The Devil’s son“ an, und untermalt den Text mit Teufelshörner- und Kind-im-Arm-Gesten, worüber sie selbst lachen muss. Nun heißt es: „Ok everybody, this is your last chance to dance!“ Für “Buried alive“ werden also noch einmal die letzten Kräfte mobilisiert, es wird gehüpft und gewreckt. Zum Abschied bedankt sich Kenda bei der gesamten Backstage-Crew, von der Bar über die Security bis hin zu „the guys who made our food“ und wendet sich ein letztes Mal ans Publikum: „Thank you! You guys are fucking great!“ Anstatt zu winken fingert sie noch einmal mit dem gestreckten Mittelfinger ihre Pommesgabel-Hand. Licht und Musik gehen sofort an, und daraufhin verlassen die ersten bereits den Club. Ein Fehler, denn ein paar Hartnäckige fordern noch eine Zugabe, auch wenn das Mikro schon abgeschaltet ist, und nachdem die Hälfte schon weg ist, kommt Kenda noch einmal mit einer Akustikgitarre auf die Bühne. Was jetzt kommt, ist natürlich klar, die wunderschöne, aber auch traurige Ballade “My soul to keep“, mit der sie den Selbstmord einer Freundin zu verarbeiten versucht. Letztes Jahr wurde sie bei diesem Song völlig von ihren Gefühlen überwältigt (Link zum Bericht), wird sie den Song nun zu Ende singen können? Kenda beginnt, tough und zerbrechlich zugleich, will sich behaupten und lacht zwischendrin. Doch je länger sie singt, wird es spürbar schwieriger. Da kommt der Reverend hinzu und leistet Beistand, und auch der Merchandiser nimmt sie in den Arm. Kenda verdrückt ein Tränchen, aber zusammen geht’s. Zum Abschied lacht sie schon wieder, und damit endet endgültig ein toller Abend.

Fazit: Trotz der kleinen Einbußen im Sound liefern The Creepshow wieder einmal quer durch alle Alben eine tolle und mitreißende Show. Die hart rockenden The Anti-Queens sind für mich die musikalische Überraschung des Tages, die es zwingend weiterzuverfolgen gilt, und die es hoffentlich bald wieder über den großen Teich schaffen. Auch Psycho Village sind eine exzellente Rockband, die das Herz eines jeden Rockfans höher schlagen lässt.

:mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch:

Setlist The Anti-Queens:
Mean genes
Miss Scarlett
Sorry Babe
Leave me out
What it’s worth
Game over
What do I know
Small victory
Run
Worse than death

Setlist The Creepshow:
Intro: The Sermon 2
Rue Morgue Radio
Born to lose
They all fall down
Sample: The Sermon
Creatures of the night
Run for your life
Keep dreaming
Sell your soul
Zombies ate her brain
Gravediggers
Hellbound
Sample: Angel of death (Hank Williams)
Death at my door
Shake
Sticks & stones
Sample: Live after death
See you in hell
Psycho ball and chain
Demon lover
Sample: Sermon 3
Get what’s coming

The Devil’s son
Buried alive

My soul to keep

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