Von Rebellion bis hin zum Tod!

Quelle: FB Chelsea Wolfe

München bietet konzerttechnisch für jeden erdenklichen Musikgeschmack etwas. Allerdings zu kurz gekommen ist der Sektor des  sogenannten Drone Pop und Neofolk. Genau aus diesem Grund freute es mich besonders, als ich die Konzertankündigung von Chelsea Wolfe gesehen habe. Das Feierwerk in München ist in Undergroundkreisen eine mehr als beliebte Location für Künstler, die jenseits des Mainstreams wandeln. Seit Wochen ist München nun von einer Hitze geplagt (aus meiner Sicht), und trotzdem musste ich nicht lange überlegen, mich ins Getümmel des Feierwerks zu stürzen und mir einen Saunaabend zu geben. Chelsea Wolfe hat im Laufe ihrer Karriere mit namhaften Künstlern kollaboriert, unter anderem mit King Dude (einem Aushängeschild des amerikanischen Death Country und Neofolk) oder Deafheaven (einem Post Black Metal Projekt). Der Sound, dessen sich die aus Kalifornien stammende Künstlerin bedient, ist eine wilde Mischung aus allen nur erdenklich dunklen Spielarten des Metal, Gothic und noch einigem mehr. Meine Freude und Begeisterung waren so groß, dass ich um 19:30 Uhr bereits vor dem Feierwerk stand, obwohl das Konzert erst um 21 Uhr begann. So konnte ich Eindrücke sammeln und noch ein wenig gechillt im Schatten verweilen. Nach und nach kamen immer mehr Konzertbesucher, und es war interessant zu beobachten, welche Genrezugehörigkeiten vertreten waren.

Am Einlass noch schnell durchgecheckt und hinein geht es in die altehrwürdige Feierwerk-Halle. Es ist noch gut eine Stunde bis die Vorband Brutus aus Belgien beginnt. Genug Zeit also, mit einem netten Kerl zu plaudern, den ich vor dem Feierwerk kennengelernt habe. Es füllt sich zäh, und es sind sehr viele Gothics im Publikum, dem Wetter geschuldet in Sommeroutfits, was ganz lustig aussieht. Die Musik beginnt vom Tonband zu laufen, und die Zuschauer drängen ein wenig mehr zur Bühne. Brutus aus Belgien hatte ich nie vorher gehört, geschweige denn gesehen oder auch nur etwas über sie gelesen. Punkt 21 Uhr betreten sie die Bühne. Schwach beleuchtet, wie es sich für dieses Genre gehört, erklingen auch schon die ersten Töne der Belgier. Mein erster Gedanke ist: einfach nur fett. Der Sound haut ganz tief in die Magengrube, und überhaupt ist jedes Instrument deutlich zu vernehmen. Brutus verbinden Indie Rock-, Post Metal-, Trash Metal-Anleihen, Black Metal, Shoegaze und als Krönung immer wieder den von mir heiß geliebten Doom Metal mit Gothic-Anwandlungen. Immer wieder werden kreisende Shoegaze Gitarren von knüppelhartem, urwüchsigen Black Metal unterbrochen und vermengen zu einem der genialsten Sounds, die ich je gehört habe. Die Doom Metal Nackenbrecher Beatdowns tun ihr übriges, um die mit langen Haaren versehene Meute in den ersten Reihen zum Headbangen zu bewegen. In mehr als 30 Minuten Spielzeit haben sie einige Songs aus ihrem 2017 veröffentlichten Album Burst wiedergegeben. Besonders beeindruckend finde ich die Abdeckung sämtlicher Gefühle, die man durch Musik erschaffen kann. Von rebellisch-rotzig bis hin zur Todessehnsucht war alles dabei. Brutus, eine Band, die ich mir definitiv merken werde.

1Es folgt eine Umbaupause, und ich beschließe diese aufgrund der finnischen Saunatemperatur draußen vor dem Feierwerk zu verbringen. Ich staune nicht schlecht über die Menschenmenge, die bei der Vorband noch nicht in der Halle war. Man unterhält sich fleißig darüber, wie denn das Set von Chelsea Wolfe wohl klingen mag. Immerhin ist die Künstlerin wandelbar wie ein Chamäleon, und eben diese Tatsache macht das Konzert für mich und viele andere so interessant. Also erstmal wieder zurück, um mir einen guten Platz zu sichern. Noch bevor Chelsea Wolfe die Bühne betritt, läuft recht interessante Musik aus den Boxen, Leute drängen hinein, sodass das Feierwerk augenscheinlich aus allen Nähten zu platzen droht. Auch hier eine dezente Lightshow, der Atmosphäre der Musik angepasst. Die Musiker betreten die Bühne, und das Publikum ist kaum noch zu halten. Gleich der Eröffnungssong „Carrion Flowers“ vom Album Abyss schlägt ein wie eine Bombe. Absolute mechanische Sterilität trifft auf Dronepop, und immer wieder muss ich an Björks Album Post denken. Schleppend, kalt und gefühllos walzt sich der Song aus den Boxen direkt in die Magengrube. Das Hauptaugenmerk liegt natürlich auf dem 2017 veröffentlichten Album Hiss Spun, das meiner Meinung nach wegweisendste, da hier weniger experimentiert wird. Eine gerade Linie wird dann mit „Spun“, „Vex“ und „16 Psyche“ eingeschlagen. Während es auf CD schon sehr metallisch-kalt klingt, war ich gespannt wie denn wohl die Umsetzung live werden würde. Eines kann ich euch sagen, selten habe ich eine solche Energie gespürt, wie bei den Songs des letzten Albums. Die eindringliche Stimme von Chelsea Wolfe in Kombination mit Doom Metal, Sludge und hie und da Elektronik. Mir kommen Namen wie Neurosis und Deafheaven in den Sinn. Mittlerweile ist die Menge nicht mehr zu bändigen, und so hat man das Gefühl, mitten in einer Sauna zu stehen. Es gibt keine Sekunde, in der mir nicht ein Schweißperlchen die Stirn heruntertropft bzw. eher ein Schweiß-Wasserfall! Ein weiteres Highlight ist „After the fall“: ein dunkler von Melancholie getragener Song, der nicht selten an Portishead oder Massive Attack erinnert. Die ein wenig frickelige Version ist wahrlich der Hammer. Ein Glück, dass weniger auf die Elektronik gegeben wird sondern mehr Augenmerk auf fette Gitarren, die eine dermaßen geballte Wall of Sound aufbauen, dass man sich gleich niedergewalzt fühlt. Mein persönliches Highlight ist jedoch „Particle Flux“. Selten zuvor hatte ich bei einem Konzert vier Minuten Gänsehaut am Stück. Ein Drone-Teppich mit allerlei Sounds versehen und einer Stimme, die einfach nur zum Niederknien ist. Für ältere Fans wurde „Feral love“ gespielt, ein Song, den ich vollkommen vergessen hatte. Eine wahnsinnig durchdringende Nummer und mit Recht eines der beliebtesten Stücke von Chelsea Wolfe.

3Selten zuvor habe ich ein so abwechslungsreiches und vor allem vom Sound her perfektes Konzert besucht. Es braucht, denke ich, nicht noch einmal erwähnt werden, welches Kaliber Chelsea Wolfe ist. Vergleiche mit Anna von Hausswolff, Emma Ruth Rundle und Björk beschreiben ihren Sound recht treffend. Trotz der massiven Hitze, war das Konzert jeden Tropfen Schweiß wert.

Setlist Chelsea Wolfe
1 Carrion flowers
2 Spun
3 Vex
4 Demons
5 After the fall
6 Dragged out
7 Feral love
8 Particle flux
9 16 Psyche
10 The culling
11 Twin fawne
12 Survive
13 Scrape

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