Leider spielt das Wetter heute überhaupt nicht mit, es regnet in Strömen, draußen mag man sich gar nicht aufhalten, und das sorgfältige Styling leidet bei vielen auch schon recht bald. Sehr schade! Aber dafür kann niemand was, und alle versuchen, das Beste aus der Situation zu machen.

dsc_2622Letztes Jahr war Mart Soer mit den Silbermännern von Stahlmann auf dem DMF, dieses Jahr ist er mit seinem Seitenprojekt Sündenklang der Opener von Tag 2. Personell überschneiden sich die beiden Bands mittlerweile weiträumig, der Sound unterscheidet sich allerdings doch erheblich. Sündenklang setzt zwar auch auf deutsche Texte, verpackt diese aber in eindringlichere Melodien und ein etwas langsameres Tempo, bei dem die knackigen Gitarren aber nicht zu kurz kommen. Für Stahlmann-Fans also auf jeden Fall ein Muss, und dementsprechend gefüllt ist die Theaterfabrik um vier Uhr nachmittags auch schon. Die beinharten AnhängerInnen beider Bands belegen die ersten Reihen und sorgen vom ersten Moment an für eine großartige, familiäre Stimmung, zu der auch Marts launige und auf frühere Auftritte verweisende Ansagen beitragen. Er wirkt entspannt und hochmotiviert, die Show ist wirklich mitreißend, das Publikum macht nur allzu bereitwillig bei den Spielchen etwa bei der „Welle“ mit und verwandelt den vorderen Hallenbereich in ein Meer aus wogenden Armen.
„Lieber sterben“, „Kreuzzug“, „Die Sehnsucht tanzt“ oder „Krieger“ lassen diesen Auftritt wie im Flug vergehen, der gern noch etwas länger hätte dauern können. Aber wenigstens sind jetzt schon mal alle warmgetanzt.

dsc_2700Ganz andere Muskeln werden jedoch gleich in der Garage trainiert, denn Käpt’n Rummelsnuff betritt mit Maat Christian Asbach die Bühne. Nach den letzten Vorbereitungen – Schiffermütze aufsetzen, Krawatte umbinden, Laptop starten – beginnt eine wirklich unglaubliche und vor allem unglaublich unterhaltsame Show. Irgendwie gehört haben ja die meisten schon mal von Roger Baptist und seiner Bühnenfigur Rummelsnuff, mit der er immer mehr verschmilzt, aber man muss ihn definitiv live erleben. Was die beiden Herren mit einem Minimum an Accessoires, kaum Elektronik und großer persönlicher Ausstrahlung da auf die Bühne bringen, ist ein Erlebnis. Die so übertriebene wie augenzwinkernde, oft auch selbstironische Performance zu minimalistischem Gesang und ebenso reduzierter Musik ist eine wahre Augenfreude. Da wird geschunkelt, mit den Augen gerollt, die Popeye-Muskeln gezeigt und nebenher natürlich noch gesungen. Vor allem Christian Asbach ist ein toller Kontrast zu Rummelsnuffs leicht knurrigem Sprechgesang und außerdem noch mit großem komischen Talent gesegnet.
Moderne Arbeiterlieder und „derbe Strommusik“ wie „Bratwurstzange“, „Poi Soldat“ (meine ich gehört zu haben), „Machen wir den Tanz“, „Salutare“ oder „Der Käpt’n nimmt dich mit“ reißen alle mit. Zum Schluss werden noch zwei Damen auf die Bühne geholt, die mit Käpt’n und Maat ein Tänzchen hinlegen dürfen.
Viel zu kurz ist dieser Auftritt, viel zu wenig Platz in der Garage – aber dafür auch alles schön intim, und man ist ganz nah dran am Geschehen. Käpt’n, das war amtlich!

dsc_2776Zurück in der Theaterfabrik wetze ich dann schnell in den Graben zum Fotografieren, denn Psyche stehen bereits auf der Bühne und sind so gut, wie sie seit dreißig Jahren sind. Es gibt keine große Show, keine großen Gesten, aber Melodien, die einen seit langer Zeit schon begleiten sowie den unglaublich sympathischen Darrin Huss und seinen Mitstreiter an den Keyboards. Der ganz große Durchbruch blieb Psyche leider immer verwehrt, aber sie haben stoisch weitergemacht, und ich freue mich, sie heute mal wieder live zu sehen. Die Songs sind so alterslos wie ihr Schöpfer, und zu „The Crawler“, „The Brain collapses“, „Sanctuary“, „15 Minutes“, dem unverwüstlichen „Goodbye Horses“ oder meinem persönlichen Lieblingslied von Psyche, „Unveiling the Secret“, lässt sich wunderbar das Tanzbein schwingen. Überraschungen gibt es keine – aber das ist auch gut so.

dsc_2877Schramm in der Garage müssen leider wegen Überfüllung und Pausenbedürfnis ausfallen, zumal es auch gilt, sich für die High-Energy-Show von [x]-Rx vorzubereiten, die als Nächstes in der Theaterfabrik spielen werden.
Der Mix aus Hardstyle und Rave der Kölner ist seit Jahren beliebt in der Szene und Garant für einen durchtanzten Auftritt. Dementsprechend voll wird es jetzt, das Publikum steht bis hinten zum Merch-Stand und stellt sich schon mal in Positur. Die Band wird mit großem Jubel begrüßt, in den ersten Reihen haben Fans Plakate mit einem – für mich jedenfalls, ich oute mich als unwissend – Insiderspruch mitgebracht, der Pascal Beniesch und Jan Teutloff riesig freut. Die beiden sind hervorragende Anheizer, die Beats gehen sofort in die Beine, nebenbei muss man auch noch die Kamera ruhig halten – kein leichter Job heute! Nach den Publikumsreaktionen zu urteilen hätte man [x]-Rx sicher auch später auftreten lassen können, die Halle tobt jedenfalls, die Raumtemperatur steigt, und das Regenwetter ist vergessen. Die Musik ist sicher nicht jedergothens Sache, aber Laune macht das Ganze definitiv. Wie heißt es beim Song „Escalate“ so schön: „Put your hands in the air, welcome to the show – we escalate this place.“ Doch, kann man so sagen.

dsc_2963In der Garage gibt es danach dann mal wieder ein Kontrastprogramm, die Münchner von Mundtot stehen auf dem Programm, die mir live als Vorband von Lacrimas Profundere schon mal richtig gut gefallen haben. Seither ist einige Zeit vergangen, und die Band ist noch souveräner und cooler geworden. Eine Verzögerung im Soundcheck wird kurzerhand dazu genutzt, einem Song einen neuen Text zu verpassen, in dem das ungeduldige Publikum aufgefordert wird, noch länger zu bleiben, wenn es das eigentliche Konzert sehen möchte. Irgendwann ist es dann schließlich soweit, Keyboarder Cesco hat sich die übliche diabolische Maske umgeschnallt, und die ersten knackigen Riffs ertönen. Wieder macht mir die Mischung aus fetten Gitarren und durchgeknallter Elektronik gepaart mit der sympathisch-unaufgeregten Ausstrahlung der Band sehr viel Spaß, und ich freue mich über neues Material wie „Zu spät“ oder den Klassiker „Endzeit“. Den restlichen Anwesenden in der gut gefüllten Garage geht es ähnlich, die Stimmung ist hervorragend. Mundtot, das hat gerockt!

dsc_2978Im Anschluss daran wird wieder alles ganz anders, Klangstabil laden in der Theaterfabrik zu einer ihrer musikalischen Séancen. Nachdem sich Sänger Boris May wie immer seiner Socken entledigt und sich auch sonst in die richtige Konzertstimmung gebracht hat, geht es mit dem schleppend-hypnotisierenden „Shadowboy“ los, das die meisten Anwesenden langsam, aber sicher in seinen Bann zieht. Klangstabil muss man mögen, wer mit dem Material nicht vertraut ist, wird wahrscheinlich erst mal extrem fremdeln oder sogar genervt sein – ja, man muss sich einhören, ich habe auch eine Weile gebraucht, bis es wirklich „klick“ gemacht hat. Umso fantastischer finde ich die Auftritte des Duos mittlerweile, auch wenn das Fotografieren Schwerstarbeit ist und man an fünf Stellen gleichzeitig vor der Bühne stehen müsste, um den ständig hin und her laufenden Boris May zu erwischen. Dafür bedankt er sich später aber auch noch explizit bei den Fotografen, die bei den Konzerten immer so tolle Bilder machen und der Band zur Verfügung stellen. Eine sehr nette Geste!
Die großen Hits wie „Math & Emotion“ und „You may start“ dürfen natürlich nicht fehlen, überall im Publikum ist ordentlich Bewegung, und jeder lässt sich einfach von der Musik treiben. Das grandiose „Schattentanz“ beschließt diesen intensiven Auftritt, nach dem man erst einmal in die Realität zurückfinden muss.

Da es mittlerweile schon nicht mehr so früh ist und SadoSato in der Garage einige Leute anziehen werden, spare ich mir das zu erwartende Gedränge und mache lieber endlich mal eine kurze Pause. Als Ersatz gibt es aber ein kurzes Video vom Auftritt – und ja, es war höllisch voll.

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dsc_3117Mit Nachtmahr folgt nun eine der kontroverseren Bands dieses Festivals in der Theaterfabrik. Die Bühnenshow und Ästhetik der Truppe sowie vieler Fans ist doch recht nah an einer Zeit, die nie wiederkommen darf, auch wenn man der Band deshalb nicht gleich entsprechende Geisteshaltungen unterstellen darf und was ich hier auch nicht tue. Mir persönlich ist aber das ganze Drumrum doch ein wenig zu uniformlastig, auch die Musik kann mich nicht begeistern – die Show ist aber wie gewohnt voller Energie und professionell, die Choreographien der „Mädchen in Uniform“ zu beiden Seiten der Bühne stimmig (Vorsicht, Fotografen, hier wird scharf mit Wasser geschossen!), und das Wichtigste – die Halle tobt. Nachtmahr reißen die Leute mit ihrem harten und tanzbaren Elektro mit, man ist zum Feiern hier und nicht wegen der Politik, und sogar die Toilettenfrau wippt bei Songs wie „Feuer frei“, „Weil ich’s kann“, „Can you feel the Beat“, „Mädchen in Uniform“ oder „Boom Boom Boom“ mit.
Ein Auftritt, der die späte Spielzeit voll rechtfertigt – nur das Cover von „I hate Berlin“ hätte man sich sparen können.

Leider muss ich nach 2012 nun schon zum zweiten Mal Klutæ auslassen, weil sie wieder in der Garage spielen – schade, ich hätte die beiden Dänen wirklich gern gesehen.

dsc_3153Weiter geht’s mit höllischem Elektro – Hocico sind der Headliner des zweiten Tages, was sich als ausgezeichnete Wahl herausstellt. Erk Aicrag und Racso Agroyam fackeln hier ein Inferno ab, das sich gewaschen hat. Irgendwie ist Hocico jahrelang an mir vorbeigegangen, weil ich normalerweise nicht viel Hellectro und Ähnliches höre – aber heute erwischen sie mich auf genau dem richtigen Fuß, ich bin wirklich begeistert von der Energie, die die zwei Mexikaner mit minimalen Mitteln von der Bühne aufs Publikum übertragen.
Dementsprechend ist die Stimmung in der Halle bis zur letzten Zugabe. Ein triumphaler Auftritt und perfekter Abschluss von Tag 2.

Hier geht es zu Tag 3!

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