Halbzeit! Das Wetter bessert sich leicht, zumindest kommt man meistens trocken von einer Location in die andere. Das Publikum ist stoisch und macht weiterhin das Beste aus den nicht ganz optimalen Bedingungen, die Bands sind bisher alle durch die Bank weg richtig gut (ganz gleich, ob sie einem jetzt persönlich zusagen oder nicht), und die Stimmung während der Konzerte immer euphorisch. Dank des nachlassenden Regens stehen nun auch mehr Leute im Freien, was dem Ganzen doch erheblich mehr Festivalfeeling verleiht. Also dann, auf geht’s zu Tag 3!

dsc_3278Um vier Uhr nachmittags sind allerdings dann doch noch nicht so viele Leute da, als die Italiener Spiral 69 die Bühne betreten und ihren gefühlvollen, aber dennoch energischen Rock unters Volk bringen. Die Band macht ihre Sache gut und kann das Publikum weitestgehend mitreißen. Die rockigen Tages-Opener sind ein guter Wecker und ein schöner Gegenpol zu dem sonst eher elektrolastigen Programm. Songs wie „Naked“, „Best Porno“ oder der neue Track „Ritual“ sind eine hervorragende Empfehlung für die Band, die man sich noch genauer anhören sollte.

 

 

dsc_3333Weiter geht’s in der Garage mit den kurzfristig für die erkrankten Versus eingesprungenen JanRevolution. Mir waren beide Bands vor dem DMF nicht bekannt, JanRevolution sind aber jedenfalls ein hervorragender Ersatz und machen ihre Sache super – für mich im Synthie-Bereich die Überraschung des Festivals. „Here forever“ ist ein ganz gemeiner Ohrwurm, „Freier Fall“ genauso stark, und das Cover zu Pitchforks „I live your Dream“ wirklich gelungen. Starke Stimme, sympathische Band, die sich auch durch eine kleine technische Panne nicht aus der Ruhe bringen lässt, tolle Melodien – Synthie-Herz, was begehrst du mehr.
Leider kann ich nicht ganz bis zum Ende bleiben, die nächste Band in der Theaterfabrik ruft. Hoffentlich ergibt sich bald mal wieder die Chance auf einen JanRevolution-Auftritt – ohne Zeitnot.

dsc_3387Die Hetze in die Theaterfabrik lohnt sich aber, denn hier wartet schon die nächste musikalische Überraschung des Festivals auf mich, die Franzosen Joy/Disaster, die einen saucoolen Schweinerock mit düsteren Einflüssen spielen und mich vom ersten Moment an richtig begeistern. Die Songs sind tight, aber trotzdem melodiös, die Bühnenshow energisch und professionell – kein Wunder, erzählt die Band doch nach einigen Songs, dass sie gerade ihr zehnjähriges Bühnenjubiläum feiert. Das merkt man – und fragt sich, warum Joy/Disaster bei den Liebhabern rotziger Gitarrenklänge in Deutschland noch so unbekannt sind. Vielleicht ändert sich das ja zumindest in München nach diesem Auftritt etwas.

 

 

dsc_3491Elektronisch geht’s wieder weiter mit Rroyce aus Dortmund (der kleine Trikot-Scherz bleibt nicht unbemerkt und wird mit viel Gelächter quittiert), einem Synthie-Pop-Trio mit viel Achtzigerflair, das mir leider bisher unbekannt war, dem die Garage langsam bis auf den letzten Platz füllenden Publikum dafür ganz und gar nicht. Vom ersten Moment an herrscht eine fantastische Stimmung, jeder Song wird bejubelt, und vor allem die Bühnenshow ist mal was anderes. Bei einem Song muss sich Sänger Casi einer hübschen Säbeltänzerin erwehren, die ihn mehr als einmal in den Schwitzkasten zu nehmen droht, bei „Run run run“ unternimmt er einen Ausflug ins Publikum und singt den Song vor dort weiter, und bei „Bohemian Life“ schwingt die Säbeltänzerin Feuerkeulen. Das Gesamtpaket macht wirklich Laune, und auch hier tut es mir leid, dass ich früher gehen muss.

 

 

dsc_3603Ich habe allerdings einen guten Grund, denn mit den Schweizern The Beauty of Gemina steht gleich eines meiner zwei absoluten DMF-Highlights auf dem Programm. Begann die Band vor diversen Jahren noch sehr düsterrockig, hat sie ihren Sound mittlerweile um einige Folk-, Akustik- und Americana-Einflüsse erweitert, die ich ganz wunderbar finde. Der Auftritt wird allerdings doch eher traditionell rockig und kann nur mit einem Song aufwarten, bei dem Sänger Michael Sele die Akustikgitarre zur Hand nimmt („Dark Rain“), aber „Suicide Landscape“, „The lonesome Death of a Goth DJ“ oder „One Million Stars“ sind einfach großartig, und weite Teile des Publikums sehen das genauso. Viel zu kurz ist dieses Konzert, viel zu wenig Zeit mit den sympathischen Schweizern und ihrer berührenden, mitreißenden Musik.
Leider stehe ich später zu weit hinten, um eines der T-Shirts zu ergattern, die die Band zum Abschied ins Publikum wirft. Nette Geste!

Danach brauche ich leider eine kurze Pause, weswegen AD:Key in der Garage ausfallen müssen. Sorry!

dsc_3717FGFG820 waren vor zwei Jahren schon einmal auf dem DMF (damals in der Tonhalle), wo sie mich nicht besonders vom Hocker reißen konnten. Extrem tanzbarer Harsh-Electro, der vor allem die Cyber-Fraktion anspricht – das gibt es doch sehr oft und kann mich selten länger als einen Song begeistern. Heute ist das allerdings irgendwie anders, die Band macht von der ersten Sekunde an wahnsinnig Dampf, die Halle tobt, in allen Ecken wird raumgreifend getanzt. Unterstützt werden Rexx Arcana und Dräcos Strecker wieder von der Münchner Cyber-Tänzerin La Dy Flauschig und ihrem männlichen Gegenpart, und zusammen legen die vier eine wirklich amtliche Show hin.
Nichts, was ich mir daheim groß anhören würde, aber live rockt das Ganze gewaltig.

Freakangel aus Estland hätte ich mir gern angesehen, aber auch die müssen leider wegen Garage und Pausenbedürfnis ausfallen. Sorry!

dsc_3758Extrem tanzbar geht es weiter, als der Hamburger Sami Mark Yahya aka Faderhead mit seinen zwei DJs auf die Bühne kommt und das Set schon mal selbstbewusst mit einem seiner größten Clubhits eröffnet, „Dirtygrrrls/Dirtybois“. Ein geschickter Schachzug – das Lied kennt wirklich jeder, ob er mag oder nicht, und auch im Graben können wir Fotografen nicht mehr stillstehen. Brachial tanzbar weiter geht es mit „Fuck the Machine“, „The Way you fuck God“, „I got the Bass back“ (inklusive Tipp an die Münchner DJs, das doch auch mal zu spielen – ja, Zustimmung) oder „Fistful of Fuck“ weiter. Faderhead selbst sprintet unermüdlich über die Bühne, die beiden DJs hüpfen öfter vor als hinter ihren Laptops herum und verbreiten beste Partystimmung. Das „erste Konzert seit November“ merkt man der Truppe überhaupt nicht an, im Gegenteil. Alles klappt super, die Halle tanzt sich die Füße wund, und alle haben Spaß.

 

dsc_3912Danach muss ich sofort rüber in die Garage, denn mein zweites DMF-Highlight dieses Jahr steht auf dem Programm: Winterkälte. Power-Drum’n’Noise in München? Dass ich das noch erleben darf … Dieser Auftritt wird etwas ganz Besonderes, Udo Wiessmann an den Synthies und Eric de Vries an den Drums geben wie gewohnt alles und zaubern höchst tanzbare Noise-Wände aus ihren Instrumenten, in denen man sich ganz hervorragend verlieren kann – nur diesmal noch besser als sonst. Das DMF-Publikum ist allerdings skeptisch, nach anfänglicher Überfüllung leert sich die Garage dann doch recht schnell, was für die restlichen Anwesenden aber nur von Vorteil ist. So hat man Platz zum Tanzen und erleidet nicht gleich nach der ersten Minute einen Hitzschlag.
So ein Rhythmus-Inferno hat der Rock-Club Garage jedenfalls noch nicht gesehen, in den Regalen wackeln die Gläser, und um mich herum sehe ich nur überglückliche Gesichter. Hammer!

dsc_3940Extrem gut geht es weiter in der Theaterfabrik – heute wird das Publikum wirklich verwöhnt. Kirlian Camera, die Legende aus Italien und mittlerweile Stammgäste auf dem DMF, bilden den Abschluss des dritten Festivaltages und machen dies gewohnt gut. Überraschungen gibt es keine in der Show, die die Band wie immer mit Sturmhauben und Taschenlampen eröffnet, aber Elena Fossi ist wie gewohnt eine Ohren- und Augenweide (auch an der E-Gitarre), und bei Songs wie dem unsterblichen Clubhit „Eclipse“ oder „K-Pax“ kann sowieso keiner still stehen. Mein Lieblingslied der Band, „Comfortably numb“, lässt müde Füße und wehen Rücken vergessen, und auch die restlichen Songs – teilweise ein wenig umarrangiert – sind einfach nur großartig. Allerdings fällt mir auf, dass die Theaterfabrik doch signifikant leerer ist als bei den vorherigen Bands – Ermüdungserscheinungen? Hat man Kirlian Camera doch zu oft in den letzten Jahren in München und auf den einschlägigen Festivals gesehen? Egal – die Anwesenden gehen jedenfalls nach diesem Auftritt zufrieden nach Hause (oder auf die Aftershowparty).

Hier geht es weiter mit Tag 4!

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