Endspurt mit Vollgas bis zum Schluss …

Nach einer weiteren kurzen Nacht müssen wir betrübt feststellen: Es ist bereits Sonntag! Letzter Tag also. Immerhin, das Wetter verspricht noch einmal so fulminant schön zu werden, wie auch an den ersten beiden Tagen. Also raus aus den Federn, die Kandidaten im Nachwuchswettbewerb der Kategorie „Spielmann“ stehen schließlich schon auf der Bühne! Über den Vormittag verteilt treten Waldkauz, Eleya Folk und Satyrias gegeneinander an, während der Vorjahressieger in der Kategorie „Mittelalter-Rock“ – Kilkenny Knights – sich bereits auf einer größeren Bühne austoben darf. Wer zu dieser Zeit vielleicht noch nicht so viel auf die Ohren verträgt, kann auch die vorletzte Gelegenheit ergreifen, in der Goldbergbucht den Falknern bei ihrer beeindruckenden Raubvogelshow beizuwohnen. Von kleinem Bundfalken über Schleiereule bis hin zum gewaltigen Sibirischen Uhu hat das Team der Bielriet Falknerei zahlreiche gefiederte Anschauungsobjekte im Gepäck, nein, auf dem Arm. Allerhand Wissenswertes über die faszinierenden Tiere kann der lernwillige Zuschauer erfahren und mit etwas Mut auch die Krallen eines kleinen Bundfalken auf der Hand fühlen.

Am frühen Mittag dürfen wir den sanften Klängen der italienischen Folk-Band Emian lauschen. Ruhige,_DSC3320 von Harfenklängen getragene Balladen wechseln sich mit von der Drehleier angetriebenen Tänzen ab. Mystischer und zugleich noch tanzbarer wird es mit Irfan, einer Band aus Bulgarien – die einzige, tatsächliche „Balkan“-Band an diesem Wochenende. Der tief greifende Gesang von Irfans Frontfrau entlockt den Zuschauern entrückte Tanzbewegungen, manch einer entpuppt sich trotz der prallen Mittagshitze als fähiger Artist: Es werden Pois, Hula-Hoop-Ringe und Tücher ausgepackt. Die Vorfreude auf das angekündigte gemeinsame Konzert mit Omnia am Nachmittag steigt. Zuvor sollten wir aber noch den traditionellen Klängen von Romengo lauschen. Die ungarische Zigeuner-Musik kann zunächst nur wenige Zuschauer vor die Bühne bewegen, vielleicht auch wegen des parallel stattfindenden Ritterturniers? Nach und nach können die rauchige Stimme der kleinen Frontfrau mit den unglaublich langen Haaren sowie die schnellen Tänze aber doch noch eine kleine Menschenmenge anziehen. Und diese ist nun auch offiziell von der Band befähigt, die komplizierten Texte mitzusingen. Oder vielleicht doch auch nur zu summen …

Noch schnell ein leckerer Mokka und dann endlich die heiß ersehnte Balkan-Roots-Show mit Omnia und Irfan an der Schlossbühne. Die Zuschauer sitzen in der Sonne und auch Steve „Sic“ bleibt sitzen – auch wenn es ihm sichtlich schwer fällt. Sein erstes Sitzkonzert in 20 Jahren, meint er. Erwarten uns deshalb jetzt ruhigere Stücke? Die Enttäuschung bei den Festival-Gästen ist spürbar; Omnia spielen das gleiche Set wie bereits am Vortag. Die Musiker von Irfan, eigentlich herausragende Künstler, sind kaum mehr als Statisten, die die Stücke von Omnia gut einüben durften. Lediglich Tagesgäste, von denen über Nacht ganze Scharen aufgetaucht sind, dürften bei dieser zweiten Show auf ihre Kosten gekommen sein. Aber die Stimmung ist nur kurz getrübt. Nach der Verkündung des Siegers in der Kategorie „Spielmann“ – Waldkauz darf sich über den Goldenen Zwerg freuen – heizen die Jungs von Berlinski Beat_DSC3682 das Publikum in Vorbereitung auf den Hauptact schon mal kräftig an. Eigentlich ein Nebenprojekt der Künstler von Corvus Corax, einem Urgestein unter den Mittelalter-Bands, scheinen die Musiker beinahe mehr Freude an diesem als an ihrem Hauptprojekt zu haben. Mit viel Witz und äußerst tanzbaren Rhythmen kann das Berliner Pendant zu LaBrassBanda die Zuschauer begeistern. Der Musikstil schwankt zwischen folkig-rockig mit einer Mischung aus Straßenmusik. Eigentlich ist er nicht wirklich zu beschreiben, und daher umso mehr eine Hörprobe wert.

Und damit bricht auch schon die Dämmerung herein und die Zuschauer auf in Richtung Schlossbühne für eine letzte, große Party mit den Irish-Folk-Rockern aus Erlangen: Fiddler´s Green. Der Hauptact am Sonntag scheint diesmal sehr viele Tagesgäste auf den Plan gerufen zu haben. Die Anzahl der Fiddler´s Bandshirts ist im Verlauf des Tages exponentiell angestiegen. Die Herren haben´s auch einfach drauf! Man merkt ihnen an ihrer Routiniertheit zwar deutlich ihre mittlerweile 25-jährige Bühnenerfahrung an, das aber nicht im Negativen. Mit alten wie neuen Songs _DSC3929bringen sie die Menge schlicht zum Kochen. Und zeigen dabei eine Nähe, wie es kaum andere Musiker schaffen: Mit akustischen Instrumenten steigen sie kurzerhand von der Bühne und wandern einmal durch die Reihen. Während ihres fast eineinhalbstündigen Sets bringen uns Fiddler´s Green dem Ende des Tages und damit auch dem des Festivals näher. Mit „Folk’s not dead“ wird der Sommer verabschiedet, mit der anschließenden Zugabe des lang ersehnten „Blarney Roses“ verabschieden sich schließlich auch die Musiker.

Das war´s dann also. Zurück zum Campingplatz und eine letzte, zugegebenermaßen nicht ganz gemütliche Nacht auf Isomatte und Schlafsack. Das weiche Daunenbettchen zu Hause lockt schon gewaltig, aber die Fahrt ist zu weit. Die drei Tage sind wie im Flug vergangen. Es war so unglaublich viel geboten; eigentlich zu viel, wenn ich es mir recht überlege. Mindestens die Hälfte habe ich mal wieder nicht mitbekommen. Zu viele Kleinkünstler, Workshops und Lager, die ich nicht entdecken konnte. Dafür müsste ich mich glatt vierteilen. Nächstes Jahr zum Zehnjährigen (ja richtig, Festival-Mediaval X steht an) hat Veranstalter Bläcky schon ganze vier Tage Festival-Betrieb angekündigt. Mit allen Bands aus den ersten beiden Jahren. Und In Extremo. Ich sollte mir schon mal ein Wellness-Hotel zur Erholung für die Tage danach suchen …

Fotos von Tanja Knüppel 

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