Weil die Nacht den Liebenden gehört!

 

Meine Freundin und ich mit unseren beiden Männern nähern uns dem Eingang der Alten Kongresshalle und sehen schon von weitem die lange Schlange vor dem Einlass. Hui, schon alle da? Hoppala, ganz viele Leute suchen noch Karten! Das hab ich auch schon lange nicht mehr erlebt: das Konzert ist total ausverkauft.


Die Location hat ja ein sehr schönes, altes Ambiente aus den 50er Jahren, es mutet schon im Eingangsbereich wie ein Tanzsaal oder ein altes Lichtspielhaus an. Ganz sympathisches, etwas älteres Publikum – eine grauhaarige, wirklich ältere Dame macht klitzekleine Luftsprünge, weil sie noch eine Eintrittskarte bekommen hat. Herrlich zu sehen, wie albern man vor Freude in jedem Alter sein kann!
Entspannte Stimmung in der Schlange an der Bar, gepflegte Getränke, das verspricht ein schöner Abend zu werden! Wir schlendern kurz vor 21 Uhr in den Saal – total voll. Nun hat ein etwas kleinerer Mensch wieder das Problem, wohin mit sich, damit er auch was von dem Abend hat. Wir sind dann nach oben auf die Empore gegangen, und selbst ich habe – zwar schon recht weit weg von der Bühne – doch noch etwas sehen können.
Patti Smith August 2014

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Pünktlich um 21 Uhr kommen Patti und Band auf die Bühne. Alle dunkel gekleidet; sie mit ihrem schwarzen Sakko, den Style, den man von ihr gewohnt ist, langes offenes Haar – anfangs von einem Strickmützchen versteckt -, jugendliches, sympathisches Auftreten, und sie legen sofort los. Ziemlich am Anfang kommt gleich „Dancing barefoot“, ganz toll, super Stimmung, die Leute haben Spaß und gehen mit. Sie tanzt auf der Bühne, nicht übertrieben, kein neumodischer Stil, einfach wie sie immer war. Sie nimmt Kontakt zum Publikum auf, sie weiß, in welcher Stadt sie spielt. Sie bringt auf unheimlich sympathische Art Lokalkolorit rein, indem sie die Reihen vor sich fragt: „How do you pronounce it? Munich or do you say Müntschen“? Die Leute freut’s. Zwischendrin erzählt sie immer wieder kleine Anekdoten von ihrem Tag in „Müntschen“: dass sie die Surfer am Eisbach gesehen hat, dass es hier so drollige Sachen zum Essen gibt wie „White Sausages“ mit so komischem braunen Baaz dazu. Oder sie singt uns nun „a bavarian Song“. – tut sie natürlich nicht, aber wir müssen lachen.

Aber sie ist auch ernst. Ein Lied – zweifellos einer der Höhepunkte des Abends –, nämlich John Lennons „Beautiful Boy“, widmet sie Robin Williams, der in der Nacht auf Dienstag verstorben ist. Rührung im Publikum.

Eine junge Frau in der ersten Reihe hat ihren großen Tag, den sie so schnell nicht vergessen wird: Patti fragt sie, ob sie Gitarre spielen kann. Sie kann. Sie wird zur Bühne hochgezogen, der Gitarrist gibt ihr sein Instrument, und sie, ganz Rock-Chick, spielt nach kurzem Tuscheln mit dem Gitarristen bei dem Lied mit. Danach darf sie hinter die Bühne!
Und dann wird es wieder ernst: „This song is dedicated to Fred Sonic Smith”, ihrem vor 20 Jahren verstorbenen Ehemann: „Because the Night“. Ich liebe dieses Lied schon so lang und werde es immer lieben. Um ehrlich zu sein, muss ich etwas weinen dabei. Aber ich glaube, man merkt es nicht …

Und so vergeht die Zeit wie im Flug, pünktlich um 21 Uhr begonnen, spielen die Herrschaften durch bis 23 Uhr. Gegen Ende kommt noch das rockige „Gloria“, was Patti auch zelebriert: „G – L – O – R – I – A : Glooooooria!“ Und die Leute gehen mit, als gäb’s kein Morgen.

Ein wunderschöner Konzertabend mit einer Ikone, die man wirklich einmal live erlebt haben muss. Wir überlegen beim Rausgehen noch, wie alt die Dame wohl sein wird, weil sie so unheimlich fit und mädchenhaft wirkte. Daheim wird noch nachgegoogelt: Patti Lee Smith, die „Godmother of Punk“, Singer, Songwriterin, Fotografin, Malerin und Lyrikerin wird im Dezember 68 Jahre alt.
Wow.

:mosch: :mosch: :mosch: :mosch: :mosch:

 

(2020)