Zum Fürchten schön


Erwin Olaf ist 1959 in den Niederlanden geboren und zählt dort zu den berühmtesten Künstlern der Gegenwart. Erstmals ist er nun in Deutschland mit einer großen Retrospektive seines Schaffens zu sehen. Fotografien, Videos, Skulpturen und Installationen aus allen seinen Schaffensjahren werden gezeigt, seine Entwicklung vom jungen Mann, der noch analog gearbeitet hat, hin zum gereiften Künstler, der auch Geschichten jenseits von schönen Körpern erzählt. Denn diese waren schon immer seine Vorliebe, damit wurde er auch bekannt. Nach seinem Publizistikstudium arbeitete er in der Werbebranche u.a. für Levi’s, Aktbilder schöner oder feiernder Menschen waren seine ersten Meisterwerke.

„Joy“ von 1985, das Schwarzweiß-Porträt eines jungen Mannes mit überschäumender Champagnerflasche vor seinem Unterleib, ist bis heute in der LGBTQ-Szene bekannt, und nicht nur da. Er hat mit einzelnen Bildern Geschichten erzählt: eine Frau, der Perlen aus dem Mund quellen, als würde sie sich erbrechen oder ein Mann in deformierten High-Heels. Teilweise arbeitet Olaf mit Bühnen- und Maskenbildner*innen zusammen. Er erschafft vorab eigene Welten, die er dann für uns ablichtet, sie stellen Parallelen zum Alltag dar. Schöne Bilder beispielsweise aus Palm Springs, das aber längst nicht mehr schön und hipp ist. Er thematisiert Probleme wie den Klimawandel, Flüchtlingskrisen oder die weltweite Covid-19-Pandemie. In seiner Serie „April-Fools“, entstanden in den ersten Monaten der Pandemie, skizziert er die Ungläubigkeit über diese Pandemie und die Skurrilität über manches Tun. Erwin Olaf selbst, alleine und ratlos unterwegs in einer geisterhaft verlassenen Stadt.

Viele seiner Bilder sehen auf den ersten Blick sehr aufgeräumt und schön aus. Doch wenn man hinter die Kulissen sieht, merkt man, dass hier nicht alles so ist, wie es sein soll. Man ist irritiert. Vieles ist „unheimlich schön“. Ja was eigentlich? Ist es jetzt unheimlich, oder ist es schön? Es gibt auf jeden Fall Rätsel auf.

Seine neueste Serie „Im Wald“ hat er eigens für die Ausstellung in der Kunsthalle München erstellt. Hierzu hat er in den bayerischen und österreichischen Alpen fotografiert. Caspar David Friedrich und andere Künstler der Romantik standen Pate. Es sind monumentale Schwarz-Weiß-Aufnahmen, wuchtige Berge, riesige Bäume und ganz klein der Mensch. Hier hat Olaf Bezug auf die Gegenwart genommen. Er leidet seit vielen Jahren an einer chronischen Lungenkrankheit, und Covid hat ihm die großen Dimensionen, aber auch die Endlichkeit des menschlichen Lebens verdeutlicht. „Wir sind nur ein Sandkorn in der Natur, in der alles seinen Gang geht.“

Der 62-jährige Olaf wurde vor ein paar Jahren mit den offiziellen Porträts des Königshauses beauftragt, im Rijksmuseum ist sein gesamtes Werk ausgestellt, 2019 ehrte man ihn mit zwei Retrospektiven. Er hat es geschafft. Aber er bleibt neugierig und wird sich bestimmt immer wieder weiter entwickeln. So ist er mit seinem Ehemann aus Amsterdam mitsamt den E-Bikes angereist, um München damit zu erkunden. Sympathisch noch dazu.

Erwin Olaf: Unheimlich schön
14.05.-26.09.2021
Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung
Theatinerstraße 8
(in den Fünf Höfen)
80333 München
T +49 (0)89 / 22 44 12
Geöffnet täglich 10–20 Uhr

c) Bilder: Kunsthalle Facebookseite

(1699)