Wunderschöner Blumen-Parcours

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Die Ausstellung Flowers Forever ist der Auftakt des Münchner Flower Power Festivals. Es hat noch nie eine so groß angelegte Ausstellung über die Blume in Kunst und Kultur von der Antike bis zur Gegenwart gegeben. Kann man das glauben? Blumen gibt es doch eigentlich überall! Ich freute mich sehr auf die Blumen-Galerie, aber ich hatte ein klein wenig Angst, dass es vielleicht kitschig oder langweilig sein könnte. Doch weit gefehlt. Es ist nicht nur ein Augenschmaus, man gewinnt auch Erkenntnisse.

Denn die Geschichte der Blumen und Blüten wird hier dargeboten von der Antike bis zur Gegenwart und ist dabei so appetitlich angerichtet, dass es nicht eine Aneinanderreihung von Exponaten ist, sondern ein erquicklicher Rundgang, thematisch geordnet. Es steht einem frei, bei einem Thema länger, beim anderen Thema kürzer zu verweilen. Ungefähr 200 Werke sind zu sehen, dabei lernt man die Rolle von Blume und Blüte tatsächlich in den Gebieten Kunst, Kultur, Wissenschaft, Geschichte, Religion, Literatur, Politik und Mythologie kennen. Ökonomie und Ökologie wird angesprochen, und zu ganz alten Bildern und Exponaten gibt es moderne Interpretationen und witzige, verspielte Dinge zu sehen, die einen Wow-Effekt hervorrufen. Auf statische Bilder und Figuren kommen moderne Fotografien, Video-Kunstwerke, moderne Experimente oder AR-Kunstwerke mit aufblühenden und verblühenden Tulpen, mit dem Bitcoin-Börsenkurs verbunden.

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Die Besucher*innen können Tablets in die Hand nehmen und ein wenig herumexperimentieren und probieren. Jede*r findet hier etwas Interessantes und kann dabei sogar noch lernen. Dass Blumen und Blüten für Liebe und Erotik stehen, ist wahrscheinlich jedem klar. Aber dass Tulpen im 17. Jahrhundert Zahlungsmittel waren und die Börsen zum Einsturz gebracht haben, das hätte ich nie gedacht. Mittlerweile werden sie in solchen Massen produziert, dass die Tulpenfelder von oben bizarr aussehen und gar nicht mehr an Blumenfelder erinnern. Klimawandel ist ein Thema, ein Gerät aus China in einer Region, in der es keine Insekten mehr gibt, die bestäuben. Die Menschen müssen es selbst tun. Filigranen Blumenskulpturen steht ein Upcycling-Werk gegenüber: Ann Carringtons Werk „Delft Snowball“ von 2021 aus Löffeln, Gabeln, Nägeln und Silberperlen. Alte Möbel und Meißner Porzellan, Vasen, Leuchten, Flaschen, Dekofiguren, es gibt hier fast nichts, was es nicht gibt.

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DRIFT, Fragile Future, 2009

Hier eine Lichtinstallation mit wirklich echten Löwenzahnsamen, die von Hand gesammelt und Samen für Samen auf LED-Leuchten geklebt wurden. Kaum vorstellbar, dass es tatsächlich Besucher*innen gibt – selbst erlebt –, die mal einfach anfassen oder pusten wollen. Die Museumswärter hatten viel zu tun. Es wird auch zeitkritisch. Dieses Bild prangert weibliche Genitalverstümmelung an.

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Ovanto, Flowers, 2018

Die Gesichter werden durch die Blumen unkenntlich gemacht. Die Diktatur in Nordkorea lässt junge Mädchen im Gleichschritt, immer schön lächelnd, aufmarschieren. Von weitem erkennt man das Individuum gar nicht mehr, das sieht dann tatsächlich wie eine skurrile Blumenwiese aus. Werke von Warhol sind hier, Ai Weiwei und Banksy – vorsichtshalber hinter Glas.

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Zwei Räume sind jeweils einem einzelnen Künstler gewidmet. Für die britische Künstlerin Rebecca Louise Law haben Münchner*innen fast ein Jahr lang Blumen gesammelt und zur Kunsthalle gebracht. 100.000 Blumen wurden gebraucht. Um genug Platz dafür zu haben, wurde eigens ein stillgelegtes Schwimmbad in München umfunktioniert. 180 Freiwillige haben diese dann sortiert, angeordnet und aufgehängt. Die sinnlich riechende Rauminstallation „Calyx“ darf man betreten. Man steht in einem Meer aus Blumen, seien es Rosen, Getreideknospen oder Disteln, alles riecht und sieht wunderschön aus, ungewöhnlich auch. Es ist schwer, sich von dem Raum zu verabschieden.

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Ebenso ging es mir in dem Raum des 63-jährigen franco-mexikanischen Künstlers Miguel Chevalier. Er ist ein Pionier digitaler und virtueller Kunst, und er hat mit Hilfe einer KI „Extra Natural“, einen virtuellen Blumengarten erschaffen. Eine Schau, dieser Raum! Die Farben, die sich verändernden Formen – die Bewegungen der Besucher*innen sind der Grund dafür – herrlich!

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Wer noch nicht genug von Chevalier hat, momentan gibt es noch etwas von ihm zu sehen bei Ludwig Beck am Marienplatz  ( KLICK ). Ganz umsonst.
Ach, und kleine Randbemerkung, um zu sehen, wie aufmerksam die Ausstellung konzipiert wurde: Es wird in jedem Raum Klassik gespielt, aber nur „Blumenmusik“, wie beispielsweise Crisantemi von Giacomo Puccini. Ist das nett?

Flowers Forever
3.2. – 27.8.2023
Kunsthalle München
Theatiner Straße 8
(in den Fünf Höfen)
80333 München
+49 (0)89 / 22 44 12
Täglich geöffnet von 10 – 20 Uhr
(Dienstag halber Preis)

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