Die private Sophie Scholl

Harter Geist, weiches Herz
21, Studentin Philosophie & Biologie
Kunst & echter Kaffee

Klingt nach einer sympathischen jungen Frau, dieser Text, der da als Selbstbeschreibung unter einem Bild auf Instagram erscheint. Doch die Frau ist nicht irgendwer, es handelt sich um Sophie Scholl, die am 9. Mai 2021 ihren 100. Geburtstag gehabt hätte. Anlässlich dieses Geburtstags und ihr zu Ehren haben der SWR und der BR ein Instagram-Projekt ins Leben gerufen.

Es sollen nicht nur die letzten Monate im Nazi-Widerstand gezeigt werden und das Ende, das wir alle kennen, sondern Sophie Scholl soll den staubigen Geschichtsbüchern entsteigen, und uns soll Einblick in ihr Leben und ihre Persönlichkeit gewährt werden. Alle kennen diese Fakten: Sophie Scholl gehörte zum Kreis Weiße Rose um ihren Bruder Hans und Alexander Schmorell. Die Weiße Rose prangerte die Verbrechen der Nazis an und verteilte Flugblätter, um die Menschen aufzurütteln. Am 18. Februar 1943 wurden Hans und Sophie Scholl bei einer Aktion in München festgenommen und vier Tage später hingerichtet. Aber was war vor der Weißen Rose? Die junge Frau, die für alle eine Ikone ist, hatte auch zwei Seiten, wie alle. Sie hatte Stärken und Schwächen, Ängste und Sehnsüchte, war tiefsinnig, aber auch leicht und albern, wie andere junge Menschen auch. Zu ihrem 100. Geburtstag wollte man sie von ihrem Sockel mit der Aufschrift „Widerstandskämpferin“ holen. Man wollte sie zum Menschen machen, damit sie vor allem auch für junge Leute in der Gegenwart wieder ein nachvollziehbares Vorbild werden kann. Eine Influencerin sozusagen. Was würde eine heutige Sophie unter „@ichbinsophiescholl“ posten? Der Instagram-Kanal „@ichbinsophiescholl“ begleitet auf diese Art und Weise die letzten zehn Monate im Leben der Münchner Studentin.

Sophie wird als eine neugierige junge Frau gezeigt, die frisch nach München kommt, um ihr Studium aufzunehmen. Am 4. Mai 1942 reist sie von Ulm nach München, um Philosophie und Biologie zu studieren. Raus aus der Provinz! „Studieren in der Großstadt, ich freu mich, auf alles was kommt“, jubelt Sophie in die Kamera für Instagram. Sie stürzt sich ins Studentenleben. Genießt die Überraschungsparty, die ihr Bruder Hans zu ihrem 21. Geburtstag für sie organisiert. Sie lebt sich ein in München, lernt neue Freunde kennen. Sie schreibt sich mit ihrem Verlobten Fritz Hartnagel wunderschöne Briefe, aber sie hadert auch mit der Liebe, kann es selbst nicht fassen, dass sie ihn liebt, ihn, der als Offizier im Russlandfeldzug dient. Was die Nationalsozialisten tun, entsetzt sie. So kommt es auch, dass sie sich der Widerstandsgruppe anschließt und zur Tat schreitet. Der Regisseur Tom Lass hat zusammen mit seinem Team in Briefen, Tagebüchern und historischen Dokumenten recherchiert. Das meiste ist authentisch, aber manches ist wegen der schauspielerischen Darstellung auf Instagram auch eine kleine fiktionale Erzählung, etwa wenn Sophie das Geburtstagspaket von ihrer Mama öffnet. Es wird eben eine kleine Geschichte erzählt, wenn Sophie in die Kamera spricht. Sie wird von der Schweizer Schauspielerin Luna Wedler gespielt, Max Hubacher stellt Hans Scholl dar und Maria Dragus ihre Schwester Inge. Einige Einblicke in Sophies Welt und ihre wichtigsten Bezugspersonen werden gezeigt. Der Drehaufwand war annähernd der eines Spielfilmes. 17 Drehtage gab es in Berlin und München, an Originalschauplätzen und historisch eingerichteten Räumlichkeiten. Luna Wedler drehte den Großteil selbst mit einer kompakten Filmkamera unter Anleitung des Regisseurs Tom Lass. So wirkt das Ganze auch wirklich wie aus den Augen einer jungen Frau, und auch die allseits so beliebten Selfies sind dabei. Das Ganze ist dann zwar historisch, aber dennoch persönlich und mit einer gewissen Leichtigkeit und Humor. Der Instagram-Account lässt Kommentare und somit Interaktionen zu und trägt damit zur Attraktivität für junge User*innen bei. Start des Projekts war am 4. Mai, an dem Tag, an dem Sophie Scholl auch im Jahr 1942 von Ulm nach München reiste. Im Februar 2022 wird es dann die letzten Posts geben. Erzählt wird bis zu der Verhaftung von Sophie und Hans Scholl am 18. Februar nach der verunglückten Aktion mit den Flugblättern im Lichthof der Ludwig-Maximilians-Universität. Die Frau, die heuer 100 Jahre alt geworden wäre, erlebt dann ihre letzten Tage. Vier Tage später werden sie und ihr Bruder hingerichtet.

@ichbinsophiescholl

c) Bild 1: SWR/Èdith Carron/Sommerhaus Film

Bild 2: Screenshot
 

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