Transatlantische Geschichte(n)

Alles so neu hier – das wird zumindest oft behauptet, wenn es um Trans*- und nonbinäre Identitäten geht. Ganz so, als gebe es sichtbare Trans*identitäten und die Trans*Community erst seit ein paar Jahren und die Gesellschaft habe noch gar keine Zeit gehabt, sich zu gewöhnen (während sich gleichzeitig gern für Toleranz und Offenheit gegenüber der vermeintlich superjung-postmodernen Entwicklungen auf die Schulter geklopft wird). Dass diese in der Mehrheitsgesellschaft oft so „gefühlte Wahrheit“ nicht den Tatsachen entspricht, zeigt derzeit die Ausstellung TransTrans – Transatlantische Transgendergeschichten noch bis Ende des Monats im Amerikahaus.

Denn tatsächlich fanden sich Trans*Menschen das 20. Jahrhundert hindurch selbst über Grenzen und Weltmeere hinweg zusammen, um sich gegenseitig zu unterstützen. Und sie waren es auch, die zum Beispiel Mediziner*innen und Jurist*innen fanden, kontaktierten und mit Informationen versorgten, die bereit waren, sich und ihre Privilegien für die Anliegen von Trans*Menschen einzusetzen. Oft stehen jetzt aber nur noch diese einzelnen Verbündeten im Licht der Menschenrechtsgeschichte, während diejenigen vergessen oder als passive Empfänger*innen medizinisch-gesellschaftlichen Fortschritts dargestellt werden, die tatsächlich den Wandel anstießen und gestalteten. Die Trans*Community gibt es schon sehr, sehr lange, und sie selber hat ihre Geschichte erkämpft und geschrieben, aller Kriminalisierung, Skandalisierung und Pathologisierung zum Trotz – das zeigt die Ausstellung anhand von vielen historischen Dokumenten und Kommentaren, die einerseits Zusammenhänge erklären, andererseits auch die Methodik der Ausstellung offenlegen und selbstkritisch reflektieren.

Beeindruckend ist zum Beispiel das wandgroße Diagram zu den transatlantischen Verbindungen zwischen Trans*Menschen, Organisationen und Ärzt*innen um die Mitte des letzten Jahrhunderts. Und das Verweilen und Zuschauen absolut wert ist die Videoinstallation „Carlas Wohnzimmer“: In einer Kulisse, die einem privaten Treffpunkt von amerikanischen Trans*Frauen in den 1950er-Jahren nachempfunden ist, lesen Trans*- und nonbinäre Menschen ganz unterschiedlichen Alters aus medizinischen Fragebögen und Briefwechseln vom Ende des 19. und aus der Mitte des 20. Jahrhunderts vor und kommentieren das Gelesene aus ihren eigenen Erfahrungen heraus.

Die Ausstellung TransTrans ist in den oberen beiden Stockwerken des Amerikahaus zu sehen. Zeitgleich gibt es im Erdgeschoss die Ausstellung TransMünchen, die die Geschichte aus Münchner Sicht ergänzen soll – und diese zweite Ausstellung ist leider ein Paradebeispiel für den Spruch „Gut gemeint ist das Gegenteil von gut gemacht“. Hier wurde scheinbar von außen über die Community geschrieben, „was man halt so schreibt“, es werden jede Menge hochproblematischer Klischees und Begriffe reproduziert und auch völlig irreführende Dinge behauptet. Intersektionalität oder die äußerst wichtige Rolle von queeren BIPoC auch in der hiesigen Community kommen überhaupt nicht zur Sprache. Weil das alles nicht so stehenbleiben kann und soll, gab es vor Kurzem eine partizipative Aktion, bei der diese Ausstellung von queeren Menschen kommentiert und korrigiert wurde. Leider sind die schriftlichen Ergänzungen und Einsprüche, die dabei in Absprache mit dem Amerikahaus vor den Schautafeln abgelegt wurden, inzwischen wieder verschwunden. Und das wunderhübsch glitzernde geschlechtsneutrale Klohäusl (-zelt), das mangels einer „Toilette für alle“ im Haus (die ohnehin eine Selbstverständlichkeit sein sollte) neben dem Gebäude aufgebaut worden war, musste gleich wieder mitgenommen werden. Also den Besuch lieber auf die oberen Stockwerke konzentrieren und dann noch ein Eis essen gehen.

Zu sehen noch bis Ende Juli im Amerikahaus, Karolinenplatz 3
Öffnungszeiten: Montag und Dienstag von 10 bis 17 Uhr, Mittwoch bis Freitag von 10 bis 20 Uhr, an den Wochenenden von 10 bis 18 Uhr; Feiertags geschlossen

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