Auf dem Planeten Schmerz

„Ich male mich, weil ich viel Zeit allein verbringe“. Wie kommt es, dass eine junge Frau so viel alleine ist? Es handelt sich um die junge Frida Kahlo. Geboren 1907, gestorben 1954, hat sie leider viel Leid erleben müssen. Als junges Mädchen hatte sie einen Unfall in einem Bus, bei der sich eine Eisenstange durch ihr Becken bohrte. Lange Zeit war sie im Krankenhaus, ihr ganzes Leben lang litt sie immer wieder an den damals verursachten Verletzungen. Im Utopia in Schwabing, der ehemaligen Reithalle, können Besucher*innen noch bis zum 10. Februar ein ganz besonderes Kunsterlebnis erfahren: „Frida Kahlo immersiv“ bedeutet so viel wie Eintauchen in das Leben der mexikanischen Ausnahmekünstlerin.

Und das passiert tatsächlich. Zuerst gehen wir an einem Zeitstrang vorbei, an dem ihre Lebensstationen erklärt werden. Selbst das geschieht schon auf eine etwas außergewöhnlichere Art und Weise.

Es wird zum Herantreten an die Bilder gebeten, Augen verfolgen einen, ein Selfie-Sofa lädt zum aktiven Mitmachen ein.

Dann treten wir in die Ausstellungshalle. Hochleistungsprojektoren machen den Boden und die Wände zu Leinwänden, auf Sitz- und Liegesäcken ist man mittendrin. Musik und gesprochene Originalzitate sollen das immersive Erlebnis verstärken. Die Schau soll die Besucherinnen und Besucher in Kahlos Haus, die „Casa Azul“, im mexikanischen Coyoacán versetzen. Eine deutsche Stimme mit spanischem Akzent, die an die Synchronstimme Salma Hayeks erinnert (vor allem aus dem Film „Frida“), erzählt Fridas ganzes Leben.

Kinderbilder, Familienbilder, Selbstporträts, alles, was ihr Leben ausmacht, von der eher ärmlichen Kindheit mit dem intellektuellen Vater, der strengen, gläubigen Mutter, den geliebten Schwestern.

Dann sieht man an der Wand vor sich einen Busfahrer von hinten. Es ist als befände man sich in einem Bus. Eine bunte Welt gleitet davor und daneben an einem vorbei. Vorne sieht man den Fahrer, rechts und links die Fenster, doch nicht die Häuser von Mexiko-Stadt, sondern Bild-Motive von Frida Kahlo ziehen vorüber. Und plötzlich gibt es einen gewaltigen Krach, alles zersplittert, man nimmt fast physisch wahr, dass man sich in dem Bus befindet, in dem Frida Kahlo damals diesen grässlichen Unfall hatte, der Unfall, der ihr ganzes Leben veränderte. Dennoch lernt sie den fast 20 Jahre älteren, überaus bekannten Maler Diego Rivera kennen und lieben.

Doch ihr Leben ist alles andere als harmonisch und normal schon gar nicht, mit einem Mann, der sie noch im ersten Jahr der Ehe betrügt. Sie sucht sich auch Affären, und nicht nur Männer. Sie zerbricht fast daran, dass Diego etwas mit ihrer Lieblingsschwester anfängt, und vor allen Dingen an ihren Fehlgeburten. Immer wieder diese Schmerzen durch ihren damaligen Unfall und auch diese psychischen Verletzungen machen sie sehr unglücklich. Dennoch hat sie einen beneidenswerten Lebenswillen. Kahlo heiratet Diego sogar ein zweites Mal. Sie ist politisch engagiert und hat einen großen Freundeskreis, darunter viele Künstler.

Übrigens: Ihr Markenzeichen, diese dicke Monobraue über ihren faszinierenden Augen, hat sie laut der Stimme in der Ausstellung etwas übertrieben, diese hatte sie in Wirklichkeit gar nicht so ausgeprägt.

Sie wollte sich in ihren Bildern mit etwas Besonderem zeigen. Dass sie mit Mitte 40 sterben musste – an einer Lungenembolie – war und ist ein großer Verlust.

Diese Art Erlebnisausstellung ist ein nicht ganz günstiges, aber großes und schönes Erlebnis.

“Viva Frida Kahlo”
bis 10. Februar 2023 im Utopia, Heßstraße 132, München

https://www.utopia-munich.com/fridakahloausstellung

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