01.06.2013 in der Münchner Stadtbibliothek im Westend: Peter Probst liest anlässlich des 50. Geburtstags der Bibliothek und des jährlichen Nachbarschaftstags aus seinem Krimi Blinde Flecken. Der Autor sowie Schreiber von Drehbüchern, unter anderem für Tatort und Polizeiruf 110, hat die Handlung des Buches im Westend angesiedelt.

Blinde Flecken2004: Tim Burger ist im Auto seiner Mutter unterwegs. Im CD-Player läuft Rammstein. Die Wut auf seine Freundin, auf Fremde und Juden lässt ihn diese Amokfahrt durch München machen. Zudem findet er passende Opfer für seine Aggression: Jugendliche des Sportclubs Blau-Weiss 57, ein jüdischer Verein; er rast auf sie zu, Blutspritzer verteilen sich auf der Frontscheibe.

2008: Der Privatermittler Anton Schwarz erwacht aus einem Traum, er vermisst seine Frau. Da klingelt es an der Tür. Der Rechtsanwalt Loewi erteilt ihm den Auftrag, den Fall Tim Burger neu zu untersuchen. Diese Amokfahrt ist dem ehemaligen Polizisten noch gut im Gedächtnis. Der Häftling Burger steht kurz vor der Entlassung, aber da gibt es laut Loewi noch so manche Ungereimtheiten. Schwarz ist für diesen Auftrag der Richtige. Ihn interessieren keine Überwachungen von untreuen Frauen etc. Man weiß, dass er der Mann ist, dem man Fälle anvertraut, um die Schuld oder Unschuld von Verurteilten zu beweisen. Vielleicht kann der private Ermittler dazu beitragen, dass die Freilassung von Burger verhindert wird?
Tim Burger ist im Knast gefürchtet, er trainiert hart und hält sich von den anderen Häftlingen fern. Seine Zeit wird kommen.

Dieser Krimi ist im Bereich der Nazi-Szene angesiedelt. Dem Autor selbst ist es wichtig, damit die Finger in eine Wunde zu legen. Diese Geschichte ist allerdings nicht aus der jüngsten Zeit, nein, der Stoff ist im Jahr 2010 erschienen.
Nach dem, was ich gehört habe, ist das Buch sicher sehr gut lesbar. Witzige Sequenzen gibt es auch, was die Zuhörerschaft zum Schmunzeln gebracht hat. Interessant ist unter anderem die Stelle, als Schwarz der ehemaligen Freundin von Burger ein Handy abnimmt, mit dem sie ihr Gespräch aufzeichnen wollte bzw. sollte. Wie geht das weiter?

Probst hat seinen Privatermittler bisher drei Mal durch die Straßen Münchens geschickt, unter anderem eben auch in die Landsberger Straße. Hier kennt sich der Schreiber aus: Seine Eltern betrieben hier in der Vergangenheit eine Augenarztpraxis. Zum Krimischreiber hat ihn der Deutsche Taschenbuchverlag (dtv) gemacht. Dieser ist an ihn herangetreten und hat gefragt, ob er sich vorstellen könnte, einen Krimi zu schreiben. Die verantwortlichen Verlagsmitarbeiter haben sich dann allerdings ein wenig darüber erschrocken, in welchem Stadtviertel Probst seine Geschichte angelegt hatte. Damals haben die Berichte um die rechte Terrorzelle im Bereich des Martin Wieses eine gute Grundlage für die Erzählung geboten. Diese rechtsradikale Gruppierung hatte ihren Sitz an der Landsberger Straße und plante auch einen Anschlag auf den Münchner Christkindlmarkt sowie bei der Grundsteinlegung des jüdischen Zentrums am Jakobsplatz.
Die „blinden Flecken“ ergeben sich laut Probst auch heute immer noch bei der Ermittlungsarbeit von Polizisten und Staatsanwälten, die Aussagen von Zeugen, Beweise von Judenhass bzw. Rechtsextremismus ausgeblendet haben und immer noch ausblenden. Oft wird auch schlampig mit Ermittlungsakten umgegangen, ebenso werden viele Aspekte nicht ernst genommen, auch im Fall Wiese.

Peter ProbstNach der Lesung forderte Peter Probst die Anwesenden auf, Fragen zu stellen. Dies nutzte das Publikum:
Wie sind Sie auf diesen Stoff gekommen?
Peter Probst: Aufgrund einer Einladung war ich bei der Eröffnung des jüdischen Zentrums in München dabei. Nach einem Gespräch mit der Leiterin des jüdischen Kulturzentrums habe ich eine Recherche über die Wiese-Bande durchgeführt, mit Aussteigern aus der rechten Szene und Initiativen gegen Rechtsextremismus gesprochen. In der Folge musste ich mehrfach unter Polizeischutz Lesungen abhalten.

Was sind das für Leute, die sich dem Rechtsradikalismus verschreiben?
Peter Probst: In meinen Augen ist der Rechtsradikalismus unter anderem ein Phänomen, das über die neuen Bundesländer hierher gefunden hat. Die Verwahrlosung von Kindern ist eine weitere Ursache. Ich habe den Amokfahrer Burger eine bürgerliche Erziehung in einem finanziell gut gestellten Gräfelfinger Haushalt genießen lassen, allerdings geprägt durch eben jene Verwahrlosung.
Ein weiterer Umstand ist in meinen Augen auch der Rechtsrock oder ebenso ein einschneidendes Erlebnis innerhalb einer Gruppe und einer folgenden Ausgrenzung.
Beängstigend ist auch, dass, selbst als der Anführer Wiese in Haft war, sich seine Gruppierung weiter entwickelt hat. In der letzten Zeit hat es im Westend wieder rechtsradikale Schmierereien gegeben. Es gab Verhaftungen von drei Personen, einer davon ist aus der Gruppierung um Wiese.

Im Vorfeld der Lesung bemühte sich Peter Probst um die richtige Akustik für die Zuhörer, die nicht so einfach herzustellen war: Der Verstärker älterer Bauart und der gut besuchte Bücherflohmarkt im hinteren Teil des Raumes störten das ein oder andere Mal. Der Vorleser bannte trotzdem mit den richtigen Stellen aus seinem Buch die ca. 25 Interessierten. Gerne hätte ich danach ein Buch erworben, allerdings standen hierfür keine zur Verfügung, selbst mitgebrachte wurden vom Autor bereitwillig signiert.
Insgesamt eine kurzweilige und interessante Veranstaltung und ein lesenswertes Buch.

Informationen zu Peter Probst

Die Fälle des Privatermittlers Anton Schwarz:
Blinde Flecken (2010)

Personenschaden (2011)

Im Namen des Kreuzes (2012)

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