Wir brauchen einen ganz anderen Mut!

plakat
Ausstellungen und Lesungen im Literaturhaus am Salvatorplatz, diesem hübschen Haus mit Gastronomie mitten in der Stadt und doch irgendwie ein bisschen versteckt, sind immer schön.
Am 4.3. ging ich zur Ausstellungseröffnung über Stefan Zweigs letzte Jahre im Exil. Lesen sollte München-Tatort-Kommissar Udo Wachtveitl – ihn zu sehen ist auch immer ein Schmankerl für mich, live oder im TV. Der große Saal im 3. Stock – jeder muss am Thomas-Mann-Bären vorbei, um hineinzugelangen – ist rappelvoll. literaturhaus1

Es muss noch nachbestuhlt werden. Reinhard Wittmann von der Stiftung Literaturhaus stellt Herrn Klemens Renolder vor, den Kurator der Ausstellung, und befragt ihn, wie er denn ausgerechnet auf Stefan Zweig kommt und ihm, wie er weiß, Jahrzehnte seines Arbeitslebens gewidmet hat. Für Renolder hat Zweig schon von jeher eine Faszination ausgeübt. Er, dieser wirklich schlechte Schüler mit schlechtem Abitur, hat es später dann geschafft, die Leute zu begeistern. Er war interessiert an allem und hat Briefe geschrieben, Erzählungen, Romane, Novellen. Er hat Kontakt zu vielen berühmten Schriftstellern gehalten und war berühmt und finanziell gut gestellt. Uns werden zuerst Jugend und die Zeit bis hin zur Machtergreifung gezeigt, auch in Bilddokumenten. 1934 emigrierte er mit seiner zweiten Frau nach England, 1940 verließen die Zweigs Europa und gingen in die USA und zuletzt nach Brasilien, wo sie sich 1942 das Leben nahmen.
Udo Wachtveitl liest nun (zuerst heißt es aber noch „Lichter heller oder Brille aufsetzen“) aus Tagebucheinträgen, Briefen und Stefan Zweigs letzten Erinnerungen „Die Welt von Gestern“. Schnell wird man melancholisch, man erkennt, wie deprimierend nicht nur die Zeit an sich war, sondern wie schlimm es sein musste für jemanden, der aus seinem Land fliehen muss und an einem Ort endet, an dem er nicht einmal der Sprache mächtig ist, noch dazu wenn diese sein Werkzeug ist. Am Ende liest Wachtveitl aus einem Brief von Carl Zuckmayer vor, den er an Freunde geschrieben hat. Zuckmayer, selbst im Exil mit seiner Frau, hat auf einem Ausflug 1942 nicht gewusst, dass die Zweigs tot sind, und wurde gefragt, „Did you know Stefan Zweig?“. Wieso „Did you know?“. Da wurde ihm die Tragweite des Satzes klar. Er überlegte, wieviel schlimmer es wohl für die Zweigs gewesen sein muss im Exil als beispielsweise für ihn und seine Frau. Zweig war berühmt und hat wirklich alles verloren. Bevor das Licht angeht, lautet der letzte Satz aus dem Brief Zuckmayers an seine Freunde: „Gebt nicht auf, Kameraden!“.
Anschließend wird man gebeten, nicht alle auf einmal nach unten in die Ausstellung zu gehen, sonst würde es zu gedrängt. Es fällt aber nicht schwer, oben noch etwas zu verweilen: Es gibt einen Empfang bei Wasser und Brot – und Wein natürlich.
Die Ausstellung im Erdgeschoss zeigt als Schwerpunkt Leben und Werk Stefan Zweigs im Abschied begriffen. Hier noch die Zeit, in der alles gut war, Großbürgertum, Fin de Siècle, dann nationalsozialistischer Terror und Flucht.
 literaturhaus3literaturhaus2
Dargestellt wird das sehr schön als Hotelinneres: Im Eingangsbereich dicke Teppiche, plüschige Möbel, später aufgerollte Teppiche, Uniformjacken darüber geworfen, wie im Wiener Hotel Métropole, das umfunktioniert wurde zur Gestapo-Leitstelle, Verhöre und Folterungen fanden hier statt. Dies hat Zweig später in seiner berühmten Schachnovelle verarbeitet.
Im März finden noch weitere begleitende Veranstaltungen dazu statt, z.B. eine Matinee mit Sunnyi Melles und eine Lesung mit Friedrich von Thun.
Die Ausstellung dauert bis 7.6.2015.
Copyright Bild 1: Literaturhaus München

(2366)