Hier steckt Herzblut drin

cover-The-Damned-A-Night-Of-A-Thousand-VampiresDie 1976 gegründeten The Damned sind die erste Band der neuen Punk-Bewegung, die eine Single und mit Damned Damned Damned auch das erste Punk-Album veröffentlichten. Doch auch in der neu entstehenden Gothic-Szene machen sie sich schnell einen Namen. The Damned sitzen einfach zwischen den Stühlen, und das schon verdammt lange und verdammt gut.
Und so säumt am 28.10.2019 eine große Menge die Straßen von London, denn wohl mehr als tausend Vampire wollen dabei sein, wenn The Damned zu A night of a thousand vampires ins Palladium Theatre einladen. Das Bild ist in bester Hammer-Horror-Tradition in schwarz-weiß gehalten, während eine historische schwarze Begräbnis-Pferdekutsche durch die nächtlichen Straßen von London rollt. Der Blumenschmuck formt den Schriftzug The Damned, und im Inneren kann man durch die Glasscheiben einen Sarg erkennen. Schließlich hält die Kutsche vor dem Palladium, und Voodoo-Anhänger tragen den Sarg auf die Bühne. Die Vampir-Meute folgt andächtig und gespannt und nimmt die Plätze ein, während Christopher Lee zum Gruß von der Leinwand im Hintergrund aus seine Fangzähne entblößt. Erst mit dem Beginn der eigentlichen Show wird das Bild farbig, um den Abend in seiner ganzen Pracht festzuhalten.

Das Intro „Beauty of the beast“ wird von Monty Oxymoron auf dem Keyboard gespielt, der wie ein verrückter Professor aussieht. Derweil ist auch das Bühnenbild echt beeindruckend. Es gleicht der inneren Halle aus einem alten Dracula-Schloss und beinhaltet sogar einen begehbaren vier Meter hohen Torbogen, auf dem Andrew Pinching mit spitzen Zähnen sein Schlagzeug in Szene gesetzt hat. Captain Sensible ist eigentlich nur an der Gitarre erkennbar, denn er trägt einen sehr eleganten schwarzen Frack samt Zylinder. Bassist Paul Gray agiert als untoter Pirat im Gehrock und mit Dreispitz und sieht dabei echt sexy aus. Erst zu „Wait for the blackout“ erscheint auch Sänger David Vanian im klassischen Dracula-Cape, als wäre Bela Lugosi wiederauferstanden. Gleich der erste Song ist ein Fest, wird aber vom folgenden „Plan 9 Channel 7“ noch getoppt. Auf der Leinwand ist die legendäre Maila Nurmi als Vampira zu sehen, und zwei Tänzerinnen in ihrem ikonischen Look machen die Hommage perfekt. Über das coole „Standing on the edge of tomorrow“ kommen wir zum Klassiker „Grimly fiendish“, das wohl nie beschwingter als heute gewirkt hat. Die Trompeteneinlage rundet alles perfekt ab. Düster und geheimnisvoll wirkt hingegen „Dr Jekyll and Mr Hyde“, und man spürt, wie Vanian in seiner Rolle aufgeht. Er setzt sich außerdem eine unheimliche und irgendwie echt wirkende Bauchrednerpuppe auf den Schoß. Und überraschend läuft diese am Ende selbständig davon. In „Absinthe“ wird eine Artistin an ihren Haaren in die Höhe gezogen, dank flatterndem Cape zieht sie Fledermaus-gleich ihre Bahnen. Sogar an die passenden Windgeräusche wurde gedacht. In einem furiosen Finale wirbelt sie um ihre eigene Achse und versprüht dabei ein Feuerwerk von ihren Hüften, eine tolle Showeinlage. Mit „Under the floor again“ wird es etwas melancholisch. Dabei nimmt Vanian den Titel heute quasi wörtlich und nutzt den ruhigeren Moment und verlässt den Bühnenboden, um sich in der ersten Reihe bei jemandem auf den Schoß zu setzen, der auch direkt textsicher mitsingt. Im Anschluss wird „I just can’t be happy today“ sehr energetisch gespielt, und passend dazu wird der Bühnenhintergrund in Brand gesetzt, um die Dramatik zu unterstützen.

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Foto Credit: Dod Morrison

Weitere Vampire betreten die Bühne, hinter denen sich das Streicherensemble verbirgt, und „13th floor vendetta“, das in einem furiosen Finale endet, wird Vincent Price gewidmet. Nun reißt es etliche Leute von den Sitzen, kein Wunder, denn „Eloise“ ist eine der Hymnen überhaupt von The Damned, und die Unterstützung durch die Streichinstrumente kommt also gerade rechtzeitig. Einige Untote weisen jedoch das Publikum in seine Schranken. Einen Zuschauer ziehen sie sogar auf die Bühne und schlitzen ihn theatralisch auf. Nahtlos geht es mit „People are strange“ weiter, dessen Orgelintro von schaurigen Gitarrenklängen begleitet wird, die Captain Sensible Punk-gerecht mittels einer Bierdose erzeugt. Insgesamt hat der Song so einen psychedelischen Vibe, der ein Stück weit auch im rockigen Teil erhalten bleibt. „Curtain call“ singt Vanian besinnlich im Hintergrund und überlässt die Bühne einer Violinistin, die ihren Einsatz dramatisch hinauszögert. Plötzlich erscheint oben ein weiterer Teufelsgeiger, und es entsteht ein reizvolles Wechselspiel, bis Vanian die beiden von der Bühne weist. Denn das Finale rockt er selbst mitten im begeisterten Publikum. In „Tightrope walk“ haben wieder einige Artistinnen ihren Auftritt. Captain Sensible hat sich mittlerweile umgezogen und ist mit seinem Barett wieder als er selbst erkennbar. Nun folgt das düstere und gefühlvolle „The dog“, in dem die kleine Claudia aus Interview mit einem Vampir einen Auftritt hat und ihren Blutdurst stillt. Mit fettem Rock ’n‘ Roll-Drive wird „Neat Neat Neat“ gespielt. Vanian wirbelt über die Bühne und sieht jetzt aus wie eine Mischung aus Elvis und Bela B. Nahtlos geht das Stück in „Bela Lugosi’s dead“ von Bauhaus über. Trotzdem hat es Vanian in der Kürze der Zeit irgendwie geschafft, die Elvis-Tolle gegen eine beeindruckende Nosferatu-Optik einzutauschen. Als Reprise wird „Neat Neat Neat“ noch einmal explosiv aufgenommen, und mit „Black is the night“ findet ein denkwürdiger Abend sein Ende, nachdem Nosferatu aka David Vanian seinen Sargdeckel zugeklappt hat.

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Foto Credit: Dod Morrison

Fazit: Live-Konzerte von der Konserve sind oftmals schwierig, weil sie die spezielle Atmosphäre des Abends nicht richtig einfangen und ins heimische Wohnzimmer transportieren können. A night of a thousand vampires von The Damned ist da eine große Ausnahme, und das nicht nur, weil die Aufnahmetechnik brilliant ist. Der Sound ist glasklar, und auch das Publikum ist in der richtigen Lautstärke abgemischt. Hörbar, wenn es die Stimmung übertragen soll, aber nicht nervig oder gar alles überlagernd. David Vanian ist der charismatische Entertainer in der Rolle seines Lebens. Leidend, gefühlvoll, energisch oder Sinatra-like charmanter Gastgeber. Er hat diesen Abend konzipiert, und man spürt deutlich die Liebe zu diesem Projekt. Hier ist nichts dem Zufall überlassen, und hier stimmt einfach jedes liebevolle Detail. Hier steckt eindeutig Herzblut drin, und wohl noch nie ist dieser an sich etwas ausgelutschte Spruch so nah dran an der Wahrheit gewesen.

Anspieltipps: Die ganze verdammte Show vom Anfang bis zum Ende.
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The Damned: A night of a thousand vampires
earMusic (Edel), Vö. 28.10.2022
2CD + Blu-ray 22,99 €, 2LP 35,99 € ehältlich über JPC

Homepage: https://www.officialdamned.com/
https://www.facebook.com/OfficialDamned/
https://www.ear-music.net/

Tracklist:
01 Beauty of the beast
02 Wait for the blackout
03 Plan 9 Channel 7
04 Standing on the edge of tomorrow
05 Grimly fiendish
06 Dr Jekyll and Mr Hyde
07 Absinthe
08 Under the floor again
09 I just can’t be happy today
10 13th floor vendetta
11 Eloise
12 People are strange
13 Curtain call
14 Tightrope walk
15 The dog
16 Neat Neat Neat – Bela Lugosi’s dead
17 Black is the night

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