X Marks the Pedwalk – ein Name, den man nicht so schnell vergisst. Und ein Name, der in der (Düster-)Elektroszene auch schon sehr lange präsent ist. Ich muss allerdings zugeben, dass ich die deutschen Vorreiter von verfrickelten Endzeitsounds à la Skinny Puppy oder Front Line Assembly irgendwann etwas aus den Augen verloren habe. Selbige wurden mir aber vor einiger Zeit wieder geöffnet, als ich durch einen schier unglaublichen Zufall (Typ: Die Welt ist ein Dorf.) wieder auf X Marks the Pedwalk gestoßen bin und mir klar geworden ist, dass ich da ganz schön was nachzuholen habe. Seit damals hat sich nämlich einiges getan im Haus XMTP.
Aber erst einmal ein paar Worte zur Bandgeschichte. 1987 gründet Sevren Ni-Arb (André Schmechta) zusammen mit Regan Eracs (Jörg Böhme) das Projekt Scarecrow, aus dem kurz darauf nach den ersten Erfolgen – und einem Plattendeal beim legendären Zoth-Ommog-Label – X Marks the Pedwalk werden. Der Bandname geht auf eine Geschichte des Amerikaners Fritz Leiber zurück, Schauspieler sowie SciFi- und Horrorautor. Die darauffolgenden Jahre sind ereignisreich, Regan verabschiedet sich aus der Band, Raive Yarx (Thorsten Schmechta) kommt hinzu, ebenso wie Estefanía (Stefanie Eckmann, Andrés spätere Frau), die 1994 auf dem dritten Album der Band, The killing had begun, erstmals am Mikro zu hören ist. Der damalige Sound von XMTP ist düster, endzeitlich, mit Industrial- und EBM-Einflüssen, die nach und nach um Techno- und Raveelemente erweitert werden. Höhepunkt dieser Phase ist der Hit „Facer“ zusammen mit dem fünften Album Meshwork (beide 1995), dieser musikalische Weg wird auf dem nächsten Album Drawback (1997) fortgeführt.
Danach legen XMTP eine längere Pause ein und kehren 2010 als Duo (Sevren und Estefanía) mit dem Album Inner Zone Journey zurück, mittlerweile bei Torben Schmidts (Ex-Zoth Ommog) Label Infacted Recordings unter Vertrag. Musikalisch setzt man den vor über zehn Jahren eingeschlagenen Weg Richtung melodisch-treibendem Electro fort, den andere Bands wie VNV Nation oder Covenant ebenfalls Ende der Neunzigerjahre verfolgt und damit den Begriff „Future Pop“ geprägt haben. Nach einigen weiteren Alben bei Infacted gründet Sevren schließlich 2016 sein eigenes Label Meshwork, auf dem er seither den Output von XMTP und seiner anderen Projekte veröffentlicht. Diese aktuelle Phase der Band zeichnet sich durch größere Eingängigkeit und Synthpop-Affinität aus, bleibt dabei einerseits kühl-distanziert, verbreitet durch Ohrwurmmelodien und tiefgründige Texte aber auch eine gewisse Wärme. Man hat sich im Midtempo bestens eingerichtet, ist mal tanzflächenaffiner, mal introvertierter, und alles ist von der großen Lust am Kreieren ganz individueller Sounds durchzogen – da hat sich zu früher überhaupt nichts geändert, auch wenn XMTP mit den Jahren immer weniger harsch geworden sind.
Superstition, das aktuelle, zwölfte Album der Band ist im November 2023 erschienen und bietet, wie schon die direkten Vorgängeralben, eine rundum überzeugende Mischung aus etwas flotteren, tanzbaren Songs (z. B. „Fading waves“, „I can’t let you go“, „Your voice“, „Frozen eyes“) und melancholisch-hypnotischen Tracks (z. B. „Die with me“, „Who is right“). Sevren und Estefanía teilen sich wieder den Gesang, die Stimmen harmonieren sehr schön, vor allem bei „Die with me“, das wie eine Art Zwiegespräch aufgebaut ist. Superstition ist voller melancholisch-poppiger Synthperlen und ein perfekter Einstieg in das umfangreiche Schaffen von X Marks the Pedwalk. Vorsicht, Ohrwurmgefahr!
Parallel geht Sevren derzeit zusammen mit Sohn Luis Maximilian – der als LMX bereits vier Alben an der Schnittstelle zwischen Synth/Pop, Elektro und Ambient veröffentlicht hat – back to the Elektrolurchiroots. Am 20. September erscheint mit „Always“ die erste Single von Duophonic Noise Construction – Augen und Ohren aufhalten!
X Marks the Pedwalk sind seit über dreißig Jahren relevant und den musikalischen Entwicklungen der Elektroszene oft voraus. Ihr mögt Skinny Puppy und Co.? Hört in die alten XMTP-Sachen rein. Ihr mögt Future Pop à la (damalige) Covenant und VNV Nation? Hört in die mittlere Phase von XMTP rein. Ihr mögt elegant-melancholischen Synthpop, der eingängig und trotzdem komplex aufgebaut ist? Hört in die letzten Alben von XMTP rein. Ihr wisst das alles schon und gähnt hier gerade? Dann hört einfach noch mal rein, es gibt bestimmt noch etwas Neues zu entdecken.
Alben:
1992: Freaks
1993: Human desolation
1994: The killing had begun
1995: Meshwork
1996: Drawback
2010: Inner zone journey
2012: The sun, the cold and my underwater fear
2015: The house of rain
2017: Secrets
2020: Transformation
2022: New/End
2023: Superstition
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Duophonic Noise Construction
Meshwork
(Fotocredit: meshwork music)
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