Gab es die Blutgräfin wirklich?

Es war einmal an einem düsteren Winterabend in Stockholm: Ein junger Mann namens Quorthon hatte soeben viele Viking- und Doom Metal-Songs mit finsteren Themen geschrieben und brauchte nun einen passenden Namen für sein Projekt. Dann stieß er auf die Legende von der ungarischen Blutgräfin Elisabeth Bathory, die zur Erlangung ewiger Jugend im Blut grausam gefolterter und ermordeter Jungfrauen gebadet haben soll. Schon war der perfekte schauerliche und doch schmissige Bandname gefunden. Was aus der Band Bathory wurde, ist dem gediegenen Leser vermutlich bekannt, also soll es hier einmal um die Namensgeberin gehen.

Was nämlich klingt wie ein gruseliges Märchen hat in der Tat zumindest einen wahren Kern. Die Gräfin Elisabeth Bathory, im Ungarischen eigentlich Erzsébet Báthory, war eine der mächtigsten Frauen in der ungarischen Geschichte. Sie wurde 1560 als Spross des katholischen Adelsgeschlechts Báthory geboren und war verwandt mit mehreren ungarischen Königen. Ihre Familie zählte zu den Reichsten in ganz Osteuropa. Mit 14 Jahren wurde sie an den Grafen Franz Nádasdy verheiratet, und sie trat zum Protestantismus über. Hierin liegt auch der Grund, weshalb die Gräfin später verdammt wurde: Das 16. Jahrhundert war in Ungarn geprägt von Religionsstreitigkeiten, auf der einen Seite die katholischen Habsburger, die ihren Einfluss im Land ausbauen wollten, auf der anderen Seite die freien ungarischen Adligen, die als Gegenpol zu den Habsburgern zum Protestantismus übertraten.

bathory

Auf dem einzig erhaltenen Portrait ist Elisabeth Bathory als 25jährige abgebildet, der Künstler ist unbekannt.

Nach dem Tod ihres Mannes 1604 und ihres Bruders 1605 übernahm Elisabeth Bathory die Macht in ihren weitläufigen Ländereien und wurde durch ihre auffällige Unterstützung protestantischer Aspiranten auf die ungarische Krone zu einer ernsthaften Bedrohung für die Habsburger. Allerdings besaß sie einige der wehrhaftesten Burgen des Landes und konnte auf ausreichend Soldaten zu deren Verteidigung zurückgreifen. Deshalb griffen ihre Feinde zu einem Mittel, das auch heute noch recht beliebt ist: Negative PR. Gerüchte wurden in Umlauf gebracht über wahre Gräueltaten, die sich auf Bathorys Burg Cachtice ereignen sollten: Dienerinnen und junge Mädchen aus den umliegenden Dörfern verschwanden spurlos. Dies schließlich reichte, um 1610 Bathorys Ländereien zu beschlagnahmen, die Burg zu durchsuchen und ihre Zofen festzunehmen und zu foltern. Die Gräfin selbst wurde unter Hausarrest gestellt, während ihre gefolterten Dienerinnen diverse Gräueltaten und Morde zu Protokoll gaben, die die Inquisitoren eifrig mitschrieben. Die Zeuginnen wurden allesamt auf grausamste Weise hingerichtet, aber Bathory selbst blieb eine Gefangene auf ihrer eigenen Burg, bis sie 1614 an einer Krankheit starb.

Bisher konnte kein Vorwurf gegen sie bewiesen werden. Die Zeugenaussagen mit Details zu den Taten entstanden unter Folter, und der Heerführer, der auf ihrer Burg blutleere Leichen junger Mädchen gesehen haben will, profitierte persönlich von ihrer Entmachtung. Darüber hinaus hatten die Habsburger bereits zuvor mit ähnlichen, nur etwas weniger gruseligen Vorwürfen mächtige Feinde, insbesondere reiche Witwen, zu Fall gebracht. Das beginnende 17. Jahrhundert war ein Höhepunkt der Hexenjagden, und es gab so gut wie keine Möglichkeit, einmal erhobene Vorwürfe wieder zu entkräften. Außerdem hatten zu dieser Zeit Dienerinnen wenig Rechte – oftmals wurden sie von ihren Herrinnen überaus grausam behandelt oder kamen durch Schläge zu Tode, völlig ohne okkulten Hintergrund. Es ist durchaus vorstellbar, dass Elisabeth Bathory eine gewalttätige und grausame Chefin war, auch wenn sie vielleicht eher nicht im Blut ihrer Opfer gebadet hat.

Die derzeit wahrscheinlichste Theorie ist also, dass Elisabeth Bathory durch Intrigen kalt gestellt werden sollte. Ob sie eine grausame Serienmörderin war, lässt sich weder beweisen noch sicher widerlegen. Auf jeden Fall war sie eine der bedeutendsten Persönlichkeiten ihrer Zeit. Ob sich Quorthon allerdings dessen bewusst war, oder ob er einfach nur einen Namen brauchte, der an viel Blut und Grausamkeit denken ließ, sei nun einmal dahingestellt.

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