Über den Nordfriedhof von München gibt es verschiedene geführte Touren. Man erfährt dabei interessante Geschichte(n), allerdings ist mir das Umherstreifen auf eigene Faust lieber, da dies die Möglichkeit bietet, sich mehr Zeit nehmen zu können und auf eigene Faust interessante Grabsteine und Grabmäler genauer zu inspizieren..

Der bekannte Stadtbaurat Hans Grässel hat den Nordfriedhof als eine der vier großen Ruhestätten in München von 1899 bis 1907 geplant und errichtet. Seit der Eröffnung wurde er bereits neunmal erweitert, unter anderem integrierte Grässel im Bereich der heutigen Gräberfelder 1 mit 14 den seit 1874 bestehenden Friedhof der früher einmal selbstständigen Stadt Schwabing.

Nordfriedhof-Plan

Wenn man aus dem Untergrund der U6 (Haltestelle Nordfriedhof) ans Tageslicht kommt, erwartet einen die vielbefahrene Ungererstraße. Es geht kurz an der Friedhofsmauer entlang, bevor man rechts durch einen Nebeneingang das Friedhofsgelände betreten kann. Das Rauschen des Verkehrs bleibt hinter einem, je weiter man vorbei an unzähligen Gräbern (etwa 32.700 auf einer Fläche von 30,75 Hektar) ins Innere der Ruhestätte vordringt. Unterwegs kommt man immer wieder an steinernen Urnen-Türmen vorbei, ein schönes Relikt aus vergangenen Tagen, das Hineinschauen lohnt sich (sofern zugänglich).
Kaum zu übersehen ist im südlichen Teil der Obelisk, unter dem der Historienmaler und Direktor der Akademie der Bildenden Künste Carl Theodor von Piloty begraben liegt. Engel sind allüberall zu entdecken. Der aus Tirol stammende Maler Franz von Defregger und seine Familie liegt zu Füßen eines schönen blumenstreuenden Exemplars. Einen kleinen abgesperrten Garten mit eigener Büste wurde für den 108-jährigen Schauspieler Johannes „Jopie“ Heesters 2011 angelegt.

Außerdem haben folgende bekannte Namen ihre Ruhestätte hier gefunden:
Bally Prell (Volkssängerin, bekannt durch „Die Schönheitskönigin von Schneizlreuth“)
Eduard Zimmermann (Moderator und Mitbegründer des Opferhilfsvereins „Weisser Ring“)
Beppo Brem (bayerischer Volksschauspieler mit beeindruckender Größe – „wow, ist der groß“ raunte es durch das Publikum als er die Bühne betrat, habe ich selbst so erleben dürfen)
Klaus Havenstein (deutscher Schauspieler, Kabarettist u.a. auch bei der Münchner Lach- und Schießgesellschaft)
Constanze Engelbrecht (erfolgreiche und von mir geschätzte Schauspielerin und Synchronsprecherin)
Eine weitere Auflistung findet sich hier.

FerrariUnd dann gibt es einige kleine Geschichten zu entdecken, zum Beispiel die des 18-jährigen Ferrari-Fans, dessen Grabstein ganz in seinem Sinn gestaltet wurde. Auch buddhistische Kennzeichen kann man erkennen und einige farbliche Akzente innerhalb der Grabmale, unter anderem in dem im nördlichen Teil gelegenen Familiengrab von August und Maria Ungerer (Schwabinger Gutsbesitzer) sowie ihres Sohnes August Ungerer. 1886 erbaute er die erste elektrische Straßenbahn vom Großen Wirt in Schwabing zum Ungererbad, das er gestiftet hat.

Wenn man weiter im nördlichen Bereich des Friedhofareals herum streift, gelangt man zu einem Ehrenhain, der seit 1943 besteht, eine Neugestaltung fand 1959 statt. Die große Wiese ist durchsetzt von im Boden eingelassenen Gedenksteinen aus Porzellan. Hier sind 2099 Menschen bestattet (davon 159 Unbekannte), die dem Luftkrieg zum Opfer fielen.

Ehrenhain-1

Beim Durchqueren des Friedhofsgeländes sieht man immer wieder den achteckigen Kuppelbau der Aussegnungshalle, die an der Ungererstraße steht, durch die Bäume blitzen. Hans Grässel ließ sich beim Entwurf von frühchristlichen Bauwerken inspirieren. Das Oktogon im Inneren der Aussegnungshalle nimmt die Pfeiler- und Säulenordnung von San Vitale in Ravenna auf. Weitere Gestaltungselemente erinnern an die Basilika San Apollinare in Classe (Italien). Die Halle ist in der Regel kein Ort, an dem man sich gerne aufhält, aber die Ausmaße sind schon gewaltig.

Aussegnungshalle-01

Im dahinter gelegenen Außenbereich befinden sich Säulengänge, die sehenswert sind, die Aufbahrungshalle ist ebenso hier, ein für mich immer wieder bedrückender Ort. Danach kann man wieder ins Licht treten, die Brunnen plätschern vor sich hin und verleihen dem Ganzen eine Art von Ruhe und Beständigkeit. Der Ausblick auf die dahinter gelegene Gräberanlage ist von hier aus beeindruckend.

Beim Recherchieren für diesen Artikel fand ich folgenden Ausspruch der deutschen Schriftstellerin Kristiane Allert-Wybranietz: „Auf dem Friedhof sehe ich Gräber schön gepflegt mit Blumen und Sträuchern. Lasst mein Grab verwildern und gebt mir zu Lebzeiten die Blumen.“ Ich bin mir nicht sicher, ob das der Grund für so manche verwilderte Ruhestätte ist, die man genauso finden kann.

 

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