Station 2: Southampton

Wem klingt dieser Name nicht in den Ohren? Die Heimatstadt der Titanic, des berühmtesten Schiffs der Welt. Überhaupt vieler berühmter Schiffe. Umso enttäuschender ist es dann, wenn man als Besucher feststellen muss, dass die Stadt an Touristen eigentlich gar kein Interesse zu haben scheint.
Der Innenstadtbereich wartet gleich mit zwei großen Einkaufszentren und einer gut ausgestatteten Fußgängerzone auf. Sucht man allerdings nach netten Plätzen zum Sitzen, dann sucht man recht lange. Cafés scheint es bis auf die Spülwasser-Kette Costa keine zu geben, und der so wohlklingende ‚Mayflower Park‘ ist ein Stück Brachland am Hafen. Der Hafen selbst ist eher unspektakulär, und wenn nicht gerade ein Kreuzfahrtschiff ankommt oder ausläuft, gibt es eigentlich nicht besonders viel zu sehen.
Ein Lichtblick: die historische Altstadt. Man kann dem Verlauf der alten Stadtmauer von Southampton folgen, die im 14. Jahrhundert aufgrund französischer Überfälle um die Hafenstadt gebaut wurde. Lange Teile davon sind noch gut erhalten, allerdings mangelt es ein wenig an Ausschilderung – oft verliert man die Spur und findet die Mauer nur über Umwege. Dennoch ist der alte Stadtkern, in dem einige Gebäude über 700 Jahre alt sind, wirklich schön und sehr gepflegt, auch wenn man sich zuweilen vor Einsamkeit regelrecht fürchtet.
Wer Glück hat und am richtigen Tag im Sommer da ist, kann an einer historischen Stadtführung teilnehmen und bekommt einen tiefen Einblick in die interessante Geschichte der Stadt, plus unterhaltsame Anekdoten. Die Tatsache, dass ich die einzige bei dieser Führung war und eine Privat-Tour bekommen habe, spricht leider auch hier für sich.
Besonders erwähnenswert ist das in der Altstadt gelegene Tudor House, das auf 700 Jahre Geschichte zurückblicken kann und die Spuren von gleich mehreren Epochen trägt – vom Herrenhaus der Tudorzeit über ein Mehrfamilienhaus der Viktorianischen Ära bis es schließlich 1912 in ein Museum umgewandelt wurde. Eine liebevoll und interessant gestaltete Tour führt den Besucher durch die Epochen, erzählt große und kleine Geschichten und bietet viel Interessantes. Der geschichtsinteressierte Besucher kann sich hier mehrere Stunden lang aufhalten, ohne dass Langeweile aufkommt.
Im SeaCity Museum kann man sich über die Schifffahrtsgeschichte Southamptons kundig machen, allem voran natürlich dem Schicksal der Titanic, das hier ausführlich beleuchtet wird. Positiv sticht dabei heraus, dass nicht nur das Unglück im Vordergrund steht, sondern vor allem das Schiff selbst. Der Alltag auf der Titanic bis zur Nacht des 14.04.1912 wird anschaulich und mit Berichten von Zeitzeugen und Ausstellungsstücken beschrieben. Das Ganze ist stellenweise eine Spur zu kindlich aufgebaut, aber die Kleinen sollen ja auch was lernen.
Mag sein, dass Southampton keine Touristenstadt ist, aber gerade eine Stadt mit so viel interessanter Geschichte könnte wenigstens einen kleinen Anreiz bieten, sie zu besuchen. Wenn einem Einheimische auf die Frage, was man in Southampton ansehen kann, nach einigen Sekunden des Zögerns antworten: ‚Fahr doch nach Salisbury‘, dann ist definitiv irgendwas verkehrt. Selbst in der Tourist-Info bekommt man nebst spärlichen Auskünften über die Sehenswürdigkeiten der Stadt dann direkt gesagt, man könne ja mit der Fähre nach Hythe oder zur Insel Wight fahren. Es ist schade, dass an dieser Stelle so wenig getan wird, denn insbesondere die mittelalterliche Altstadt, aber auch der Schiffbau und das Bombardement der Stadt im Zweiten Weltkrieg hätten das Potential für viele interessante Aktivitäten. Aber wenn Museen nur sonntags geöffnet haben und man speziell nachhaken muss, um von den geführten Touren zu erfahren, ist es kein Wunder, dass Southampton eher langweilig wirkt.
Sein großer Bonus ist die Nähe zu wirklich interessanten Orten: Gleich am anderen Ufer des Flusses Itchen beginnt die bereits erwähnte Region New Forest. Außerdem ist man in einer Stunde mit der Fähre auf der Insel Wight, Portsmouth mit seinen historischen Schiffen ist auch gleich um die Ecke. Und meine persönliche Empfehlung für Besucher der Gegend: Winchester. Das kleine Dorf ist nicht nur ein bezauberndes, klassisch englisches Bilderbuchdorf, hier gibt es außerdem die längste Kathedrale Europas (168m) zu bestaunen. Dazu gibt es noch eine zwar gefälschte (immerhin von Edward I), aber deswegen nicht minder hübsch anzusehende Tafelrunde.
Wenn man also schon mal zufällig in Southampton vorbeikommt, kann man die Zeit auch direkt nutzen, um sich in der Gegend umzusehen. In Southampton selbst gibt es ja nicht besonders viel zu erkunden.

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