Lieben, Begehren, Wollen

In vier Episoden erzählt die Miniserie von dem Kampf von Miren, die sich nach 30 Jahren Ehe von ihrem Mann Iñigo befreien will. Und dabei hat alles so gut angefangen. Die erste Szene zeigt ein junges Liebespaar beim Sex. Es scheint viel Spaß zu machen, hier wirkt nichts gestellt oder geheuchelt. Dann beginnt die eigentliche Handlung. Miren sitzt bei ihrer Anwältin, sie besprechen die letzten Schritte, wie sie es machen soll, dass sie aus dem Haus kommt, wie ihr Mann von der Anzeige erfahren wird. Und dann kommt alles ganz anders.

Iñigo kommt früher von einer Geschäftsreise zurück, dabei steht der Koffer schon gepackt in der Ecke. Miren kann mit ein paar persönlichen Sachen und dem, was sie am Leib trägt, aus dem Haus fliehen. Sie kommt übergangsweise bei ihrem jüngsten Sohn unter. Ihre Söhne weiht sie ein. Keiner kann glauben, dass die Ehe so furchtbar war, wie sie es erzählt. Ihr Vater soll ihre Mutter 30 Jahre lang sexuell misshandelt haben? Sie haben ja gar nichts mitbekommen! Es gab auch keine Handgreiflichkeiten, es ist schwer zu glauben, vor allem für den Ältesten, der selbst schon verheiratet ist und ein Kind hat. Doch vor Gericht kommt alles zu Tage. Regelmäßige Vergewaltigungen, monetäre Unterdrückung, Psychospielchen, Gewaltausbrüche seitens des Ehemanns. Irgendwann hat Miren verstanden, wie alles zusammenhängt, wie sie es leichter macht für sich und ihre Kinder: irgendwie mitspielen. Deshalb können es die Söhne auch nicht verstehen. Die Anklageschrift ist schwer zu ertragen. Die Fragen, die die Anwältin an den angeklagten Mann stellt sowie dessen Antworten ebenso. Die Miniserie schafft es in vier Teilen ganz gewaltige Dinge zu erzählen, etwas, das einen schwer einschlafen lässt. Viel Zeit verstreicht hier, ganze drei Jahre bis zum Gerichtsurteil. Viel passiert hier auch. Miren muss arbeiten, aber da sie nicht in ihrem Beruf weiterarbeiten durfte, kann sie jetzt nur in einem Supermarkt jobben. Es geht ihr finanziell nicht sehr gut, aber das war sie ja 30 Jahre lang gewohnt. Mit ihrem ältesten Sohn hat sie lang keinen Kontakt, auch der Jüngere hadert sehr. Zeugen für das, was da passiert ist, gibt es so gut wie keine, und wenn, dann will keiner aussagen. Wie der Titel schon sagt, was „Hinter verschlossenen Türen“ passiert, kann man eben schwer beweisen. So steht Aussage gegen Aussage. Lieben, Begehren, Wollen, das bedeutet das spanische Wort „Querer“. Lieben, Begehren, Wollen, das sieht sowieso für jede*n anders aus, aber das, was in Mirens Leben allgegenwärtig war, war es nicht. Frauen, die ein Leben lang Opfer sind, sollten nicht auch noch vor Gericht zum Opfer gemacht werden. Die Französin Gisèle Pelicot hat es vorgemacht, sie schämte sich nicht, all die Ungeheuerlichkeiten zu erzählen. Am Ende war ihr Mann das Monster. Ob das in dieser unfassbar guten Miniserie auch so ist, müsst ihr selbst ansehen. Ich war auf jeden Fall unheimlich wütend, betroffen, berührt – so soll Fernsehen sein.

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Querer – Hinter verschlossenen Türen
Produktionsland: Spanien
Genre: Drama
Cast: Nagore Aranburu, Pedro Casablanc, Miguel Bernardeau, Iván Pellicer u.v.m.
4 Episoden noch bis 4.12.2025 in der Arte Mediathek

 

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