Melancholische Roboter und einsame Maschinen

Die Geschichten vom Loop spielen in der Kleinstadt Mercer in Ohio, USA. Sind es die 70er Jahre? Die 80er Jahre? Das ist im Prinzip egal, hier ist alles ein wenig zeitlos, still, minimalistisch. Etwas von Unsere kleine Farm meets Die Waltons oder auch Stranger Things versus Twin Peaks. Das Städtchen Mercer sieht so unspektakulär aus, doch unter der Stadt gibt es den Loop, einen Teilchenbeschleuniger, der die Mysterien der Welt aufklären soll. Im Hintergrund der Stadt stehen riesige Roboter verschiedenster Art, Häuser haben seltsame Antennen, man sieht leuchtende Fabriktürme, Reaktoren und Traktoren, die über den Weizenfeldern und Wiesen schweben und nicht darauf stehen.

Der Einstieg in die Serie gelingt perfekt. Nach einem langen, gleichmütigen Tag während der Ausgangssperre ein Setting, das interessant aussieht, einen nicht mit Hektik überfällt, Außergewöhnliches verspricht. Und es wird auch außergewöhnlich, aber anders als man sich vielleicht denkt. An der Oberfläche gibt es vieles, das uns vertraut vorkommt, das man vielleicht aus seiner Kindheit in den 70er/80er Jahren so kennt: manuelle Schreibmaschinen, Telefone an der Wand, Ringelpullover. Doch gleich in der ersten Episode passiert Unglaubliches. Ein kleines Mädchen kommt nach der Schule nach Hause, und da steht nicht mehr das Haus, in dem sie mit ihrer Mutter wohnt. Das Haus ist weg, die Mutter ist weg, man sieht nur noch die Spuren im Schnee von der Mülltonne, als die Müllabfuhr sie zum Müllwagen gezogen hat. Das Mädchen findet auch ihre Mutter nicht mehr – zumindest nicht mehr in diesem Zeitgefüge – dafür aber einen jungen Freund, der sich ihrer annimmt.
Dieser Junge wird in der zweiten Episode seinen großen Bruder verlieren, der sich immer um ihn gekümmert hat, so schön zeichnen konnte und so perfekt war. Verschwunden ist er, weil er mit seinem Freund im Wald in eine Maschine gestiegen ist, mit der sie Körper tauschen konnten. Leider kam irgendwann nur noch der Körper des Bruders zurück – mit der Seele des Freundes in sich. Nun hadert natürlich auch die Familie des Freundes. Der leere Körper liegt im Koma im Krankenhaus. Der Sohn selbst ist weg. So sehen es die Eltern. Aber nicht die taubstumme kleine Schwester. Diese mag die leere Hülle im Krankenhaus bald nicht mehr besuchen. „Er ist ja nicht da!“ signalisiert sie ihren Eltern. Indes, er besucht sie manchmal nachts draußen vor dem Haus und unterhält sich in Zeichensprache mit ihr – im Körper des besten Freundes. Lauter so kleine ergreifende Dinge passieren, mal mehr, mal weniger erschütternd oder weltbewegend. Es betrifft aber nie nur eine Person oder eine Familie, letztendlich ist das ganze Städtchen ineinander verwoben, und die Geschichten betreffen nie nur die Gegenwart.
Ein junges Mädchen, sehr technikaffin, repariert liegengelassenes, scheinbar sinnloses Werkzeug – und kann damit die Zeit anhalten. Ein Einwohner bastelt an einer schwebenden Maschine – und katapultiert sich damit in eine andere Zeit und an einen anderen Ort, aber auf jeden Fall dahin, wo der hübsche Kerl wohnt, den er die ganze Zeit auf dem Foto in der Maschine angebetet hat.
Dass der Erfinder des Loops, der Großvaters des kleinen Jungen, damals einen unheimlichen Roboter baute, das hat tragische Konsequenzen für seinen Sohn und Vater des kleinen Jungen.

Die acht wundervollen kleinen Geschichten sind ineinander verwoben, und doch wird die Geschichte nicht aufgelöst. Eins ist allerdings klar: Der Loop und all diese seltsamen Maschinen und Gegenstände da draußen in und um Mercer spielen eine ebenso große Rolle, wie die Menschen selbst. Die Wracks, die alten Maschinen, rostigen Eisenkugeln, fast wie Ufos, die alten, schwerfälligen Roboter. Wie kann es sonst angehen, dass einen der traurige Blick eines eingerosteten Roboters traurig macht?

Die Welt dieser Roboter, der Ufo-ähnlichen Behältnisse und des scheinbar nutzlosen Industriemülls hat sich der 36-jährige Schwede Simon Stålenhag ausgedacht, ein Maler, Autor und Musiker. Stålenhags Tales from the Loop ist eine Geschichte aus fotorealistischen Gemälden, die sehr retrofuturistisch wirkt, sie spielt aber auf den Mälarinseln bei Stockholm. Das Setting um das Städtchen Mercer herum wurde fast identisch nachgebaut.

Diese Serie ist spannend und gleichzeitig entspannend. Sie wirft Fragen auf, die nicht geklärt werden, und doch ist man zufrieden damit. Sie entschleunigt mit ihren stillen, teils ungewöhnlichen Bildern und mit der Musik von Philip Glass. Dies ist eine ganz klare Anschau-Empfehlung von mir zu Zeiten der Coronavirus-Pandemie, in der wir alle stillhalten sollten.

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Tales from the Loop
Produktionsland: USA
seit 3. April auf Amazon Prime
Dauer: 8 x 50-57 Minuten
Genre: Drama, Science Fiction, Mystery
Drehbuch: Nathaniel Halpern
Regie: jede Episode jemand anderes, u.a. Jodie Foster
Musik: Philip Glass, Paul Leonard-Morgan
Cast: Jonathan Pryce, Rebecca Hall, Dan Bakkedahl u.v.m.

 

(1908)