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Twin Peaks, oder was?

Bei Serien, die sich selbst in der Tradition von Twin Peaks sehen, werde ich vorsichtig, denn meist haben sie mit dem Meisterwerk von Lynch nichts zu tun und kommen nicht einmal annähernd an die Erfolgsserie heran. Mit Twin Peaks hat Wayward Pines insofern Ähnlichkeit, als es in einer Kleinstadt in den Bergen liegt, deren Name aus zwei Wörtern besteht. Es gibt einen Bundesagenten (vom Secret Service, nicht vom FBI), und die Handlung gehört in das Feld der Mystery-Serien.
Ich möchte nicht zu viel von der Handlung verraten, sondern lediglich einordnen helfen, was man sich wirklich von dieser Serie erwarten darf. Da sie im Moment noch läuft und noch nicht einmal zehn Folgen ausgestrahlt wurden (auch in deutscher Sprache bei iTunes zu erwerben), kann dies hier auch keine vollständige Abhandlung sein. Produziert wird die Serie von M. Night Shyamalan (bekannt durch The Sixth Sense und The Village, allerdings auch aus Filmen wie The Happening oder After Earth, die nicht sehr wohlwollend kritisiert wurden). Die Handschrift des Produzenten, der in der Pilotfolge auch Regie führt, ist deutlich zu spüren.
Die unterschwellige Bedrohung, dieses Gefühl (das im Grunde fast alle Bewohner der Kleinstadt haben), dass alles falsch ist, eine Atmosphäre von Verlust und erzwungener Fassade, all das kann man spüren und mitfühlen.

256270-281x308-offDer Sherriff der Stadt (hervorragend dargestellt von Terrence Howard, L.A. Crash), der in seinem Auftreten etwas an den Operative der Allianz in Serenity. Flucht in neue Welten (gespielt von Chiwetel Ejiofor) erinnert, fröhlich-freundlich und bei Bedarf unterschwellig oder offen drohend, notfalls auch brutal, ist da eine Ausnahme und Teil der Kräfte, die das Gefühl der Bedrohung aufrecht erhalten.
256263-281x308-offDen Helden der Geschichte, freilich auch gebeutelt von vergangenen Fehlern, spielt Matt Dillon (u.a. L.A. Crash). Ethan Burke, Secret Service, soll in Idaho das Verschwinden zweier Kollegen untersuchen. Er wird in einen Autounfall verwickelt und wacht in der Kleinstadt Wayward Pines auf, die in einer malerischen und wunderschönen Landschaft liegt. Genauer gesagt wacht er mit Gehirnerschütterung im Krankenhaus auf und ist erst einmal vollkommen desorientiert. Schwester Pam (gespielt von Melissa Leo, seit Mitte der 80er-Jahre in bald 100 Produktionen zu sehen), vermittelt auch sofort mit dem Auftreten der älteren Krankenschwester die Autorität, die Patienten benötigen, die nicht wissen, was gut für sie ist.
256267-281x308-offDer Agent entlässt sich selbst, stößt in der Bar auf unverhoffte Unterstützung (gespielt von Juliette Lewis), findet erst den einen der vermissten Agenten tot auf, dann den anderen Agenten, seine ehemalige Geliebte (die Affäre hätte beinahe Burkes Ehe zerstört, und sein Sohn hegt noch immer Groll gegen die Geliebte und seinen Vater), die allerdings seit vielen Jahren in einer glücklichen Ehe in Wayward Pines lebt und sich vorgeblich an nichts davor erinnern kann.

Und hier kommen nach und nach die Mystery-Elemente ins Spiel: Die Bewohner sind zu unterschiedlichen Zeiten aus ihrem Leben gerissen worden, im Krankenhaus aufgewacht, nur stimmt die zeitliche Parallelität nicht: Burke ist jetzt in Wayward Pines aufgewacht, seine Hilfe aus der Bar stammt aber aus den 90er-Jahren und lebt seit 4 Jahren in Wayward Pines. Seine ehemalige Geliebte fehlt erst seit kurzem, hat aber vor Jahren glücklich geheiratet.

Aber damit hält sich Burke kaum auf. Viel schwerer wiegt für ihn, dass er nicht raustelefonieren kann (die Telefonate mit der Secret-Service-Zentrale stellen sich als getürkt heraus), dass die einzige Straße, die aus der Stadt führt, die einzige Straße ist, die in die Stadt hineinführt, dass die gesamte Stadt in einem Ausmaß überwacht wird, wie es Orwell sich nicht hätte ausdenken können. Es gibt ein paar Regeln, die streng zu befolgen sind und zunächst Befremden auslösen: niemals über die Vergangenheit sprechen, immer ans Telefon gehen usw. Verstöße werden mit einer öffentlichen ,,Abrechnung“ geahndet, kurz: Der Sherriff schneidet auf einer Tribüne, während die Stadt begeistert zusieht, dem Delinquenten die Kehle durch. Und beim Versuch, die Stadt zu Fuß durch den Wald zu verlassen, stößt Burke auf eine riesige Umzäunung, die nicht durchbrochen werden kann.

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Um dieser Serie eine faire Chance zu geben, muss man mindestens die ersten fünf Episoden anschauen. Denn auch die Schauspielleistung ist teilweise recht ernüchternd: Sofern nicht noch herauskommen sollte, dass Valium im Trinkwasser ist, überzeugt mich weder Juliette Lewis noch der ewig gleich dreinblickende Dillon. Die Motivation der einzelnen Figuren ist nicht immer nachvollziehbar, gerade bei Entscheidungen fällt das immer wieder auf.
Aber: Die Handlung nimmt mit Episode 4 und den nachfolgenden an Fahrt auf, die Wayward Pines von The Village, Under the Dome, Between, Lost und anderen ,,Wir sind hier alle eingesperrt und wissen nicht, was passiert“-Serien befreit und seinen eigenen Weg einschlagen lässt, sodass es in der Tat etwas Einzigartiges zu werden scheint. Während bei den vorgenannten Serien nämlich meist nur das Eingesperrtsein durch andere Arten von Zäunen und die Gruppendynamik innerhalb der Eingesperrten betrachtet wird, schlägt Wayward Pines angenehm früh den Weg ein, mehr die Bewacher in den Blick zu nehmen und gibt dem Protagonisten auch bald – so viel sei verraten – die Möglichkeit, auf Basis umfassender Informationen sich für eine Seite zu entscheiden. Das hängt sicherlich auch damit zusammen, dass Wayward Pines auf einer Buchtrilogie basiert, die bereits diese Handlungsrichtungen vorgibt.

Jedenfalls revidiere ich mein ursprünglich vernichtendes Urteil und bin mit der Serie (derzeit) soweit versöhnt, als dass ich sogar eine Ansehen!-Empfehlung aussprechen möchte.

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Vielen Dank an lateranus für diesen Bericht!
Copyright Bildmaterial: Fox

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