Ein nicht endender Überlebenskampf

c) Sky

Wir haben das Jahr 1996. Die erfolgreichen jungen Mädchen der High-School-Fußballmannschaft „Yellowjackets“ dürfen zu einem wichtigen Wettkampf nach Seattle fliegen. Doch das Flugzeug mit den Mädchen und auch einigen Kerlen kommt nie an. Es stürzt über Kanada mitten in der Wildnis ab. Die Überlebenden müssen 19 Monate ausharren, bis sie gerettet werden.

Parallel wird das Leben der Überlebenden in der Gegenwart, 2021, gezeigt. Auch 25 Jahre später müssen alle immer noch mit den Geistern der Vergangenheit kämpfen.

Extreme Situationen erfordern extreme Reaktionen. Da wird geschrien, geweint, verstummt. Aber die eigentlich unscheinbare 16-jährige Misty hackt ihrem Trainer gleich in den ersten Minuten den von einem Flugzeugteil zerquetschten Unterschenkel ab, schnürt die Arterien ab, legt einen Druckverband an, als hätte sie ihr Lebtag lang nichts anderes gemacht. Auch die anderen sind tapfer, Situation unter Kontrolle bringen, Tote beerdigen, Vorräte packen, Lage checken, Unterkunft suchen. Sie finden ein Häuschen, wo sie zumindest vor Regen und Kälte etwas geschützt sind. Unheimlich sind zwar nachts manche Geräusche, und auch, dass in den Baumrinden seltsame Muster eingeprägt sind. Doch sie sind mit Essen einteilen, Beeren und Wasser suchen beschäftigt, später auch mit kollektivem Waschen der blutigen Unterhöschen. Das Drama hat sie alle aufeinander eingeschweißt. Das Essen wird weniger, es muss gejagt werden. Talente werden entdeckt, jede*r macht, was er kann. Es wird irgendwann kalt, sehr kalt. Es gibt Schnee und Eis und anscheinend keine essbaren Tiere mehr in diesem Nirgendwo. Eine Suppe mit seltsamen Pilzen und ein Gebräu mit ein paar giftigen Vogelbeeren lässt sie eines Abends völlig enthemmen. Am nächsten Tag können sich nur noch die wenigsten daran erinnern, wie es zu diesem abgenagten Frauenskelett vor ihrer Hütte kommt, nur noch vage, dass das angekohlte Fleisch einfach köstlich und sättigend war.

Doch mit den Gräueln in der Vergangenheit ist das Unheil nicht passé. Auch die Gegenwart ist nicht für alle rosig. Zwar haben manche Karriere gemacht, aber Seltsames passiert mit einem Mal mit ihnen. Außerdem hat sich einer von ihnen angeblich umgebracht. Das können ein paar Freundinnen, die all die Jahre hindurch Kontakt hielten, überhaupt nicht glauben. Und dann kommt noch dazu, dass eine von ihnen in eine Affäre hineinstolpert, plötzlich alle erpresst werden, und es zu einem Mord kommt! Und immer und immer wieder will ich wissen, wie und wann es zur Rettung kommt. Wieso dauert das 19 Monate lang? Wer hat alles überlebt? Denn nicht jedes Mädchen aus 1996 hat eine erwachsene Rolle in 2021. Wieso bringt sich ein Überlebender später angeblich um, warum stürzt Natalie so ab, und was ist mit Misty passiert, die als Erwachsene von Christina Ricci gespielt wird. Habe ich diese eigentlich schon jemals in einer „normalen“ Rolle gesehen? Und Juliette Lewis als erwachsene Natalie wird ihrem Rock-Bitch-Ruf wieder einmal gänzlich gerecht.

Ich kann nicht einmal sagen, dass es am Ende der ersten Staffel einen Cliffhanger gibt. Jeder Teil ist spannend. Dieses spannende Drama um Überlebende à la Herr der Fliegen, Lost, The Wilds und The 100 stellt die Frage, was wird aus Menschen, die Schreckliches erfahren und überlebt haben. Die Geretteten haben geschwiegen, deshalb wird in der Gegenwart immer noch spekuliert, und das ist höchst unterhaltsam. Ein sehr pointierter und geschmackvoller Soundtrack mit vielen (weiblichen) Indie- und Punkrockperlen jener Zeit (Hole, Liz Phair, PJ Harvey, Portishead …) rundet das Ganze ab.

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Yellowjackets
Genre: Survival, Drama, Mystery, Horror
10 Folgen pro Staffel à 55 Minuten
Mit Melanie Lynskey, Tawny Cypress, Christina Ricci, Juliette Lewis u.v.m.
Auch die 2. Staffel seit 26. März 2023 auf Sky

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