Gut gemeint, schlecht gemacht
Man muss nun wirklich kein Plattenliebhaber sein, um zwischen blankem Entsetzen und einem bitteren Weinkrampf schwebend den Pseudo-DJ zu beobachten. Selbst ich, die ich die Schallplattenzeit nur noch ganz knapp in den Ausläufern erlebt habe, weiß, dass man nicht einfach mitten drauftatscht und sie auch nicht mal eben quer über den Plattenteller schiebt und weiteres. Die Musikbeispiele sind Kraftwerk und noch irgendwas Einschlägiges, das mir nicht mal im Gedächtnis bleibt. Nun weiß ich, dass Krautrock Elektromusik ist. Dafür erzählt Dirk Wagner von … keine Ahnung. Ein herrlicher Selbstdarsteller, der sich wahnsinnig gerne reden hört, nur leider zum Thema sehr wenig Fundiertes zu sagen hat. Die Leute um mich rum fangen fast das Randalieren an, weil sie nahezu sämtliche Aussagen widerlegen können.
Irgendwann hat das Elend ein Ende, und ich war selten so froh. Lerneffekt gleich Null, Interessantes zum Thema Krautrock, zur Einführung in die fünfteilige Reihe und musikalische Beispiele, die mir das Genre näherbringen, sind leider Fehlanzeige. Mieser Auftakt, der zu sehr aus dem Ruder gelaufen ist, lautet nicht nur mein persönliches Fazit des ersten Teils des Abends.
Es geht aber weiter, und endlich kommen wir mal zum Kern der Sache. Michael Rother und Hans Lampe gehen auf die Bühne und zeigen mal, was Musik ist. Lampe gibt am Schlagzeug alles und stellt so manchen jungen Drummer in den Schatten. Mit viel Energie und noch mehr Spaß fetzt er die Songs runter, bei denen ich mich ernsthaft frage, sind die alle improvisiert (was eine klasse Leistung wäre!)? Oder handelt es sich hierbei wirklich um komponierte und probbare Stücke (was mich mit der großen Frage nach dem „Wie?“ zurücklassen würde)? Jedenfalls erleben nun die Anwesenden, die ganz nah an die Musiker herantreten dürfen, die ohne Graben und Security einfach spielen, was Krautrock ist. Dabei strahlen Rother und Lampe Leidenschaft und viel Talent aus, so dass Zuhören und Zusehen zur wahren Freude werden. Der einstündige Auftritt lässt für die ältere Generation alte Zeiten aufleben – für die Jüngeren bedeutet es ein bisschen Wehmut, im Bezug auf das, was man verpasst hat.
Stabil Elite stehen danach auf der Bühne, zu spät, zu blass. Es ist schade, dass die jungen Talente weniger Aufmerksamkeit bekommen, aber das liegt einfach an der leider etwas ungünstigen Planung. Man ist wegen Rother und Lampe da, wegen der Diskussion – auch wenn die bescheiden war -, aber nicht wegen einer jungen und noch ziemlich unbekannten Band.
Das Fazit des Abends fällt sehr gemischt aus. Die Diskussion wirkte unstrukturiert und hätte ebenso wegfallen können. Selbstdarsteller braucht eine solche Veranstaltung nicht, lieber Gesprächspartner mit Wissen, die wirklich was zu sagen haben. Positiv waren beide Konzerte, auch wenn ich Stabil Elite weniger abgewinnen konnte. Mitunter ist es sehr abstoßend, wenn Musiker gleich beim ersten Song mit Kippe auf der Bühne stehen, auch musikalisch hab ich nicht ganz den Draht zu ihnen finden können.
Kraut und Drastik ist eine fünfteilige Reihe, die bis Mai in der Werkstatt in den Münchner Kammerspielen stattfinden wird. Man sollte schnell sein, die Karten sind begrenzt und begehrt. Termine: 25.01., 15.03., 05.04. und 17.05. Eintritt: 15 €.
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