Licht und Schatten

p1050329Im Südwesten von München befindet sich an der Tischlerstraße eine Kriegsgräberstätte. Am Tag des offenen Denkmals fällt mir als erstes die alte, verwitterte Mauer auf, die die 100 m breite und 150 m tiefe Waldlichtung von der Straße abgrenzt. Ein schmiedeeisernes Tor gibt den Blick auf ein Betongebilde frei, das an die Architektur der 70er Jahre denken lässt. Eingeweiht wurde diese Fläche allerdings am 20. Juni 1965. Das Innere dieses Bauwerks soll eine kleine Sehenswürdigkeit bergen: Am Zusammenstoß der zwei dreieckigen Betonplatten ist eine 13 m hohe Prismenscheibe eingesetzt. Bei Sonnenschein ergibt sich ein bunter Lichteinfall, der sich dann an der gegenüberliegenden Seite zeigt. „Die Färbung kann man daraufhin an einem Relief von 3.543 aneinander geschweißten, länglichen Stahlplatten“ (1), die bewusst der Korrosion anheim gegeben wurden, sehen. In jedes der Schildchen ist der Name eines auf diesem Ehrenfriedhof begrabenen Toten eingestanzt. Leider ist aufgrund der bewölkten und regnerischen Wetterlage nichts von der Herrlichkeit zu sehen. Einzig ein Foto des Geschichtsvereins Hadern e.V. zeigt, wie es bei Sonnenschein aussehen würde:

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Hinter dem Gebäude erstreckt sich das Gräberfeld. Bevor man dieses betritt, führt der Weg über eine Wasserfurt. „Hier ist die antike Vorstellung vom Übertritt ins Totenreich symbolisiert“ (1). Nach der Überquerung sind rechts und links jeweils ein Block aus Jurakalkstein aufgestellt, diese sind „auch aus der Vogelperspektive als Kreuz zu erkennen“ (1). Die nun folgenden quadratischen Gedenksteine am Boden weisen auf „3540 Gefallene und Opfer der beiden Weltkriege aus 18 Nationen“ (2) hin. „Jeder Soldat erhielt ein eigenes Grab. Unter den Opfern des Zweiten Weltkriegs sind auch Zivilpersonen (Frauen und Kinder), die zu einem Arbeitseinsatz in Deutschland gezwungen wurden. 83 Tote des Zweiten Weltkriegs konnten trotz aller Bemühungen des Umbettungsdienstes nicht identifiziert werden“ (2). Nach Auskunft eines Mitarbeiters des Geschichtsvereins Hadern e.V. wurden auch zum Teil Gebeine von Kriegsopfern aus Familiengräbern mit Einverständnis der Hinterbliebenen hierher verlegt.

p1050319Bemerkenswert sind die aufgeführten Namen in deutschen wie in kyrillischen Schriftzeichen. Wenn man dem vorgesehenen Weg folgt und links und rechts die Aufteilung der Grabsteine verfolgt, kann man je nach Blickwinkel verschiedene Muster erkennen. Berührend ist das einzelne Grablicht und der Blumenstock in einiger Entfernung, auch hier wird selbst heute noch eines Toten gedacht.

Diese Begräbnisstätte überzeugt nicht durch ihre Vielschichtigkeit wie auf vielen anderen Friedhöfen, sondern durch ihre Geschichte. Ein Teil der Architektur ist die Verwitterung und das Vergehen, um genau auf diese hinzuweisen.

 

 

Quellen:
(1) Handout Geschichtsverein Hadern e.V., Sept. 2014
(2) Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V.

 

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