Ein Paradies in Moosach

d2Treffpunkt ist um 11.00 Uhr der Torbogen Franz-Marc-Straße.
Eine recht große Menschenmenge interessiert sich für die Historie der Borstei. Frau Juliane Reister, die uns das Thema nahebringen wird, ist eine kleine, ältere, resolute und für das Thema in Leidenschaft entbrannte Dame – leider kann sich ihre Stimme in der großen Menge an Leuten nicht durchsetzen. Man versteht sie sehr schlecht. Das ist aber das einzige Manko dieses Vormittags.

Die Borstei ist eine denkmalgeschützte Wohnsiedlung in Moosach, die zwischen 1924 und 1929 von dem Architekten und Bauunternehmer Bernhard Borst erbaut wurde.
Borst, der in seiner Jugend ein traumatisches Erlebnis hatte – seine Mutter war mit 53 Jahren durch schwere Arbeit und die Erziehung von sechs Kindern an Erschöpfung gestorben – hatte die Vision, den Alltag den Frauen und Müttern leichter zu machen.
1928 erhielt die Borstei das erste zentrale Heizkraftwerk Deutschlands, das heute noch in Betrieb ist. Alle Wohnungen der Anlage wurden mit großem Komfort ausgestattet: Zentralheizung, fließend heißes Wasser, Bad mit Waschbecken und Bidet, Gasherde, beheizte Garagen, Kinderspielplätze in den Höfen. Wäsche konnte abgegeben werden und wurde schrankfertig wieder zurückgeliefert. Für Arbeiten in den Wohnungen standen Handwerker verschiedenster Gewerke zur Verfügung. Und dies ist heute noch so. Die Bewohner werden angehalten, zuerst die eigenen Dienstleister der Borstei zu kontaktieren, bevor sie nach außen gehen.
Zusätzlich zu dem Gedanken, den Bewohnern der Anlage das Leben so leicht wie möglich zu machen, wollte Borst es ihnen auch so schön wie möglich machen. Es sollte farbenfroh aber doch so geschmackvoll wie möglich sein, die Höfe und Häuser sollten licht und hell sein. Deshalb gibt es zu den Wohnungen auch keine Balkone, die den anderen wieder das Licht nehmen würden, nein, es gibt Gauben (der einzige Balkon der ganzen Borstei war Borsts eigener, hier überblickte er sein Reich).
Er wollte Kunst hier haben. Borst pflegte Freundschaft und Kontakte zu Künstlern, so hat er Werke von Wackerle, Bleeker, Rauch, Knecht, Fehrle, usw. in seinen Gärten in Form von Brunnen, Skulpturen, Statuen, Reliefs, einem Kenotaph und Fresken.
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Sogar das Müllhäuschen wurde mit einem Relief versehen, wie man heute noch sehen kann.
Großen Wert legte er aber nicht nur auf Kunstwerke an den Fassaden und Höfen, die dekorativen Elemente der Häuser waren ihm auch sehr wichtig.
Oswald Bieber ist verantwortlich für die Gestaltung der Türen, Oberlichter, Geländer, Fensterumrahmungen, Laternen, Treppenhäuser. Der Grafiker Eduard Ege, der u.a. auch das Bayerische Staatswappen und das Münchner Stadtwappen entworfen hat, übernahm die grafische Gestaltung des Borstei-Logos, der Hausnummern und der Beschriftung über den Läden. Uns wird erklärt, dass neuen Mietern immer noch nahegelegt wird, sich bei der Klingelbeschilderung an die richtige Schrift zu halten.
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Nach dem 2. Weltkrieg zieht Borst mit seiner Familie in die Borstei. Dieses Werk, diese Anlage war sein Lebenstraum. Sein Traum wäre es auch gewesen, hier beerdigt zu werden. Der Sarkophag steht, doch er ist leer. Die Stadt München hat ihm diesen letzten Wunsch verwehrt. Borst hat im Westfriedhof, nur um die Ecke zwar, aber eben doch nicht IN der Borstei, sein Grab.
Die Dame, die uns diesen informativen und vergnüglichen Vormittag ermöglicht hat, meinte „So gut, wie Borst zu Lebzeiten war, ist er bestimmt in den Himmel gekommen“.
Klingt kitschig, und doch müssen einige ein kleines Tränchen wegwischen.
www.borstei.de
de.wikipedia.org/wiki/Borstei

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