Beiträge

Bad Guy und Femme fatale

Slick ist ein Ex-Boxer, Spieler, Kriegsveteran und kleiner Gangster, der die Schulden seines Bruders bei dem Unterweltboss Rex begleicht, indem er Einbrüche in seinem Auftrag ausführt. Rex Freundin Caprice ist Slick nicht unbekannt, er kennt sie aus der Vergangenheit, und die Anziehungskraft der Burlesque-Tänzerin ist immer noch sehr stark. Allerdings wird sie demnächst seinen Boss heiraten, und dieser schätzt es überhaupt nicht, dass das nicht respektiert wird. Slick sieht letztendlich nach einem vergnüglichen Ausflug mit der Schönheit schon dem Tod ins Auge, als Rex ihm ein Angebot macht. Weiterlesen

Geschichte, Unruhen und Mord

der-nasse-fischBerlin in den späten Zwanzigerjahren, es rumort gewaltig während der Weimarer Republik. In diesem spannungsgeladenen Umfeld findet sich Kriminalkommissar Gereon Rath wieder. Er wurde nach der Vermittlung seines Vaters von der Mordkommission in Köln zur Berliner Sitte versetzt. Gereon wäre es natürlich viel lieber, gleich der Abteilung von Ernst Gennat, dem legendären Berliner Mordermittler, zugeteilt zu werden, allerdings muss er nach einer Verfehlung in Köln den Ball flach halten. Und so kann er sich nur auf eigene Faust an den Ermittlungen zur Auffindung eines unbekannten Toten beteiligen. Bei der Sitte kann Rath erste Erfolge vorweisen, und er lernt seine neuen Kollegen besser kennen, unter anderem auch die bei der Mordkommission beschäftigte Charlotte Ritter. Allerdings verliert er den noch nicht identifizierten Toten dabei nicht aus den Augen. Rath sammelt Informationen und geht Risiken ein, einige davon sind zu seinem Vorteil, andere zu seinem Nachteil. Weiterlesen

Was aus den Menschen wurde

das-imperium-des-atoms
Hin und wieder stolpert man eher zufällig über ein Buch – und ist sofort fasziniert: Der Comic Das Imperium des Atoms erregte meine Aufmerksamkeit, weil A. E. van Vogt einen Roman gleichen Titels geschrieben hat (Originaltitel: Empire of the Atom, 1965; deutsche Ausgabe: Das Erbe des Atoms). Als eine kurze Recherche dann ergab, dass dieser Comic sich mit Leben und Werk des amerikanischen Science-Fiction-Autors Cordwainer Smith befasst, war klar: Dieser Titel ist ein Must-Read!

Leise Töne, beeindruckende Zeichnungen

 

Yoichi geht 1966 mit 19 Jahren an die Universität in Tokyo, und er kommt erst nach über zweidie-sicht-der-dinge Jahrzehnten das erste Mal wieder in seine Heimatstadt Tottori (Japan), um an der Totenwache für seinen Vater teilzunehmen. Ihr Verhältnis war aufgrund der negativen Erlebnisse des vormals kleinen Jungen, hauptsächlich aufgrund der Trennung von Vater und Mutter, nicht gut.
Am geöffneten Sarg seines Vaters trifft er auch auf seine Familie, die sich sehr freut, den verlorenen Sohn wiederzusehen. Da sind seine Schwester Haruko, die Stiefmutter Tsuruko und insbesondere sein Onkel Daisuke, der Bruder seiner Mutter. Im Verlauf der Nacht kommen so manche Erinnerungen in Yoichi hoch, es werden interessante Geschichten zum Leben des Verstorbenen erzählt und so manches ins rechte Licht gerückt, an das Yoichi nur eine vage Erinnerung hat.
Nach dem großen Feuer, das im April 1952 weite Teile von Tottori und die Existenzgrundlage der Familie, ein Friseurgeschäft, zerstörte, ist vieles nicht mehr so, wie es einmal war. Der Vater arbeitet viel, um die Schulden zu tilgen, die Mutter kümmert sich um die Kinder, fühlt sich einsam. Da passiert das Unfassbare für Yoichi: seine Mutter verlässt ihren Mann und die Kinder. Haruko reagiert darauf gefasst, aber für Yoichi bricht eine Welt zusammen, und die Missstimmungen zwischen Vater und Sohn nehmen ihren Anfang. Weiterlesen

Polit-Thriller mit TiefgangHomeland

Amerika wird angegriffen. Mal wieder. Dieses Mal haben Terroristen ein Virus freigesetzt, das in wenigen Tagen zum Tod führt und dessen Sterberate 90 % beträgt. Die Doktoren Laura Reagan und Ari Musa haben einst für das CDC (Center for Disease Control and Prevention) ein Heilmittel gegen das Virus namens „Zorro“ entwickelt, das aus Beständen der ehemaligen Sowjetunion stammt, und geraten nun ins Visier der Terroristen, die äußerst gut organisiert sind, denn offenbar haben sie einen Insider innerhalb der amerikanischen Regierung.
Ari Musa wird das erste Opfer der Verschwörer, und auch Laura Reagan ist nicht sicher: Sie wird nach einer Veranstaltung in einen Van gezerrt und entführt. Doch nicht von den Verschwörern – die unter der Kontrolle der Homeland Security stehen –, sondern von drei abtrünnigen Regierungsbeamten. Die drei Männer haben von der Verschwörung gegen die amerikanische Bevölkerung erfahren und auch, dass Laura darin verwickelt ist, ohne es wirklich zu wissen. Nun versuchen sie alles, um die Frau zu schützen und das Virus aufzuhalten, das auf eine äußerst perfide Weise verbreitet wird. Weiterlesen

„Immer nur junge Bengels“

 

haarmannIn der Leine werden sauber abgeschabte Menschenknochen und skelettierte Köpfe aufgefunden, die Bevölkerung Hannovers ist entsetzt. Fritz Haarmann ist einer der Bewohner der niedersäschsichen Stadt, doch ihn bedrücken die Funde nicht. Er ist ein „Kriminaler“, der von der örtlichen Polizei unter anderem als Spitzel eingesetzt wird, und der seinen Dienstausweis für eigene Zwecke nutzt. Für welche? Es gibt da zwischen 1918 und 1924 Jugendliche, die als vermisst gelten. Alle waren in Hannover unterwegs und alle trafen auf Fritz. Den ach so hilfsbereiten Menschen, der so mancher armen Familie oftmals zu äußerst günstigen Preisen Fleisch verkauft hat.

Der Klappentext des Buches lässt bereits einiges erahnen. Der Einstieg in die Geschichte ist fast harmlos, aber baut sich durch den Auftritt der Hauptperson schnell auf. Es wird nicht jeder Mordfall erzählt, vor allem der Fall des ersten Opfers wird aufgrund der Kriminalakte in den Vordergrund gestellt und beschrieben.
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Der Abgrund in uns

Als Barry Fairbrother an seinem Hochzeitstag ganz plötzlich verstirbt, gibt es nur wenige Menschen in Pagford, die ehrlich trauern. Denn mit dem Tod eines Gemeinderatsmitgliedes wird dessen Stelle frei, und der liberale Barry, der sich für die Integration des Ghettos Fields in den kleinen idyllischen Ort Pagford eingesetzt hatte, hat damit den Gemeinderat in zwei Lager gespalten, die nun um die Vorherrschaft ringen und ihre Ansichten durchsetzen wollen. Schnell stellt sich heraus, dass fast jeder von ihnen seine Leichen im Keller hat, und der unerbittliche Hass von Kindern auf die eigenen Eltern führt schließlich zu einer Eskalation, mit der niemand so recht gerechnet hätte.

Ein plötzlicher Todesfall – in der Tat. Genau genommen überlebt Barry Fairbrother nicht mal die ersten 3 Seiten, man erfährt also nicht viel über die Person, die den schweren Stein ins Rollen bringt, der ganz Pagford erschüttern soll. Rowling steigt zügig ins Geschehen ein, bremst dann jedoch ab und nimmt sich viel Zeit, um die Charaktere und ihre Gedanken zum Tod von Barry zu skizzieren. Samantha und Miles, die bei ihm waren, als er starb, Miles‘ Vater, der seinerseits im Gemeinderat sitzt und Barrys größter Gegner war – beide Generationen eher an Klatsch und Tratsch interessiert. Parminder, enge Freundin und Kämpferin an seiner Seite, die drei ihrer Kinder liebt und eines verachtet. Krystal, das Mädchen mit der heroinabhängigen Mutter, das nur durch das von ihm geleitete Ruderteam jemals Achtung und Integration erfahren hatte, und nun zurückfällt in ein Loch aus Gewaltausbrüchen und sexueller Verwahrlosung. Der Leser wird ausführlich in den Alltag dieser Dorfidylle eingeführt, der hauptsächlich aus Tratsch und dem Wunsch jedes einzelnen besteht, eine Neuigkeit so schnell und aufgebauscht wie möglich weiterzugeben. Den Familienverhältnissen aller Beteiligten widmet Rowling viel Aufmerksamkeit und beweist das Talent, sich in die unterschiedlichsten, noch so unsympathischen Charaktere hineinzuversetzen.
Die Geschichte wird episodisch abwechselnd aus der Sicht aller handelnden Personen erzählt und bleibt so stets in Bewegung. Im Grunde passiert nicht sehr viel, aber die Spannung bleibt allein deswegen erhalten, weil man ständig eine neue Facette einzelner Menschen erhält und sich so nach und nach vollständige Bilder zusammensetzen kann. Vielleicht entwickelt man für jemanden, der am Anfang einfach nur unsympathisch war, schließlich sogar so etwas wie Verständnis.
Ein plötzlicher Todesfall ist düster und erwachsen, nichts wird verschwiegen und nichts beschönigt. Die Sprache ist zuweilen – je nach Charakter – derb, schlägt dann wieder in angenehme Landschaftsbeschreibungen um. Der Kontrast dessen, was hier Fassade ist, und was dahinter läuft, wird dadurch schön unterstrichen.
Ich war ganz unvoreingenommen an dieses Buch herangegangen und hatte anhand des Titels etwas erwartet, das eher in Richtung Krimi geht. Tatsächlich liegt hier eine bitterböse Gesellschaftskritik vor uns, schonungslos und ohne etwas durch die Blume zu sagen. Die gutbürgerliche Fassade der stolzen Mittelschicht wird nach und nach demontiert und mit der Zeit fragt man sich, wer hier eigentlich asozialer ist: Terri, die drogensüchtige Mutter aus dem Ghetto, oder Simon, der seine Familie tyrannisiert und seine halbwüchsigen Söhne verprügelt.
Für einige Charaktere hat die Geschichte fast so etwas wie ein Happy End, andere werden in ihren Grundfesten erschüttert und Welten brechen zusammen. Inwiefern das verdient war, kann sich der Leser selbst überlegen. Ist Ein plötzlicher Todesfall ein schönes Buch? Nein, ganz und garnicht. Eigentlich ist es wirklich furchtbar deprimierend. Ist es ein gutes Buch? Auf jeden Fall! Für mich hat J.K. Rowling bewiesen, dass sie auch ganz anders kann, als kleine Jungs gegen böse Zauberer kämpfen zu lassen. Das Böse ist überall, jeder einzelne von uns trägt es in sich, sogar Kinder zeigen Grausamkeiten, von denen jeder sicher ist: in MEINER Umgebung gibt es sowas doch nicht! So hinterlässt Ein plötzlicher Todesfall ein merkwürdiges Gefühl zwischen Depression und Erleichterung, jedenfalls aber die Gewissheit, ein wirklich gutes Buch gelesen zu haben.

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J.K. Rowling – Ein plötzlicher Todesfall
Carlsen Verlag, Hardcover, 2012
575 Seiten
24,90€
eBook: 19,90€

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J.K. Rowling